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Gutachten des Verfassungsschutzes: Die AfD und ihr „ethnisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff“
Offiziell ist das Gutachten über die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ gesperrt, doch werden immer mehr Auszüge bekannt. Sie zeichnen das Bild einer konsequent migrantenfeindlichen Partei.
Stand:
Im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) herrscht eine Art Nachrichtensperre über die jüngst verkündete Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“. Grund dafür ist die Klage der AfD gegen die Einstufung vor dem Verwaltungsgericht Köln. Das Bundesamt hat eine „Stillhaltezusage“ in dem Verfahren abgegeben.
Bis zu einer Entscheidung des Gerichts wurde die entsprechende Pressemitteilung von der behördlichen Webseite wieder entfernt. Auf Anfragen zur Einstufung der AfD heißt es aus dem BfV derzeit: „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert das BfV sich in dieser Angelegenheit nicht öffentlich.“
Das BfV behandelt die AfD nun so, als habe es die neue Einstufung nicht gegeben. Die Partei gilt weiter nur als „Verdachtsfall“.
Trotzdem dringen seit Tagen immer mehr Auszüge aus dem neuen Gutachten zur „Hochstufung“ der Partei an die Öffentlichkeit. Nach dem „Spiegel“ berichtet nun auch die „Bild“ über das Gutachten.
Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert das BfV sich in dieser Angelegenheit nicht öffentlich.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Anfragen zum Umgang mit der AfD
Demnach umfasst das Papier 1108 Seiten, ist in sieben Kapitel und 203 Unterkapitel unterteilt und wurde als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Das ist die niedrigste Geheimhaltungsstufe.
Nach einer Einleitung beginnt auf Seite 110 die eigentliche Stoffsammlung. Überschrift: „Belege für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“.
Die AfD vertrete demnach einen „völkisch-abstammungsmäßiges Gesellschafts- und Volksverständnis“. Deutschen mit Migrationshintergrund solle „die Anerkennung als gleichberechtigte bzw. gleichwertige Mitglieder der rechtlich verfassten Gemeinschaft versagt“ werden. Die AfD mache einen Unterschied zwischen „Deutschen“ und „Passdeutschen“.
Als Belege werden unter anderem Zitate des AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah angeführt, der etwa davon sprach, dass „Korruption mit Kultur und Kultur mit Ethnie“ korreliere.
Mit dem Thema Kriminalität geht es auch weiter im Text. So wird der AfD vorgeworfen, sie unterstelle Menschen nicht-deutscher Herkunft allgemein, mehr Straftaten zu begehen.
Ausgrenzung von Muslimen
Als Beleg werden wiederum Aussagen von AfD-Politikern und Aussagen des AfD-Bundesverbands angeführt. In einem Posting heißt es zum Beispiel, es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen zu deutschen Staatsbürgern würden, die „Frauen vergewaltigen“ und „unschuldige Menschen mit Messern angreifen“. „Messer“ sei ohnehin ein vielfach mit abwertenden Aussagen verbundenes Wort, etwa bei „Messermigration“.
Es gebe zudem eine „besondere Diskriminierung nicht-weißer Personen“. Das dadurch propagierte Volksverständnis stehe in Widerspruch zum Staatsvolksbegriff des Grundgesetzes und impliziere „die menschenwürdewidrige Überhöhung eines konstruierten ethnisch-kulturellen Kollektivs und die Exklusion von Menschen mit Migrationsgeschichte“.
Wir können frühestens antworten, wenn uns das Gutachten in Gänze vorliegt und wir es inhaltlich ausgewertet haben.
Die AfD-Pressestelle auf Anfrage des Tagesspiegels, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Musliminnen und Muslime würden wegen ihrer Religionszugehörigkeit bewusst ausgrenzend als „kriminell und unerwünschte, nicht integrierbare Menschen zweiter Klasse“ dargestellt. Es gebe aber auch „klassisch antisemitische Narrative, Motive und einzelne judenfeindliche Ressentiments“. So würden Juden als „Strippenzieher des Weltgeschehens“ geschildert, etwa wenn von „Globalisten“ die Rede sei.
Eine weitere Stoßrichtung ist nach Ansicht des BfV „Agitation“ gegen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes. Die AfD mache den Parlamentarismus verächtlich und versuche, „das Vertrauen in die staatliche Nachkriegsordnung von Grund auf zu erschüttern“.
Das betrifft etwa Redeweisen des AfD-Chefs Tino Chrupalla, der deutsche Regierungsmitglieder als „Vasallen Amerikas“ bezeichnet hatte, oder die Verwendung von Begriffen wie „Systemparteien“ oder „Kartellparteien“.
Die AfD wollte zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen. „Wir können frühestens antworten, wenn uns das Gutachten in Gänze vorliegt und wir es inhaltlich ausgewertet haben“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage.
Die Stoffsammlung zeigt eine enge Orientierung am – nicht rechtskräftigen – Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts vor einem Jahr, wonach die AfD zurecht als „Verdachtsfall“ eingestuft wurde.
Dem OVG zufolge war dies vor allem deshalb gerechtfertigt, weil es der Partei zufolge eine von der Staatsangehörigkeit unabhängige „ethnisch-kulturelle“ Volkszugehörigkeit geben soll, die als Grund angeführt werde, Migranten abzuwerten.
Als zulässige „Machtkritik“ hatte es das OVG noch gewertet, wenn die etablierten Parteien als „Altparteien“ oder „Parteiendiktatur“ beschimpft würden. „Die Grenze zur Verächtlichmachung des Parlamentarismus ist aber überschritten, wenn sich aus den Äußerungen ergibt, dass dem politischen Gegner die Existenzberechtigung abgesprochen werden soll“, hieß es. Auch für solche „Schmähung in reiner Diffamierungsabsicht“ fand das Gericht schon damals eine Fülle von Belegen.
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