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Da steigt der Blutdruck. Für Hunderttausende von Privatversicherten erhöhen sich die Beiträge ganz erheblich.

© dpa

Private Krankenversicherung: Geschieht das denen recht, die sich aus dem Solidarsystem gestohlen haben?

In der privaten Krankenversicherung drohen soziale Verwerfungen. Das liegt daran, dass die Branche zu viele geködert hat, die ins gesetzliche System gehören. Ein Kommentar.

Nur, um die Dinge in ein Größenverhältnis zu setzen: Als die gesetzlichen Krankenkassen zum Jahreswechsel unter starker öffentlicher Erregung ihre Zusatzbeiträge erhöhten, ging es im Schnitt um 0,2 Prozentpunkte. Für besser Verdienende bedeutete das eine Kostensteigerung von monatlich acht Euro. Familienangehörige inklusive. Und wer bei einer Kasse war, die mehr wollte, konnte ihr problemlos Lebewohl sagen.

Bei den Erhöhungen der privaten Krankenversicherung (PKV) geht es um 30 oder 40 Prozent. Deutschlands zweitgrößter Anbieter verlangt schlagartig bis zu 130 Euro mehr im Monat. Und ein Wechsel zu günstigeren Anbietern innerhalb der PKV ist zumindest für Ältere so gut wie unmöglich, da sie überall noch viel mehr zahlen müssten.

Geschieht das denen, die sich aus dem Solidarsystem gestohlen haben, nicht ganz recht?

Gerät da etwas aus den Fugen, und muss uns das beunruhigen? Oder handelt es sich nur um ein Luxusproblem, ein Ärgernis für die ohnehin besser Gestellten im Land? Geschieht es denen, die sich in der Hoffnung auf Ersparnis aus dem Solidarsystem gestohlen haben, nicht sogar ganz recht, nun auch mal zu bluten?

Tatsache ist: Die Privatversicherer gehen, auch wenn noch nicht alle derart aufschlagen wie die DKV, harten Zeiten entgegen. Zu den Kosten von alternder Bevölkerung und medizinischem Fortschritt, die auch das gesetzliche System herausfordern, kommt zweierlei verschärfend dazu: die Selbstverpflichtung, nicht nur medizinisch Notwendiges zu zahlen, sondern Patienten und Ärzte mit mehr und Teurerem zu beglücken. Und die anhaltende Zinsflaute, die plötzlich viel mehr Geld für Altersrückstellungen erforderlich macht als noch vor Jahren.

Im PKV-System sind zu viele, die dort nicht hingehören

Um Rosinenpickerei zu verhindern, hat der Gesetzgeber die Rückkehrmöglichkeit zu gesetzlichen Kassen  drastisch beschränkt. Zu Recht. Das Problem ist nur, dass sich im PKV-System bereits viel zu viele befinden, die dort nicht hingehören – und die nun mitgefangen sind. Geködert mit Billigtarifen zu Zeiten, als sie nicht absehen konnten, wie sich ihr Job und ihr Einkommen entwickeln. Kleine Selbstständige, deren Laden nicht mehr so läuft. Angestellte, die bei Lohnsteigerungen außen vor blieben. Rentner, die nach Scheidung oder Tod des Ehepartners verarmt sind. Für diese Menschen bedeuten 1000 oder 1500 Euro weniger im Jahr eine Katastrophe. Zumal es dabei nicht bleibt.

Wer diese Entwicklung laufen lässt, riskiert soziale Verwerfungen. Zwar geht es nicht an, dass der Staat Konzernen unter die Arme greift, die sich verkalkuliert haben. Doch die Politik kann auch nicht zusehen, wie ein System mit Menschen darin gegen die Wand läuft. Sie muss dafür sorgen, dass sich ihm nur noch wirklich finanziell Unabhängige ausliefern dürfen. Sie muss erreichen, dass gesetzliche Kassen Existenzgründern attraktivere Angebote machen. Sie darf nicht hinnehmen, dass es innerhalb der PKV keinerlei Wettbewerb gibt. Und sie ist in der Pflicht, Überforderten jeglichen Alters Ausstiegsoptionen zu ermöglichen. Unter Mitnahme der angesammelten Rückstellungen.

Ohne die Beamten gäbe es das Doppelsystem nicht mehr

Hilfreich wäre es auch, die Beihilfe für Beamte auf gesetzliche Kassen auszuweiten. Ohne diese Form der PKV-Subventionierung nämlich gäbe es das unselige Doppelsystem schon lange nicht mehr. Stattdessen hätten wir das, worauf sinnvollerweise ohnehin alles zulaufen muss: eine solidarische Grundabsicherung, der sich keiner mehr entziehen kann. Und die Möglichkeit, sich privat noch ein bisschen Luxus dazuzukaufen. Wenn und solange es die finanzielle Situation erlaubt.

Tipp: Wer über einen Wechsel der PKV nachdenkt, sollte einen Blick in den Ratgeber-Bereich des PKV-Vergleichs werfen und sich informieren.

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