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Krieg in der Ukraine: Heftige Kämpfe im Donbass, Selenskyj lobt „Helden“ von Sjewjerodonezk – der Überblick
Im Osten der Ukraine widersetzen sich ukrainische Truppen weiter russischen Angriffen. Der ukrainische Präsident dankt Großbritannien. Die Lage im Überblick.
Stand:
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angesichts von mehr als 100 Tagen tapferem Kampf gegen die russische Invasion mit Nachdruck den Status als EU-Beitrittskandidat verlangt. „Ich meine, das wird nicht nur eine Entscheidung für die Ukraine, sondern für das gesamte europäische Projekt sein“, sagte das Staatsoberhaupt in seiner täglichen Videobotschaft am Montag. Das werde auch darüber entscheiden, ob die EU eine Zukunft habe oder nicht, meinte Selenskyj.
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Derweil gehen die Kämpfe in der Ukraine weiter.
Die Ereignisse im Überblick:
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner abendlichen Videoansprache, die ukrainischen Truppen in der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk würden ihre Positionen halten. „Unsere Helden geben ihre Stellungen in Sjewjerodonezk nicht auf. In der Stadt gehen die heftigen Straßenkämpfe weiter“, sagte er.
- „Am 103. Tag hält der ukrainische Donbass kräftig stand“, sagte Selenskyj im Hinblick auf die Situation im Osten des Landes. Es werde zudem alles dafür getan, dass die Front in den Gebieten Saporischschja und Mykolajiw standhalte. Schwere Kämpfe gebe es weiter um Sjewjerodonezk, Lyssytschansk, Slowjansk, Bachmut, Swjatohirsk, Awdijiwka, Kurachowe sowie in den Gebieten Luhansk und Donezk. Dabei müssen die Streitkräfte schwere Verluste hinnehmen.
- Das russische Militär und die von Moskau unterstützten Separatisten schließen die Einnahme der ukrainischen Stadt Swjatohirsk (Swjatogorsk) mit ihrem historischen Kloster nach eigenen Angaben nun ab. „Swjatogorsk ist praktisch befreit“, sagte der Anführer der Separatistenregion Donezk, Denis Puschilin, im russischen Staatsfernsehen. Dort liegt das zuletzt auch beschossene Erzkloster Mariä-Entschlafung, das zu den wichtigsten Heiligtümern der russischen Orthodoxie gehört. Eine Bestätigung von ukrainischer Seite, dass Swjatohirsk aufgegeben sei, gab es zunächst nicht. Allerdings hatte der ukrainische Generalstab am Montagmorgen über schwere Kämpfe im Donezker Gebiet um die Stadt berichtet. Die Ukraine fordert seit Wochen vom Westen die Lieferung schwerer Waffen, um die russischen Streitkräfte nicht nur aufzuhalten und zurückzudrängen, sondern auch, um besetzte Orte zu befreien.
- Der ukrainische Armeesprecher Olexander Motusjanyk berichtete von intensiven Kämpfen „praktisch entlang der gesamten Frontlinie in den Gebieten Luhansk und Donezk“. Die russische Luftwaffe habe 39 Einsätze für Luftschläge auch außerhalb der Ostukraine geflogen. Am bedrohlichsten sei die Situation jedoch im Gebiet Saporischschja, in dem die russische Armee die Gebietshauptstadt bedrohe, hieß es. Präsident Selenskyj hatte die Region am Sonntag besucht und sich auch unmittelbar an der Front aufgehalten.
- Selenskyj bedankt sich in seiner abendlichen Videoansprache bei Großbritannien. „Ich bin Premierminister Boris Johnson dankbar für sein umfassendes Verständnis für unsere Forderungen und seine Bereitschaft, der Ukraine genau die Waffen zu liefern, die sie so dringend braucht, um das Leben unseres Volkes zu schützen.“ Großbritannien hatte am Montag angekündigt, hochleistungsfähige Raketenwerfer mit einer Reichweite von bis zu 80 Kilometern an die Ukraine zu liefern.
- Selenskyj hat einen Sondergesandten nach Berlin geschickt, um Gespräche mit der Bundesregierung über eine EU-Beitrittsperspektive zu führen. Der Minister für regionale Entwicklung, Oleksij Tschernyschow, will am Dienstag und Mittwoch unter anderen Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) und mehrere Minister treffen. „Die Europäische Union sollte die Ukraine umarmen“, sagte Tschernyschow der dpa vorab. Er betonte aber auch, dass sein Land nicht bevorzugt behandelt werden wolle. „Wir erwarten keinen Beitritt durch die Hintertür und auch keine Überholspur für die Ukraine.“ Deutschland spiele als wirtschaftsstärkstes und bevölkerungsreichstes Land der EU eine „entscheidende Rolle“ in der Beitrittsfrage.
- Die EU-Kommission will noch im Juni entscheiden, wie es mit den EU-Ambitionen des von Russland angegriffenen Landes weitergeht. Die Bundesregierung hat sich zu dieser Frage noch nicht positioniert. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat aber klar gemacht, dass es keine Abkürzungen für die Ukraine auf dem Weg in die EU geben dürfe. Die Ukraine, die vor allem auch mit massiver Korruption zu tun hat, sieht ihren Kampf gegen Russland als ausreichende Qualifikation.
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Was am Dienstag wichtig wird:
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) traf am Montagnachmittag zu einem zweitägigen Besuch in der ukrainischen Hafenstadt Odessa ein. Sie reiste auf Einladung ihres ukrainischen Amtskollegen ans Schwarze Meer. „Wir wollen zeigen, dass wir da sind“, sagte die Grünen-Politikerin zum Auftakt der Reise, „wir wollen zeigen, wie die Kultur angegriffen wird“, meinte sie vor dem Haupttag der Reise am Dienstag. Humanitäre Hilfsangebote kämen in den Debatten noch zu selten vor.
Erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs besucht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag mit Litauen ein Nato-Land, das an Russland grenzt und sich durch die Atommacht besonders stark bedroht fühlt. In der Hauptstadt Vilnius wird er neben Nauseda die Regierungschefs aller drei baltischen Staaten treffen - neben Litauen gehören noch Lettland und Estland dazu. Anschließend besucht der Kanzler die Bundeswehrsoldaten, die in Litauen zur Sicherung der Nato-Ostflanke stationiert sind. (dpa, Reuters)
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