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Hand vor dem Mund: Die deutsche Nationalelf vor dem Spiel gegen Japan

© Imago/Ulmer/Teamfoto

Wie steht es um den Boykott der WM?: „Die Neugier hat bei den meisten doch überwogen“

Das Hadern war vor dem Turnier groß: schauen oder nicht? Der Konsumpsychologe Dirk Ziems untersucht, wie die Deutschen die Fußball-WM in Katar wahrnehmen.

Herr Ziems, wegen der Menschenrechtslage in Katar und wegen toter Gastarbeiter haben viele Deutsche vor der WM gesagt, sie wollten das Turnier boykottieren. Haben die meisten das auch durchgezogen?
Wir führen zahlreiche Tiefeninterviews durch, um herauszufinden, wie die Deutschen die WM wahrnehmen. Vor der WM haben sich viele in der Tat sehr kritisch geäußert und angekündigt, zu boykottieren. Die Neugier hat dann bei den meisten doch überwogen. Aber es gibt eindeutige Vorbehalte.

Die WM ist für viele ein ethisch kompromittiertes Produkt wie Textilien aus Kinderarbeit oder die Tankstellenmarke mit der havarierten Bohrplattform. Der Wunsch, Ronaldo zu boykottieren, ringt also mit dem Wunsch nach Zerstreuung und Ablenkung in schweren Krisenzeiten. Wobei das Ganze auf der Kippe steht. Falls die deutsche Mannschaft erfolgreich ist, ist man natürlich eher bereit, die Vorbehalte hinten anzustellen.

Nach dem ersten Spiel, der Niederlage gegen Japan, war das ja erst einmal nicht der Fall.
Das Spiel war für viele eine doppelte Enttäuschung. Der Eindruck war: Die deutsche Mannschaft ist eingeknickt. Auf der einen Seite spielerisch, auf der anderen Seite aber auch ethisch. Auf Druck der Fifa hat die Mannschaft die „One Love“-Binde nicht getragen und sich nur symbolisch vor dem Spiel den Mund zugehalten. Das wurde in unseren Interviews als Peinlichkeit beschrieben.

Trotzdem gibt es ja sicher die hartgesottenen Fußballfans, die dennoch versuchen, möglichst viele Spiele zu sehen.
Natürlich gibt es die. Einige Fans sind genervt von den politischen Statements, die mit dem Fußball verbunden werden. Sie sagen: Gib mir einfach nur den Sport. Aber das ist nur eine kleine Gruppe.

Und das Besondere an einer WM ist ja, dass sie normalerweise die ganze Nation ins Fußballfieber versetzt. Alle wollen das Sommermärchen erleben. Das war übrigens der Konstruktionsfehler bei dieser WM: Sie findet im Winter statt. Sie war von vornherein untauglich, Fußballfieber mit großen Fanmeilen und Public Viewing im Freien zu erzeugen.

Also reiht sich die WM ein in die Schlechte-Laune-Themen dieser Zeit?
Nein, schlechte Laune kommt nicht auf, aber Enttäuschung. Einige unserer Gesprächspartner sahen das verpatzte erste Spiel auch als symptomatisch an. Als Symbol für den Bedeutungsverlust Deutschlands in der Welt, nicht nur beim Fußball.

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Allerdings hat das 1:1 gegen Spanien und die gute Leistung der deutschen Mannschaft zumindest spielerisch Hoffnung gemacht.

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Es gibt also durchaus die Chance, dass die WM nochmal Zulauf findet. Das wiederum würde dann aber den moralischen Konflikt wieder verstärken.

Normalerweise untersuchen Sie das Konsumverhalten in Deutschland und aktuell den Umgang mit der Inflation. Hat sich hier die Stimmung etwas aufgehellt?
Der Tiefpunkt war Mitte Oktober. Seitdem hat sich die Stimmung tatsächlich etwas gehoben. Das hat auch mit der Ankündigung der Hilfen durch den Staat zu tun: Gaspreisbremse und Strompreisbremse. Gleichzeitig steht Weihnachten vor der Tür. Die damit verbundenen Rituale bieten für viele Menschen eine emotionale Entlastung. Das ist deutlich wichtiger als die WM.

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