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Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär, gibt nach der Sitzung des SPD-Präsidiums nach der Europawahl eine Pressekonferenz.

© dpa/Kay Nietfeld

„Gefühl von absoluter Vergeblichkeit“: Kevin Kühnert spricht erstmals über Gründe für seinen Rücktritt

Er galt als eines der größten politischen Talente seiner Generation: Im Herbst erklärte SPD-Politiker Kühnert überraschend seinen Rückzug. Nun äußert er sich ausführlich – und schließt ein Comeback nicht aus.

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Der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (35) begründet seinen überraschenden Rückzug aus der Politik mit körperlichen Angriffen und Bedrohungen gegen sich. „Meine rote Linie ist da, wo Gewalt in der Luft liegt. Ich bin nur 1,70 Meter groß“, sagte Kühnert der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Beispielschaft schildert er etwa eine Attacke von einer Corona-Leugnerin, die in Detmold bei einem Wahlkampfauftritt auf ihn zugestürmt sei, auf ihn eingeschlagen und ihm ein rohes Ei an den Kopf geschleudert habe.

Auch erzählt er von Neonazis, von denen er sich bedroht gefühlt habe. Von Bauern, die vor der SPD-Zentrale mit selbst gebauten Galgen demonstriert hätten. Und von einem Fußballfan, der sich bei einem Stadionbesuch neben ihn gestellt, als AfD-Wähler vorgestellt und ihm „Ich hasse dich!“ ins Gesicht gesagt habe.

Selbst im Urlaub habe er sich nicht mehr sicher gefühlt und seine Ferien deshalb immer öfter in einsamen Gegenden im Gebirge verbracht. In jedem zweiten Gasthof werde er erkannt und angepöbelt.

Kühnert glaubt nicht mehr daran, gegen den Hass kämpfen zu können

„Irgendwann ist mir klar geworden: Wenn ich in Ruhe gelassen werden will, muss ich dahin, wo gar keine Menschen sind“, sagte der 35-Jährige. Er habe den Glauben daran verloren, gegen den Hass ankämpfen zu können, der vor allem auf Social Media verbreitet werde. „Vielleicht ist das der Punkt, wo es pathologisch geworden ist. Am Ende war da ein Gefühl von absoluter Vergeblichkeit“, sagt Kühnert.

Zugleich betonte der frühere SPD-Generalsekretär, nicht aus der Politik ausgestiegen zu sein, weil er Angst vor Neonazis habe, „sondern weil ich zunehmend Zweifel habe, was das Thema Wehrhaftigkeit betrifft“. Als etwa in einer Straßenbahn drei Männer vor ihm darüber gesprochen hätten, wie sie ihn verprügeln wollen, habe niemand etwas gesagt, obwohl der Waggon voller Menschen gewesen sei.

Ihm sei klar, dass andere Politikerinnen und Politiker viel schlimmer von Gewalt betroffen gewesen seien, sagt Kühnert. Doch er habe sich an diesen Alltag für Politiker nie gewöhnen können.

Respekt vor Andersdenkenden

Kühnert hatte im Herbst 2024 überraschend seinen Rücktritt als SPD-Generalsekretär und seinen Rückzug aus der Politik verkündet und dafür gesundheitliche Gründe angeführt. Mitte Februar verabschiedete er sich mit einer Rede im Bundestag.

Der „Zeit“ verriet er, dass er seit einigen Jahren mit einem FDP-Mann liiert sei. Dank seiner Beziehung habe er noch einmal neu begriffen, wie wichtig der Respekt vor politisch Andersdenkenden sei: „Es braucht das ständige Bewusstsein, dass der politische Gegner auch recht haben könnte.“

Kühnert schließt nicht aus, noch einmal in die Politik zurückzukehren: „Ich bin nicht ausgestiegen, weil ich das alles lächerlich oder überflüssig fände“, sagt er. (KNA, Tsp)

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