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Politik: „Ich sollte der Nächste sein“

Palermos Ex-Bürgermeister Orlando über seinen Kampf gegen die Mafia

„Früher hat Sizilien die Mafia exportiert. Heute exportiert Sizilien die Therapien gegen mafiöse Strukturen.“ Der das sagt, muss es wissen. Zwar kann Leoluca Orlando bis heute in seiner Heimat keinen Schritt nach draußen tun ohne strengste Bewachung. Aber während seiner acht Jahre als Oberbürgermeister von Palermo hat er die Stadt in Italien zum Symbol für den Kampf gegen die Mafia gemacht. Auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion war er in Berlin, um seine bislang nur in Deutsch und Englisch erschienenen Erinnerungen „Ich sollte der Nächste sein. Zivilcourage – die Chance gegen Korruption und Terror“ vorzustellen.

Nach Ansicht von Orlando, der in Heidelberg Jura studierte und deutsch spricht, ist der Kampf gegen Mafia und Korruption nicht nur eine Aufgabe für Polizei und Staatsanwälte. Er sei eine kulturelle Aufgabe, die nur bewältigt werden könne, wenn die ganze Bevölkerung mitmacht. Denn die Mafia korrumpiere positive kulturelle Werte wie Ehre, Familie und Freundschaft, indem sie im Namen dieser Werte töte. „Der islamische Terrorismus ist für die islamische Kultur, wie die sizilianische Mafia für die sizilianische Kultur."

Das Verbrechen bemächtige sich der Werte einer Kultur, raube sie den Menschen und verkehre sie ins Gegenteil, so Orlando. Sein Rezept war, die Bürger zu ermutigen, sich ihre Werte und ihre Kultur zurückzuerkämpfen. Er erzählt, wie nach den Mafia-Morden an den Staatsanwälten Giovanni Falcone und Paolo Borsellino sein Name als Nächster auf der Todesliste auftauchte. Hunderte von Müttern aus Palermo gingen daraufhin zum Polizeichef und überbrachten ihm eine Liste mit den Namen ihrer Kinder. Die Mädchen und Jungen, sagten sie, sollten abwechselnd im Dienstwagen von Orlando mitfahren. Wie man heute weiß, entschieden die Mafia-Bosse die geplante Mordaktion abzublasen. „Aus Angst vor den Frauen und Kindern in Palermo. Ohne die Zivilcourage der Bürger wäre der Kampf gegen die Mafia nicht möglich geworden“, erläutert Orlando, der sich und seine Familie zwischenzeitlich sogar für einige Wochen in der georgischen Hauptstadt Tiflis verstecken musste.

In seinen Augen ist die Mafia noch längst nicht besiegt. Sie hat ihr Aussehen geändert, agiert international und macht sich die Freizügigkeit in Europa zu Nutze. „Wir brauchen heute eine internationale Kooperation im Kampf gegen Korruption“, fordert er. „Palermos Mafia lag an der Peripherie Europas, die neue Mafia agiert im Herzen Europas. “

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