Politik: Hongkong hat die Wahl
Erstmals seit der Rückkehr der Stadt zu China gibt es einen demokratischen Gegenkandidaten
Stand:
Am Sonntag wählt ein 800-köpfiges Wahlgremium einen neuen Regierungschef für Hongkong. Erstmals seit der Rückkehr der Stadt zu China gibt es einen demokratischen Gegenkandidaten: Alan Leong. Der Anwalt und Chef einer kleinen Oppositionspartei hat zwar keine Chance, die von Peking kontrollierte Abstimmung zu gewinnen. Trotzdem sieht sich der 49-Jährige schon jetzt als Sieger im Kampf für mehr Demokratie in der ehemaligen britischen Kronkolonie.
„Hongkong hat schon gewonnen, egal wie das Ergebnis der Wahl aussehen wird“, sagt Leong. Wochenlang ist er durch Hongkongs Hochhaussiedlungen gezogen, um Wahlkampf zu machen. Er trat im Radio auf, diskutierte mit Bürgern und veröffentlichte ein politisches Programm. Und das alles, obwohl Leong nie den Hauch einer Chance hatte zu gewinnen. Die Wiederwahl des von Peking unterstützten Amtsinhabers Donald Tsang ist längst beschlossene Sache.
Seit 1997 wird Hongkongs Regierungschef von einem Gremium aus 800 Wahlmännern bestimmt, das fest in den Händen Pekings ist. Bei den ersten beiden Wahlen gab es keine Gegenkandidaten. Umso überraschender war es, als der bislang kaum bekannte Leong im Februar die erforderliche Unterstützung von 100 Wahlmännern bekam, um als Kandidat anzutreten. Leong erhielt 132 Nominierungen, vor allem von Ständevertretern wie Anwälten, Lehrern und Sozialarbeitern. Viel mehr Stimmen wird Leong auch am Sonntag nicht bekommen. Tsang weiß mehr als 640 Wahlmänner hinter sich. Doch allein durch sein Antreten zwang Leong den Amtsinhaber dazu, so etwas wie einen Wahlkampf zu führen.
Zum ersten Mal in der Geschichte Hongkongs gab es eine Fernsehdebatte zwischen zwei Kandidaten für ein politisches Amt, die Leong klar gewann. Tsang, der als fähiger Administrator und integrer Politiker durchaus Ansehen genießt, sah sich gezwungen, ein politisches Programm zu veröffentlichen und an Bürgerdiskussionen teilzunehmen. „Ich trete für die Menschen an, die keine Macht haben, kein Geld und keine Stimme“, sagt Leong. Mit seiner Kampagne wolle er zeigen, dass Hongkong bereit für Demokratie sei.
In der „Basic Law“, Hongkongs Miniverfassung, hatten Großbritannien und China als ultimatives Ziel freie Wahlen festgeschrieben. Viele Hongkonger hatten darauf gehofft, dass sie bereits in diesem Jahr ihre Stimme für den Regierungschef abgeben könnten. Doch Pekings Kommunisten lehnen das ab. Sie wollen die Kontrolle über die Wirtschaftsmetropole und ihre knapp sieben Millionen Bewohner nicht aufgeben und verschoben die Demokratisierungspläne immer weiter in die Zukunft. In Peking ist man über Leongs Auftritt als Gegenkandidat und den Ruf nach mehr Demokratie nicht erfreut. „Manche Dinge dürfen nicht herausgefordert werden“, mahnte Wu Bangguo, der Vorsitzende des Volkskongresses, Chinas Scheinparlament. Die Entscheidung über das politische System liege allein bei Peking.
Doch auch die Hongkonger Regierung spürt den wachsenden Druck der Menschen, die Mitbestimmung fordern. Tsang erklärte im Wahlkampf, dass er die Demokratiefrage angehen werde: „Ich verspreche, dass ich das Problem der direkten Wahlen in den nächsten fünf Jahren lösen werde.“ Er könne jedoch nichts gegen den Willen der Zentralregierung unternehmen. Das wissen auch die Demokraten. Kandidat Leong vermied im Wahlkampf deshalb jede Kritik an Peking: „Unsere Zukunft und die des Vaterlandes sind miteinander verbunden“, erklärte er.
Harald Maass[Peking]
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: