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Eine Frau bemalt einen Mann mit Bart mit Lippenstift

© Reuters

Arabische Welt: Homosexuelle müssen sich verstecken

Die arabische Welt tut sich schwer damit, Schwule und Lesben als gleichberechtigt anzuerkennen. In vielen Ländern müssen Homosexuelle mit drakonischen Strafen rechnen.

Homosexualität ist in der arabischen Welt ein großes Tabu. Schwule sind verfemt, die gesetzlichen Strafen reichen von Peitschenhieben bis zu lebenslänglicher Haft – im Extremfall auch zur Todesstrafe. Und so leben homosexuelle Männer in ständiger Angst, lesbische Frauen halten sich strikt im Verborgenen. Im Irak folterten schiitische Milizen vor einigen Jahren in einer bisher beispiellosen Welle von Gewalt mehr als 700 Schwule zu Tode – angestachelt durch Fatwas ihrer Ajatollahs. Das mörderische Treiben dieser moralischen Todesschwadronen prangerte „Human Rights Watch“ später im Bericht „Sie wollen uns ausrotten“ an. Auslöser der Morde, Vergewaltigungen und Entführungen war das Video einer Party in Bagdad, bei der Männer miteinander tanzten. Tausendfach wurde es per Handy und im Internet verbreitet. Islamistische Prediger hetzten daraufhin gegen die sich ausbreitende Gefahr eines „dritten Geschlechts“, das  amerikanische Soldaten eingeschleppt hätten.

In Ägyptens Hauptstadt Kairo dagegen existiert seit langem eine etablierte homosexuelle Szene, deren Mitglieder sich dennoch vorsichtig und konspirativ verhalten. „Man kann über Homosexualität nur hinter vorgehaltener Hand reden“, sagt einer. „Vielleicht wird sich das in Zukunft einmal bessern, die meisten Ägypter lehnen Schwule nach wie vor ab.“ Und so gibt es am Nil wie auch in anderen arabischen Ländern durchaus Politiker, Schauspieler, Schriftsteller oder bildende Künstler, deren Homosexualität ein offenes Geheimnis ist. Doch „outen“ können sie sich nicht, ohne Belästigung und Strafverfolgung zu provozieren. Viele sind offiziell verheiratet und haben Kinder, um nicht sozial stigmatisiert zu werden. Einzig im Libanon bekennen sich eine Handvoll Schwule und Lesben öffentlich zu ihrer sexuellen Orientierung, obwohl auch in dem weltoffenen Mittelmeerstaat gleichgeschlechtliche Liebe mit einem Jahr Haft bedroht wird. Mit „Helem“ existiert in Beirut die bisher einzige Initiative von Lesben und Schwulen in der arabischen Welt. Sie will aufklären und Vorurteile brechen, um Homosexualität „gesellschaftlich sichtbarer zu machen“.

Nach den Gründen für ihre Abneigung gegenüber Homosexuellen gefragt, nennen Araber meist religiöse Überzeugungen und sprechen von „anormalem Verhalten“, das Schande über die Menschheit bringt und die eigene Kultur verunreinigt. An dieser verbreiteten Einstellung haben auch die Umwälzungen des Arabischen Frühlings nichts geändert. „Unser Kampf geht weiter – er wird eher schwieriger“, beklagt der tunesische Aktivist Hassen Hanini, der für die Rechte Homosexueller und eine bessere Aids-Aufklärung eintritt. Nach seiner Meinung haben Tunesiens Schwule auch in der post-diktatorischen Gesellschaft bisher keinen Platz gefunden. Das Gleiche gilt für Ägypten, urteilt Heba Morayef, Vertreterin von „Human Rights Watch“ in Kairo. „In diesem Thema gibt es seit der Revolution keine Bewegung. Und es sieht nicht so aus, dass sich das in absehbarer Zeit zum Besseren ändert.“ Denn Muslimbruderschaft und Salafisten mit ihrem konservativen Moralkodex haben immer stärker das Sagen. Der populäre ägyptische Fernsehprediger Yussuf al Qaradawi aus Katar, der ideologische Mentor der Muslimbruderschaft, verteufelt Schwule offen als Perverse. In den Vereinigten Arabischen Emiraten organisierte kürzlich sogar die Polizei Kampagnen gegen Homosexualität unter dem Motto „Lasst uns die traditionellen Werte unserer Gesellschaft schützen“.

„Du solltest hässliche Dinge über diese Leute schreiben und dafür sorgen, dass man sie mit Schuhen verprügelt“, schimpfte seine Mutter, als Mostafa Fathi ihr 2009 gestand, dass er an einem Buch über Homosexualität schreibt. „Die Welt der jungen Männer“ heißt der Titel des Romans, der als erstes literarisches Werk in Ägypten einen jungen Schwulen als positive Figur in den Mittelpunkt stellt. Alle großen Verlage lehnten das Manuskript ab, bis sich die junge Verlegerin Amani al Tunsi, die ein Internet-Radio speziell für weibliche Teenager betreibt, der Sache annahm. Unermüdlich klapperte sie mit ihrem Auto die Buchhändler von Kairo ab – mit Erfolg. Nach wenigen Monaten waren alle 5000 Exemplare ausverkauft.

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