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Ein Rentnerpaar sitzt auf einer Bank vor dem Reichstag.

© Stephan Scheuer/dpa

Große Koalition findet Kompromiss: Grundrente für 1,5 Millionen Menschen beschlossen

Die Koalition vereinbart gleichzeitig ein Paket von Maßnahmen zur Alterssicherung und zur Entlastung der Wirtschaft. „Die Kuh ist vom Eis“, so CSU- Chef Söder.

Von
  • Hans Monath
  • Robert Birnbaum

Nach monatelangem zähem Ringen hat sich die große Koalition auf einen Kompromiss für die Grundrente geeinigt. „Die Kuh ist vom Eis“, sagte CSU- Chef Markus Söder am Sonntag nach mehr als fünfstündigen Verhandlungen der Partei- und Fraktionschefs im Kanzleramt. Geringverdiener sollen ab 2021 eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen, wenn sie mindestens 35 Jahre lang gearbeitet haben. Anstelle der umstrittenen Bedürftigkeitsprüfung soll eine „umfassende Einkommensprüfung“ anhand der Daten der Finanzämter den Kreis der Bezieher festlegen. Die Kosten bezifferte Söder auf etwa eine bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Profitieren werden davon nach Angaben der kommissarischen SPD-Chefin Malu Dreyer etwa 1,5 Millionen Menschen, davon viele Frauen mit Niedrigrenten.

Die Koalitionsrunde vereinbarte zugleich ein Paket von weiteren Maßnahmen zur Alterssicherung, aber auch zur Entlastung der Wirtschaft. Nach Angaben von CDU-Chefin Annegret Kramp- Karrenbauer soll der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,1 Prozentpunkte befristet bis Ende 2022 sinken. Zugleich soll ein Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufgelegt werden, der auf zehn Milliarden Euro anwachsen und Start-ups unter die Arme greifen soll. Diese Maßnahmen sollen den Kritikern aus dem CDU-Wirtschaftsflügel den Wind aus den Segeln nehmen, die den Kompromiss zur Bedürftigkeitsprüfung schon vorab abgelehnt hatten.

Angehoben werden sollen außerdem die Freigrenzen für betriebliche Altersversorgungen, die zur Doppelverbeitragung herangezogen werden. Verdoppeln will die Koalition schließlich nach Angaben Kramp-Karrenbauers den Arbeitgeber-Anteil zu Betriebsrenten und den Höchstbetrag der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung. Beide Schritte sollen dem Entstehen von Altersarmut und Niedrigrenten entgegenwirken.

Durchbruch in schwieriger Frage

Kramp-Karrenbauer, Söder und Dreyer werteten den Kompromiss übereinstimmend als Durchbruch in einer für alle Seiten schwierigen Frage. Insgesamt sei das Ergebnis für die CDU „ein gutes, vertretbares“, sagte Kramp-Karrenbauer. Auch Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der zuletzt als Skeptiker aufgetreten war, trage die Einigung mit. Söder betonte: „Wir haben uns nicht in ideologische Nischen zurückgezogen.“ Das Gesamtpaket biete eine gute Balance. Er könne jetzt auch keinen Grund mehr erkennen, die Koalition infrage zu stellen.

Auch die SPD zeigte sich zufrieden. „Das ist ein sozialpolitischer Meilenstein“, sagte Dreyer. Die Lösung stelle sicher, dass die Menschen gegenüber dem Staat nicht als Bittsteller auftreten müssten. Vizekanzler Olaf Scholz erklärte, die Lösung sei „sozial und gerecht“. Auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der wesentliche Vorarbeiten für den Kompromiss geleistet und selbst mitverhandelt hatte, lobte das Ergebnis. Es sei gelungen, im Interesse der Menschen einen „sozialpolitischen Meilenstein zu setzen“.

Dagegen sagte der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach dem Tagesspiegel: „Den Meilenstein kann ich nicht erkennen.“ Der großen Koalition sei nur eine kleine Lösung gelungen. Ein großer Schritt zur Beseitigung drohender Altersarmut werde mit der Einigung vom Sonntag nicht unternommen. Lauterbach war gemeinsam mit seiner Co-Kandidatin Nina Scheer in der ersten von zwei Abstimmungen der SPD-Mitglieder über den künftigen Parteivorsitz ausgeschieden.

Ergebnis positiv für die SPD

Mit dem Kompromiss zur Grundrente dürften auch die Chancen gestiegen sein, dass die SPD eine positive Bilanz von zwei Jahren Regierungsarbeit zieht und dem Parteitag Anfang Dezember empfiehlt, für die Fortsetzung der großen Koalition zu stimmen. Vor der Einigung hatten wichtige SPD-Politiker gewarnt, ohne einen Beschluss zur Grundrente werde sich der Parteitag kaum zum Regierungsbündnis mit der Union bekennen. Das SPD-Präsidium will am Montag über die Bilanz der Regierungsarbeit beraten. Das abschließende Urteil dürfte den neuen Parteivorsitzenden vorbehalten bleiben, die Ende November feststehen sollen.

Die Grundrente war im Koalitionsvertrag vereinbart worden, wurde aber vor allem wegen der von der Union geforderten Bedürftigkeitsprüfung zur Belastungsprobe für beide Seiten. Der Kompromiss spricht mit Rücksicht auf die SPD nur noch von einer „Bedarfsprüfung“. Es solle eine „umfassende Einkommensprüfung“ durch Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzbehörden stattfinden, heißt es in dem Beschluss. Bis zu einem monatlichen Einkommen von 1250 Euro für Alleinstehende und 1950 Euro für Paare wird die Grundrente in voller Höhe gezahlt.

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