Politik: Hoffen auf Vernunft
Von Hermann Rudolph
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Eigentlich ist die Aufregung, die die Drohung des Sammlers Erich Marx ausgelöst hat, sich aus dem Hamburger Bahnhof zurückzuziehen, ein gutes Zeichen. Sie bezeugt ein breites Interesse an der Gegenwartskunst in Berlin, und selbst jene, denen Beuys’ spröde Material-Allegorien oder Anselm Kiefers dräuende Mythenlandschaften wenig sagen, befürchten einen Verlust an künstlerischem Potenzial der Stadt. Nicht ganz so schön ist der Stil, mit dem da ein wichtiges Thema auf die Bühne der Öffentlichkeit gewuchtet worden ist. Zwar spricht manches dafür, dass sich die Affäre am Ende als Sturm im Wasserglas erweist. Aber die Gefahr bleibt, dass Porzellan zerschlagen wird, von dem wir noch essen wollen.
Trifft der Eindruck denn zu, dass, wie die Debatte suggeriert, die Karawane der Gegenwartskunst an Berlin vorbeizieht? Zu den uneingeschränkt positiven Veränderungen seit der Wiedervereinigung der Stadt gehört doch ihre Anziehungskraft auf die junge Kunstszene. Die blühende Galerienlandschaft an August- und Linienstraße bezeugt das ebenso wie die Aktivitäten etwa der „Kunst-Werke“ oder der Fotogalerie c/o im alten Postfuhramt. Auch wenn es stimmt, dass ein repräsentativer Ort für die Präsentation der noch nicht repräsentativen Kunstproduktion fehlt. Doch die Bekräftigung des Wunsches nach einer Kunsthalle ist ohnedies der übereinstimmende Fluchtpunkt aller Streithähne in der leidigen Affaire.
Bestürzend bleibt allerdings, in welchem Maße in Berlin „abgestandene Fehden“ – so das treffend abgeschmeckte Urteil der früheren Kulturstaatsministerin Christina Weiss – die Kunstpolitik durchdringen. Gewiss ist der Umgang mit Kunst immer von Eigensinn und Empfindlichkeit gedüngt, erst recht auf dem heiklen Feld des Verhältnisses von privaten Sammlern und öffentlichen Museen. Aber ist es so schwer, die Leistungen beider Seiten auf der Habenseite zu verbuchen – die Großzügigkeit des Sammlers, seine wichtige Kollektion der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wie die Bereitschaft der öffentlichen Hand – in Gestalt der Stiftung Preußischer Kulturbesitz –, der privaten Sammlung das charaktervolle, von Josef-Paul Kleihues so glänzend erneuerte Haus zu überlassen?
Anders ging es nicht in dieser Stadt, sehr viel anders wird es auch – wenn nicht Manna vom Himmel regnet – künftig nicht gehen. Der Rest ist vernünftiger Umgang miteinander, Verminderung der Missverständnisse, Akzeptanz der unverzichtbaren Grundprinzipien im Verhältnis von privaten Sammlern und staatlichen Museen. Gegenwartskunst und Museum stehen in einem Spannungsverhältnis, das ja auch produktiv gewendet werden kann. Aber am Ende können nur die von der öffentlichen Hand bestellten Museumsleute das letzte Wort haben. Man kann ihnen ruhig zugestehen, dass sie sich ihr Geschäft schwer genug machen.
Das Kulissenbeben um den Hamburger Bahnhof wäre freilich weniger heftig ausgefallen, wenn nicht wichtige Entscheidungen für die Berliner Kulturlandschaft heranzögen. Es ist kein Zufall, dass es die Invektive gegen Klaus-Peter Schuster, den Museums-Generaldirektor, war, die – einschließlich der Nachfolge-Empfehlung – die Attacke so impertinent aufgeladen hat. Das anstehende Ausscheiden von Klaus-Dieter Lehmann, dem Präsidenten der Preußenstiftung, und ihm sind kulturpolitische Daten höchsten Ranges. Der aufgeflammte Streit um das Gewicht der Gegenwartskunst in diesem größten Museumskomplex der Republik markiert daher auch eine nicht unwichtige Problemzone. Aber der Blick beispielsweise auf die Auseinandersetzungen um David Chipperfelds Bauideen für die Museumsinsel, dazu die Aufgaben, die auf die Stiftung mit dem Gedanken des Humboldtforums zukommen – von den laufenden Problemen dieses Museums-Tankers ganz zu schweigen –, machen auch deutlich, dass diese Frage vielleicht doch nicht so welterschütternd ist, wie sie in den letzten Tagen erschien.
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