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Politik: Franzosen lehnen EU-Verfassung ab

Die Franzosen haben das europäische Verfassungsprojekt scheitern lassen. Nach Angaben von drei Meinungsforschungsinstituten stimmten zwischen 54,5 und 55,6 Prozent gegen den Text der EU-Verfassung. (29.05.2005, 22:51 Uhr)

Paris/Berlin - Dies meldeten die französischen Fernsehanstalten am Sonntag. Damit wurde der Vertrag massiv abgelehnt. Alle Umfragen der vergangenen Wochen hatten einen deutlichen Sieg der Verfassungsgegner bereits vorausgesagt. «Eine Niederlage für Frankreich», sagte Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie. Außenminister Michel Barnier sprach von einer «wahrhaftigen Enttäuschung». Verfassungsgegner aus allen Lagern bejubelten ihren Sieg und schwenkten Rosen und Flaggen.

Das Verfassungsprojekt ist gescheitert, da alle 25 EU-Staaten zustimmen müssen. Frankreich hat als 10. von 25 EU-Ländern über die EU-Verfassung entschieden. Die neun übrigen Länder, darunter Deutschland am vergangenen Freitag, haben dem Text zugestimmt.

Offen ist nun, ob der Ratifizierungsprozess wie geplant in den übrigen Unionsländern fortgesetzt wird und ob es eventuell, wie von einigen Politikern vorgeschlagen, ein zweites Referendum in Frankreich zu einem späteren Zeitpunkt geben könnte. Bisher gilt als Grundlage der EU-Arbeit der Vertrag von Nizza, mit dem Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat schwerer zu erreichen sind als mit der Verfassung. Die Wahlbeteiligung lag mit etwa 70 bis 70,5 Prozent etwas höher als bei dem Referendum über den Vertrag von Maastricht 1992.

Beherrschende Themen im Wahlkampf waren die Unzufriedenheit mit der Regierung und europäische Anliegen. Chirac hat seinen Landsleuten versichert, er wolle nach der Wahl für eine «neue Dynamik» sorgen. Die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen haben die sozialistische Partei gespalten und im Nein-Lager zu ungewöhnlichen Interessengemeinschaften zwischen Rechts- und Linksradikalen geführt.

Beobachter erwarten die Bildung einer neuer Regierung, wobei Innenminister Dominique de Villepin als Favorit für die Nachfolge des unpopulären Premierministers Jean-Pierre Raffarin gilt.

Deutsche Politiker bezeichneten das Nein der Franzosen zur EU- Verfassung als Rückschlag bezeichnet. CDU-Vize Christian Wulff sagte: «Ich nehme das Nein der französischen Bevölkerung mit großem Bedauern, aber auch mit Respekt zur Kenntnis.» Die Staats- und Regierungschefs der EU müssten nun baldmöglichst nach einer gemeinsamen Lösung suchen.

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte in der ARD-Sendung «Sabine Christiansen»: «Das ist ein ganz schwerer Rückschlag für unser deutsches Ziel, die europäische Einigung voranzubringen.»

Der Ausgang des EU-Referendums in Frankreich hat nach Einschätzung des türkischen Außenministers Abdullah Gül keinerlei Auswirkung auf den EU-Beitrittsprozess der Türkei. Die EU habe einstimmig beschlossen, die Verhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober aufzunehmen. (tso)

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