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Politik: Für alle Fälle

Was bei der Patientenverfügung zu beachten ist

Stand:

Wofür braucht man die Verfügung?

„Sterben ist heute meist kein medizinisch unbeeinflusster Prozess“, heißt es in einer Publikation des Nationalen Ethikrates. Mit einer Patientenverfügung kann man vorab festlegen, welche Behandlungen man wünscht und welchen man seine Zustimmung verweigert – für den Fall, dass man zu einer solchen Willensäußerung nicht mehr in der Lage sein sollte. Nach einer Schätzung der Deutschen Hospizstiftung haben rund sieben Millionen Deutsche ein solches Papier abgefasst oder einen fertigen Vordruck unterschrieben. Eine Minderheit, doch die Tendenz ist steigend.

Wann sollte man sie aufsetzen?

Memento mori – denk daran, dass du sterben musst. Streng genommen gilt dieser weise Rat aus der Antike in jedem Lebensalter: Trotzdem wird eine Verfügung meist konkreter und lebenspraktischer, wenn ein Mensch sie schon im Bewusstsein abfasst, an einer tödlichen Krankheit zu leiden. Oder wenn er rein altersmäßig dem Tod nahe steht. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, die Verfügung später immer wieder zu aktualisieren beziehungsweise erneut zu unterzeichnen.

Reichen ein paar Sätze?

Nein. Wer beispielsweise nur notiert, er wolle „keinesfalls an Schläuchen hängen“, wird der Komplexität der modernen Medizin nicht gerecht. Wenn jemand nach einem Unfall bewusstlos ist, kann oft nicht sofort entschieden werden, ob sein Leben zu retten oder ob sein Gehirn dauerhaft geschädigt ist. Es wird also alles versucht werden. Erst später, in einem Stadium, in dem der Patient längst an Apparate angeschlossen ist, geht es dann um die Frage, ob das Therapieziel Lebensrettung noch angemessen ist. Auf solche Situationen muss die Verfügung konkret eingehen. Auf jeden Fall aber sollten im Text Situationen genannt werden, in denen die Verfügung gelten soll.

Was ist noch zu beachten?

Man sollte eine nahe stehende Person mit einer Vollmacht ausstatten, weil es sein kann, dass man selbst seine Meinung nicht mehr äußern kann. In dieser Vollmacht kann man auch bestimmen, was mit Haus und Vermögen geschehen soll, allerdings muss dann ein Notar hinzugezogen werden. Die Vollmacht bildet eine gute Ergänzung zur Patientenverfügung – an die sich der Bevollmächtigte halten muss. „Am besten sollte man beides tun“, sagte der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio vom Uniklinikum in München. Denn: „Wenn eine Patientenverfügung mit dem Arzt und dem Bevollmächtigten besprochen wurde, hat sie eine größere Chance, umgesetzt zu werden.“

Wo liegen die Streitpunkte?

Dass Patientenverfügungen verbindlich sind, hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen bestätigt. Strittig ist, für welche Fälle eine Patientenverfügung gelten soll. Klar ist, dass Teile einer Patientenverfügung unwirksam sind, die von Ärzten ungesetzliches Handeln verlangen würden – etwa aktive Sterbehilfe. Andere Fälle sind schwieriger. Die einen wünschen sich, dass die Reichweite der Vorausverfügungen auf Fälle begrenzt wird, in denen der Betroffene schon unter einer Grundkrankheit leidet, die einen tödlichen Verlauf nimmt; zum Beispiel ein Krebsleiden. Nur dann soll dem Wunsch nach Behandlungsbegrenzung entsprochen werden. Das wünschte sich die Enquetekommission des Deutschen Bundestages in ihrer Stellungnahme von 2004.

Was geschieht, wenn keine Verfügung gefunden wird?

Wenn Ärzte und Pflegekräfte nicht mit ihrem Patienten sprechen können, müssen sie mit den engsten Angehörigen ins Gespräch kommen. Juristen sprechen vom „mutmaßlichen Willen“. Wenn es nichts Schriftliches gibt, bietet sich als Anhaltspunkt Äußerungen der Betroffenen von früher an. „Gespräche im Familien- und Freundeskreis über diese Tabuthemen sind aus meiner Sicht ganz zentral“, sagt die Ärztin Margret Steinberg, die sich bei der Berliner Ärztekammer seit Jahren mit dem schwierigen Themenkreis Patientenverfügungen und mutmaßlicher Wille beschäftigt. Was nicht schwarz auf weiß vorliegt, kann trotzdem leichter angezweifelt werden. Und es kann für die Angehörigen quälend sein, in den Verdacht zu kommen, sie wollten sich von einer „Last“ befreien, wenn sie für einen Abbruch der Behandlung plädieren. Wenn es hart auf hart kommt und die Angehörigen sind sich nicht einig, wird das Vormundschaftsgericht eingeschaltet.

www.tagesspiegel.de/patienten

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