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Michael Manning

© privat

China-Blogger Manning: "Ich benutze Umwege"

Er bloggt "aus einem sicheren Kontrollraum, der unter dem Sand der Taklamakan-Wüste verborgen ist, nicht weit entfernt von der reichen 'Oilopolis' Korla." Michael Mannings Eigenbeschreibung klingt recht abenteuerlich. Der US-Amerikaner führt das Weblog "The Opposite End of China". Manning berichtet darin aus der chinesischen Region Xinjiang, die mehrheitlich von Uiguren bewohnt wird - dort gibt es immer wieder Anschläge auf chinesische Polizeiwachen. Ein Gespräch über das Leben in China, Internet-Zensur - und wie man sie umgeht.

Wann haben Sie begonnen, aus China zu bloggen?

Ich bin Anfang 2005 dorthin gezogen, ursprünglich für einen Ein-Jahres-Lehrerjob. Nach einigen Jahren in New York City stand mir der Sinn nach einem exotischen Ort, deshalb wählte ich die Stadt Korla in Xinjiang. Damals hatte ich überhaupt kein Interesse daran, in einer großen Stadt wie Peking oder Shanghai zu leben. Mit dem Bloggen habe ich kurz vor meiner Abreise begonnen - hauptsächlich um Freunde und Familie auf dem Laufenden zu halten.
Wenn Du Dir die Blog-Einträge des ersten Jahres anschaust, siehst Du, dass die meisten sich um Orte drehen, die ich besucht habe, und meine Beobachtungen des "fremden" Lebens in China. Erst als ich 2006 wieder nach China kam, um für das Fodor's-Reisehandbuch zu recherchieren, habe ich mich auf Nachrichten von außerhalb Xinjiangs konzentriert.

Gibt es Ihrer Meinung nach uigurische Terroristengruppen?

Ich bin sicher, dass es Uiguren gibt, die terroristische Ziele verfolgen. Ob sie aber groß genug sind, um als Gruppe bezeichnet zu werden, lässt sich nur schwer sagen. Privat äußern Uiguren ihr Missfallen gegenüber der Mehrheit der Han-Chinesen. Sie sind aber vor allem damit beschäftigt, die Dinge auf die Reihe und Essen auf den Tisch zu kriegen. Im Vergleich zu Afghanen oder Pakistanern sind die Uiguren beim Thema Islam entspannter. Trinken und rauchen sind bei Männern normale Verhaltensweisen. Normalerweise tragen nur alte Männer lange Bärte.

Haben Sie Schwierigkeiten mit der Internet-Nutzung in China?

Ich hatte immer Probleme mit dem Internet-Zugang in China. Seiten wie Wikipedia oder BBC News wurden jahrelang blockiert, sind aber seit kurzem wieder abrufbar. Wordpress und Blogspot sind populäre Seiten für Blogger - sie werden ständig blockiert und wieder freigeschaltet. Auch meine Seite wird temporär blockiert, wenn ich bestimmte unerwünschte Keywords verwende. Aber ich habe gelernt, mit den Einschränkungen zu leben, indem ich Proxies und andere Umwege benutze.

Zum Beispiel?

Unerwünschte Keywords können etwa "Tibet" oder "Tiananmen" sein, wenn sie gerade häufig in den Nachrichten vorkommen. Es können auch Wörter sein, die mit bestimmten Ereignissen zusammenhängen wie "Kashgar" oder "Wenzhou". Man umgeht die Blockade dieser Wörter ziemlich leicht, indem man einzelne Buchstaben durch Zahlen oder Symbole ersetzt, wie beispielsweise "T1bet" oder "K@shgar". Das Schwierigste ist herauszufinden, welches Wort zur Blockade der Seite führt. Das kann frustrierend sein. Aktives Blockieren von Seiten durch Zensoren ist sehr viel rarer in China als das automatische Filtern mittels Keywords. Ist man die Wörter einmal los, ist meistens alles gut.

Wie kommen chinesische Blogger mit der Zensur klar?

So gut wie jeder chinesische Blogger, den ich kenne, wurde schon mindesten einmal zensiert. Fast alle von von ihnen nutzen Virtual Private Networks, um die Firewall zu umgehen. Die "Lösung des armen Mannes" war Anonymouse, aber die wurde jetzt endgültig in China geblockt.

Ihre Lieblings-Blogs aus China?

Wenn man folgende Sites besucht, kann man sich über so gut wie alles auf dem Laufenden halten, was in China passiert: EastSouthWestNorth, Danwei und Shanghaiist, das ist die China-Seite des "Gothamist". ESWN ist eine tolle Quelle ... der Betreiber verbringt wohl jede freie Minute damit, Blogs zu durchforsten und zu übersetzen. So findet er alles (wirklich alles!), was Leute interessiert, die sich über China informieren wollen.
Natürlich mag ich meine eigene Seite auch sehr gern. Besonders die Kommentar-Trolle, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe.

Glauben Sie, dass ausländische Blogger in China eine Art "politischer Immunität" besitzen?

Ich blogge jetzt seit vier Jahren aus China über ein sensibles Thema - die Region Xinjiang - und habe nie auch nur das kleinste Problem gehabt. Ich bin mir sicher, dass die chinesischen Behörden meine Webseite inzwischen kennen. Also ja: Ich glaube, wir ausländischen Blogger sind viel weniger unterdrückt und zensiert als unsere chinesischen Freunde. Wahrscheinlich weil wir in Englisch schreiben. Das erschwert die Verbreitung unserer subversiven Ideen in der breiten chinesischen Bevölkerung.

Zur Person
Der US-Amerikaner Michael Manning lebt und arbeitet seit mehreren Jahren in China. Zunächst unterrichtete er Englisch in der kleinen Stadt Korla, dem Hauptsitz von Petro China im südlichen Xinjiang. Anschließend erkundete er als Reisebuch-Autor ganz Westchina inklusive Tibet. Zuletzt gründete er in Korla gemeinsam mit einem Freund ein Unternehmen für getrocknete Tomaten.

Provinz Xinjiang
Fläche: 1.660.000 km² (Deutschland: 357.114 km²)
Status: Autonomes Gebiet (China)
Hauptstadt: Ürümqi (2 Mio. Einw.)
Bevölkerung: knapp 20 Mio.
Muslimische Uiguren: 8 Mio.
Nachbarstaaten: Indien, Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Kasachstan, Russland, Mongolei.
Bodenschätze: Erdöl und Gas (besonders in der Taklamakan-Wüste), Kohle.
Landwirtschaft: Wichtigste Produkte sind Trauben, Tomaten, Zucker.

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