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Fettleibigkeit besitzt eine ähnlich gesundheitsfördernde Wirkung wie Sport. Ein Fake, natürlich. Aber es gibt immer Leute, die das glauben.

© Stefan Sauer/picture alliance/dpa

Harald Martenstein: Misstraut den Studien!

Jeder Quatsch wird akzeptiert, wenn er der richtigen Sache dient, hat unser Autor festgestellt. Ein Experiment humorbegabter Wissenschaftler untermauert das.

Kürzlich berichtete die „Frankfurter Allgemeine“ über ein Trio von humorbegabten Wissenschaftlern, erklärten Liberalen, die sieben frei erfundene Studien in anerkannten Fachjournalen unterbringen konnten, vor allem feministischen. Einige der Thesen: Männer, die sich weigern, Analdildos zu benutzen, sind in der Regel homophob. Um Männer zu erziehen, sollten Frauen ähnliche Methoden verwenden wie bei der Dressur von Hunden. Um Ungerechtigkeit zu bekämpfen, sollen weiße Männer nur noch angekettet an Universitätsveranstaltungen teilnehmen dürfen. Ein weiterer Aufsatz erklärte, dass Fettleibigkeit eine ähnlich gesundheitsfördernde Wirkung besitzt wie Sport. Auch zum Dickwerden sei körperliche Anstrengung erforderlich – allein schon diese schwer bepackten Löffel, die man ständig zum Mund führen muss!

Das Meisterstück von James Linsday, Helen Pluckrose und Peter Boghossian bestand zweifellos darin, Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“ in der Zeitschrift „Journal of Women and Social Work“ unterzubringen. Sie änderten lediglich den Jargon. Überschrift: „Unser Kampf ist mein Kampf“. Trotz dieses Fingerzeigs ging der Aufsatz durch. Hitlers feministischer Text richtete sich mit der wütenden Inbrunst, für die dieser Autor berühmt ist, gegen liberale Strömungen der Frauenbewegung. Frauen, fordert Hitler, sollten ihren verdammten Individualismus dem Kampf für den Endsieg unterordnen. Ein zweiter, ebenfalls bei Adolf Hitler abgeschriebener Aufsatz widmete sich dem Antirassismus, die Autoren hatten das Wort „Juden“ durch „white people“ ersetzt und „Judentum“ durch „whiteness“.

Helen Pluckrose forscht eigentlich über das Mittelalter. In einem – ernsthaften – Text für die deutsche Zeitschrift „Novo“ hat sie die Sorge geäußert, dass wir uns wieder in Richtung Mittelalter bewegen. Die neue, identitäre Philosophie, die es in einer linken und einer rechten Variante gibt, sieht Menschen nicht mehr als Individuen, sondern nur noch als Teile eines Kollektivs. Aberglaube steht, unter neuem Namen, wieder hoch im Kurs. Vernunft und Wissenschaft wirken störend, weil sie partout unvoreingenommen sein wollen. Jeder Quatsch wird akzeptiert, wenn er der richtigen Sache dient, und Verfechter der Ideen der Aufklärung gelten plötzlich als Reaktionäre.

Für unseren Alltag können wir alle daraus lernen, misstrauisch zu sein, wenn irgendwo gemeldet wird, irgendeine Studie habe irgendwas bewiesen. Die – um es genderpolitisch korrekt zu sagen – Hauptkampflinie der Forschungsmethoden scheint zwischen Naturwissenschaftlern und Geisteswissenschaftlern zu verlaufen. Naturwissenschaftler finden sich offenbar, aus alter Gewohnheit, schwerer damit ab, dass Wissenschaft ideologischen Vorgaben zu gehorchen hat.

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