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Klimaaktivistin Greta Thunberg in Hamburg – im Vordergrund: Schülerstreik-Organisatorin Luisa Neubauer.

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Frauenprotest: Die alte Hackordnung wackelt

Die Kombination aus jung und weiblich war bisher kaum geeignet, den Mächtigen Angst zu machen. Das scheint sich gerade zu ändern. Gut für alle. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Dass sie äußerlich sehr unterschiedlich sind - eine trägt den Kopf fast kahl rasiert, die andere lange Zöpfe -, ändert an einer zentralen Ähnlichkeit nichts: Emma González und Greta Thunberg sind die Gesichter von Protestbewegungen geworden. Die eine gegen die Waffengesetze in den USA, die andere gegen die Klimaverschmutzung. Sowohl die Geschorene als auch die Bezopfte sind Schülerinnen. Also jung, also weiblich - also in der üblichen Hackordnung des Maulaufreißens ganz unten.

Dennoch erfuhren sie weltweite Resonanz für ihr Engagement, statt unter paternalistischen Zurechtweisungen zu verstummen. Im Gegenteil: Wer sich paternalistisch zurechtweisend über sie äußerte, beispielsweise der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, Stichwort "arme Greta", war selbst blamiert.

Die junge Generation gilt als eine, die keine wirklichen Probleme mehr hat. Dass sie den Namen "Generation Z" trägt, passt ironischerweise zu genau der Streberlogik - am Ende des Alphabets sind alle Probleme gelöst -, die bei ihr nicht mehr greift. Bei besten Aussichten auf Jobs, wie leicht vorwurfsvoll konstatiert wird, fehlen Wunsch und Wille, in eine beeindruckende Karriere zu starten. Statt "mein Haus, mein Auto, mein Boot" auf den Tisch zu knallen, heißt es bei ihnen: "unser Leben", "unser Planet".

Das Streben geht eher in die Breite als in die Höhe. Es wird kooperativer, kommunikativer, solidarischer. Das sind gemeinhin als "weiblich" geltende Werte oder Prinzipien. Da ist es geradezu folgerichtig, wenn die Gesichter der neuen Bewegungen Mädchen und junge Frauen sind. Das ist auch für die Kritisierten, die Generationen der tonangebenden Männer, besser zu ertragen, als wenn Jungs zu Wortführern der Kritik würden.

Die Kombination weiblich und jung wird nicht als Konkurrenz gesehen. Entweder stachelt diese an, nach dem Motto: Was ein Mädchen kann, kann ich längst, oder es kommt zu Welpenschutzreflexen. Ernst genommen wird die Kombination von Männern eher nicht. Eine Erfahrung, die aktuell auch die jungen Klimaschutz-Aktivistinnen machen.

Wenn junge Frauen zurecht - und in dieser Woche, die in Berlin mit dem neuen Feiertag am Frauentag endet, erst recht - immer wieder darauf hinweisen, dass Frauenrechte Menschenrechte sind, also universell, dann muss umgekehrt auch gelten, dass Frauenwerte Menschenwerte sind.

"Fearless Girl" fordert die Wall Street heraus

Wer den Globus retten will, will ihn für alle retten. Wer Waffen verbieten will, also die Unlogik beenden, dass einerseits niemand möchte, dass Menschen sich umbringen, andererseits aber Gerätschaften für diesen Zweck verbreitet werden, schützt aller Menschen Leben.

Im New Yorker Finanzdistrikt steht seit dem Frauentag 2017 eine bronzene Büste. Sie heißt "Fearless Girl". Ein Mädchen mit Rock und Zopf, die Arme in die Hüften gestemmt, die Miene selbstbewusst. Sie stand erst dem schnaubenden Bullen gegenüber, der die alles niederwalzende Potenz des Kapitalismus symbolisiert, inzwischen steht sie direkt vis-à-vis der Börse. "Fearless Girl" war eine PR-Aktion einer Investmentfirma und sollte für höhere Frauenanteile in Vorständen werben. Weil gemischte Vorstände bessere Zahlen liefern.

Frauen sollten also zweckgebunden integriert werden. Dass die Investmentfirma später überführt wurde, Frauen schlechter zu bezahlen als Männer, passt dazu natürlich viel besser als das behauptete Gleichberechtigungsinteresse. Als hätte "Fearless Girl" das durchschaut, galt und gilt sie weder vor dem Bullen noch vor der Börse als Sinnbild für den Wunsch, im Spiel mitzumachen. Sondern für die Forderung, das Spiel zu ändern.

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