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Politik: Für mehr als eine Handvoll Dollar

Altkanzler Gerhard Schröders erster Auftritt als Redner in den USA

Nein, ums Geld gehe es dem früheren SPD-Chef nicht. Versichert jedenfalls Rainer Münzel, der deutsche Generalkonsul in Houston, der Gerhard Schröder bei seiner Premiere als Redner in den USA – im Bundesstaat Texas – als diplomatische Rückendeckung begleitet. „Eineinhalb Jahre ist die Universität ihm hinterhergelaufen, denn man wollte einen Dozenten vom Kaliber eines Jacques Chirac oder George Bush senior haben.“ Und dann, endlich, habe Schröder eine Lücke im Terminkalender gefunden und Ja gesagt. Wie viel er für den Auftritt bekomme? Niemand will es sagen. Schröders Büro im Bundestag gibt dazu grundsätzlich keine Auskunft, und auch die New Yorker Redner-Agentur Harry Walker bleibt stumm. Diskretion gehört zum lukrativen Geschäft mit dem gesprochenen Prominenten-Wort. Und so gibt es am Ende nur Schätzungen: Zwischen 80 000 und 100 000 Dollar, so Branchenkenner, werde Schröder für seinen ersten Vortrag in den USA bekommen.

Nach beendeter Rede steht „der führende Welt-Staatsmann“ – so die offizielle Ankündigung der Veranstalter – am Dienstagabend vor einem gewaltigen Gobelin in der Great Hall der Trinity-Universität, und die Schar jener Ehrengäste und lokaler Honoratioren aus San Antonio, die zum Händeschütteln und schnellen Erinnerungsfoto anstehen, will zum Leidwesen der mit dem Altkanzler eingeflogenen deutschen Sicherheitsbeamten kein Ende nehmen. Das Käse- und Obstbuffet bleibt weitgehend unbeachtet. Schröder genießt trotz Jetlag und kleiner Augen sichtlich die Komplimente. „Die Leute sind alle so freundlich hier.“ Schröders auch in den USA vielfach kritisiertes Engagement beim russischen Energieriesen Gasprom ist für die Menschen in Texas ziemlich weit weg. Auch seine Nähe zu Wladimir Putin spielt hier keine Rolle. Keiner fragt danach.

Vor der Rede im gut gefüllten Auditorium der privaten Universität lobt der Vertreter der Hochschule Schröder als „dynamischen Führer“, der „in sieben Jahren mit Reformen mehr für sein Land getan hat als andere in Jahrzehnten. Und er hat seit seinem Abschied als Bundeskanzler Englisch gelernt.“

Das provoziert Lacher, aber wenig später auch Bewunderung – denn der Ex-Kanzler spricht erstaunlich sicher in der neu erlernten Sprache, nur selten stolpert er über Zungenbrecher wie „strategically“. In den ersten Reihe sitzen die zumeist etwas betagten „donors“, also jene, die mit ihren Spenden den Auftritt möglich gemacht haben. Sie hören, dass der Redner in Sachen Klimaschutz Präsident George W. Bush wegen der Nichtunterzeichnung der Kyoto-Protokolle ermahnt – und radikale Schritte fordert. Sie vernehmen, dass der Redner gegen den Irakkrieg gewesen sei („das wissen Sie ja alle“) und nun für eine „sensible Abzugsstrategie“ plädiert, die den Dialog mit allen Nachbarstaaten – auch Syrien und dem Iran – einschließen müsse. Ein weiterer Giftpfeil in Richtung Bush, ausgerechnet in Texas.

Die Zuhörer bekommen auch Schröders These mit auf den Weg, dass regionale Kooperation die wichtigste Voraussetzung für Frieden und Wohlstand sei. „Diese Lektion haben wir in Europa gelernt“, doziert er und erntet bei der anschließenden Fragerunde aus dem Publikum gleich ein dickes Lob. „Ich stimme 98 Prozent von dem, was sie gesagt haben, zu“, schmeichelt ihm ein Zuhörer. Worauf Schröder schlagfertig kontert: „Das ist ein höherer Prozentsatz als jener, den ich zuletzt in Deutschland hatte.“ Wieder hat der Gast aus Deutschland die Lacher auf seiner Seite.

Schröder ist an diesem Abend in San Antonio sichtlich in seinem Element: Lehnt sich locker auf das Stehpult, genießt den Dialog mit der Menge. Wie schon vor seiner Rede bei einer Diskussion mit ausgewählten Studenten hinter verschlossenen Türen. Sogar zur Gesundheitsreform in Deutschland habe man ihn befragt, lobt Schröder später die gut informierte amerikanische Jugend. Und zur Zukunft der großen Koalition in Berlin habe man wissen wollen, ob sie halten werde. „Na klar“, habe er geantwortet.

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