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Politik: Frau statt Rau

Die Union will im Mai kommenden Jahres das Bundespräsidentenamt besetzen und diskutiert über Kandidatinnen

Von Hans Monath

Geredet wurde über die heikle Frage in der Union schon seit Wochen. Pünktlich zu den Landtagswahlen aber haben Spitzenpolitiker von CDU und CSU nun laut den Anspruch erhoben, Johannes Rau eine weitere Amtszeit zu verwehren und im kommenden Jahr ein anderes Staatsoberhaupt zu bestimmen. Nach CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer meldete sich auch CSU-Parteichef Edmund Stoiber zu Wort. Im „Focus“ sprach er sich dafür aus, eine Frau für das höchste Staatsamt zu nominieren.

Die Debatte lief, seit Demoskopen der CDU einen Sieg sowohl in Hessen als auch in Niedersachsen vorhergesagt hatten. Mit der Übernahme der Regierung in Hannover ändern sich nun tatsächlich die Gewichte in der Bundesversammlung, wo der Union bislang neun Stimmen zu einer Mehrheit fehlten. Daran werden voraussichtlich die Landtagswahlen von Bremen und Bayern in diesem Jahr nichts ändern. Am 23. Mai 2004 wählt die Bundesversammlung einen neuen Präsidenten – oder erstmals in der Geschichte der Republik auch eine Präsidentin.

Schon länger wird auch von Unionspolitikern darüber spekuliert, ob es nicht an der Zeit wäre, eine Frau ins höchste Amt zu wählen. Schon vor vier Jahren hatte die Union gegen Rau die thüringische Ministerin Dagmar Schipanski ins Rennen geschickt. Dass nun ausgerechnet der Chef der konservativen CSU die Frauenfrage aufwirft, könnte allerdings Gründe haben, die eher in der Machtbalance der Unionsspitze zu suchen sind.

Auch Stoiber selbst war von CDU-Seite als Kandidat ins Spiel gebracht worden. Das musste der frühere Merkel-Rivale als Aufforderung werten, eigene Ambitionen zu erklären. Die Spekulationen nannte der Bayer nun „absurd“. Er sei „mit Herz und Seele Regierungschef und Parteivorsitzender".

Auch die Tatsache, dass viele Liberalen in der Bundesversammlung mit dem konservativen Bayern ihre Schwierigkeiten hätten, spricht dafür, dass Stoiber nicht ernsthaft Kandidat werden sollte. Genannt werden aber auch die Namen von CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble und des Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel. Mit den beiden CDU-Politikerinnen würden sich die Liberalen deutlich leichter tun.

Im Gespräch als Kandidatinnen der Union sind auch die Stuttgarter Kultusministerin Annette Schavan, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth sowie erneut Schipanski. CDU-Chefin Angela Merkel steht in der Frauenfrage voraussichtlich vor einem Dilemma: Einerseits dürfte sie im Interesse eines Aufbruchssignals eine Kandidatin befürworten. Doch weil der konservative Unionsflügel sich mit zwei Frauen in höchsten Staatsämtern schwertun würde, muss sich Merkel überlegen, ob sie damit ihre Chancen auf eine Kanzlerkandidatur schmälert.

Offensiv angesprochen haben Unionspolitiker die Wahl deshalb wohl vor allem aus einem Grund: Indem sie die Nachfolge von Johannes Rau schon jetzt zum Thema machen, wollen sie verhindern, dass die Öffentlichkeit sich auf eine zweite Amtszeit des Sozialdemokraten Rau einstellt. Sonst würde die Union als Königsmörder dastehen, wenn sie im kommenden Mai plötzlich auf ihrem eigenen Mehrheitsrecht besteht.

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