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Das Archivfoto zeigt einen Freiwilligendienstleistenden, der beim Roten Kreuz gezeigt bekommt, wie man einen Gehbehinderten richtig in einen Transporter schiebt.

© picture alliance / dpa/ANDREAS GEBERT

Exklusiv

„Herr Pistorius vergisst die zivilen Freiwilligendienste“: Caritas-Präsidentin kritisiert einseitige Wehrdienst-Pläne

Ein attraktiverer Wehrdienst greift nach Ansicht des Sozialverbands Caritas zu kurz. Seine Präsidentin fordert gleiches Geld und gleiche Werbung auch für das klassische Freiwilligenjahr oder im Zivilschutz.

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Die Pläne für einen neuen, attraktiveren Wehrdienst stoßen auf Widerstand bei sozialen Trägern, die dadurch ihre Angebote benachteiligt sehen. „Herr Pistorius vergisst die zivilen Freiwilligendienste“, sagte Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa dem Tagesspiegel mit Blick auf die vom Verteidigungsministerium geplante Solderhöhung : „Der Wehrdienst kann und darf nicht gegen die Freiwilligendienste attraktiv werden, sondern mit ihnen gemeinsam.“

Aus ihrer Sicht müssen junge Menschen die Wahl zwischen freiwilligen Dienst an der Waffe, freiwilligem Zivilschutz und einem klassischen Freiwilligenjahr haben: „Alle drei Dienste müssen als gleichwertig beworben und gleichberechtigt ausgestaltet werden.“

Besserstellung nach Corona gefährdet?

Sie erinnert daran, dass für Pflege- und andere soziale Berufe erst durch die Corona-Zeit eine höhere Anerkennung und bessere Bezahlung erreicht worden sei: „Es darf sich in der Debatte um neue freiwillige Gesellschaftsdienste die alte Hierarchisierung nicht wieder einschleichen – schon gar nicht als Hierarchisierung zwischen Männer- und Frauenarbeit.“ Jeder Dienst nach der Schulzeit, ob „mit der Waffe, im Zivilschutz oder im Altenheim“, sei daher „gleich zu honorieren“.

Eva-Maria Welskop-Deffaa ist seit November 2021, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes.

© Caritas

Der neue freiwillige Wehrdienst braucht nach Ansicht von Welskop-Deffaa daher „unverzüglich eine gute Flankierung in einem Freiwilligendienstestärkungsgesetz“, in dem ein „Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst für alle“ und die „Übernahme der Taschengeld- und Soldzahlungen durch die öffentliche Hand“ verankert werde.

„Nur so kann eine Krisenresilienz für unsere Gesellschaft erreicht werden, die der multiplen Krisensituation entspricht“, erklärt die Caritas-Chefin: „Nur so kann unsere freiheitliche Demokratie freiheitlich verteidigt werden.“

Bisher 100.000 im Freiwilligendienst

Ihren Angaben zufolge leisten heute rund 100.000 junge Menschen nach dem Schulabschluss einen Freiwilligendienst: „Diese Zahl ließe sich nach unseren Einschätzungen leicht verdoppeln und mit ihr die Zahl der Freiwilligen im Wehrdienst.“ Dies könne aber nur gelingen, so Welskop-Deffaa weiter, wenn „die Wehrpflicht als Auffanglösung nicht gebraucht wird, sondern das schwedische Modell eines Freiwilligen Gesellschaftsjahrs erfolgreich umgesetzt wird“.

Dafür müsse in den Schulen über das neue Modell informiert und bei den Trägern eine höhere Zahl von Plätzen für ein freiwilliges soziales Jahr geschaffen werden.

„Es sollen Freiwilligendienst-, nicht Ersatzdienstplätze sein“, fordert die Caritas-Präsidentin: „Denn es geht nicht um einen ,Ersatz‘ für den eigentlich zu leistenden Wehrdienst mit all der damit verbundenen Hierarchisierung, sondern um einen attraktiven Dienst, der pädagogisch begleitet und sinnvoll ausgestaltet ist.“

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