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Plakat zum G20-Gipfel am Flughafen von Denpasar

© dpa / Carola Frentzen

G20-Gipfel im Schatten des Krieges: Friedensstifter, Vermittler? Welche Rolle Gastgeberland Indonesien einnehmen will

Was will der bevölkerungsreiche Inselstaat mit dem Gipfel erreichen? Ein Gespräch mit Asien-Fachmann Felix Heiduk von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Von Hans Monath

Was erhofft sich Indonesien von seiner Gastgeberrolle für den G20-Gipfel?
Die indonesische Führung handelt aus unterschiedlichen Motiven heraus. Innenpolitisch will sie will sich im Rahmen des G20-Gipfel im eigenen Land unter anderem als Friedensstifter und fähiger Vermittler profilieren. Vor allem die Betonung der Neutralität Indonesiens durch die Regierung von Joko Widodo, kurz Jokowi, und das Angebot, als Vermittler zu agieren, findet in Umfragen extrem hohe Zustimmungswerte.

Außenpolitisch ist aus Sicht Jakartas schon die erfolgreiche Abhaltung des G20-Gipfels angesichts der derzeitigen angespannten Lage ein Erfolg. Präsident Widodo hat damit ein wichtiges Ziel erreicht: Indonesiens Rolle in der internationalen Politik zu stärken, ohne die eigene Neutralität aufzugeben.

Welche Rolle wird der Krieg Russlands gegen die Ukraine spielen?
Die indonesische Regierung hat bereits erklärt, das Treffen nicht zu einem „Ukraine-Konflikt-Gipfel“ machen zu wollen; man gedenke, an der ursprünglichen Agenda festzuhalten. Diese steht unter dem Motto „Recover Together, Recover Stronger“ (etwa: gemeinsam wieder stark und noch stärker werden) und soll sich primär dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiederaufbau nach der Covid-19-Pandemie widmen.

Mit Blick auf die hierbei genannten Hauptthemen „Globale Gesundheitsarchitektur“, „Digitale Transformation“ und „Nachhaltige Energie-Transition“ versucht Indonesien vor allem von den G7-Staaten und China Zusagen für Investitionen, Finanzhilfen und Technologietransfer zu erhalten

Haben die indonesische Regierung und Präsident Joko Widodo genug Autorität und Expertise, um den Gipfel zu prägen?
Die Jokowi-Regierung hatte in jedem Fall ausreichende diplomatische Expertise um ein Scheitern des G20-Meetings durch ein Fernbleiben der G7-Staaten im Vorfeld durch eine Reihe von diplomatischen Initiativen erfolgreich abzuwenden.

Was genau auf dem Gipfel passieren wird und inwiefern dessen Ergebnisse allein durch die indonesische Diplomatie steuerbar sind, kann ich leider nicht abschließend einschätzen. Dies wird wohl nur retrospektiv rekonstruierbar sein.

Der russische Angriffskrieg verschärft Engpässe und Preissteigerungen bei Lebensmitteln, das setzt Indonesien schwer zu.

Felix Heiduk, Asien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik

Wie trifft der Krieg Russlands gegen die Ukraine wirtschaftlich?
In den vergangenen Jahren haben sowohl klima- als auch pandemiebedingte Ernteausfälle und Lieferkettenprobleme weltweit für Engpässe und Preissteigerungen bei Lebensmitteln gesorgt, auch Indonesien wurde davon schwer getroffen. Der russische Angriffskrieg und die steigende Inflation haben diesen Trend nun exponentiell verschärft, was Indonesien, das als weltgrößter Getreideimporteur etwa 25 Prozent seines Bedarfs mit Importen aus der Ukraine deckt, schwer zusetzt.

Zusätzlich belastet der starke Anstieg der Energiepreise auf dem Weltmarkt den wegen der Gesundheitskrise ohnehin schon gebeutelten Staatshaushalt, denn Benzin und Diesel werden in Indonesien stark subventioniert.

Indonesiens Präsident Joko Widodo auf dem Gipfel der südostasiatischen Staaten (Asean) in Kambodscha.
Indonesiens Präsident Joko Widodo auf dem Gipfel der südostasiatischen Staaten (Asean) in Kambodscha.

© Foto: Reuters/Cindy Liu

Sie sagten bereits, Indonesien wolle sich in seiner Präsidentschaft konzentrieren auf die Bewältigung der Covid-Folgen (Global Health Architecture), den Übergang zu nachhaltigen Energien und die digitale Transformation. Sind das die Themen, die auch die anderen G20-Staaten umtreiben?
Indonesien sieht seine Rolle in der G20 immer auch als Anwalt der Entwicklungs- und Schwellenländer, die sowohl von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie als auch von den Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine auf die Lebenshaltungskosten besonders hart getroffen worden sind. Und für eben diese Staaten sind dies wichtige Themen. Fast noch wichtiger sind allerdings Energie- und Ernährungssicherheit.

Bisher hat sich Indonesien nicht klar positioniert gegen den Krieg Russlands gegen die Ukraine, aber es setzte sich dafür ein, dass der ukrainische Präsident Selenskyj vor den Asean-Staaten, dem Zusammenschluss südostasiatischen Staaten, sprechen sollte. Erwarten Sie, dass sich das Land noch stärker gegen den Krieg positioniert?
Die Jokowi-Regierung wie auch der Ausrichter des ASEAN-Gipfels, Kambodscha, waren meiner Kenntnis nach nicht erfolgreich mit ihrem Ansinnen, dass Präsident Selenskyj auf dem Asean-Gipfel eine Rede halten kann. Dieses Ansinnen scheiterte nach Presseberichten am Widerstand der eng mit Russland verbundenen Militärjunta Myanmars.

Aber Jokowi reiste im Sommer sowohl nach Kiew als auch nach Moskau, um angesichts der humanitären Notlage in der Ukraine und der sich anbahnenden globalen Ernährungskrise für ein Ende des Krieges zu werben und Indonesien als möglichen Vermittler zwischen beiden Parteien ins Gespräch zu bringen. Ziel des indonesischen Staatspräsidenten war es, einen Dialog zwischen den Kriegsparteien herzustellen und Grundlagen für einen baldigen Waffenstillstand zu schaffen.

Beteiligt sich Indonesien an Sanktionen gegen Russland?
Tatsächlich hatte sich Indonesien bereits im März den beiden Resolutionen der UN-Generalversammlung angeschlossen, in denen eine Mehrheit der Staaten den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt, den sofortigen Abzug der Invasionstruppen gefordert und die humanitäre Lage als dramatisch deklariert hatte.

Bei der folgenden Abstimmung zum Ausschluss Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat enthielt sich Jakarta jedoch mit der Begründung, keine negativen Präzedenzfälle schaffen zu wollen, die der Glaubwürdigkeit der Generalversammlung schaden könnten.

Stattdessen unterstütze man den Vorschlag des UN-Generalsekretärs, eine unabhängige Untersuchungskommission einzusetzen. Allerdings widersetzte sich Jokowi jedoch bislang allem westlichen Drängen, Wladimir Putin vom G20-Gipfel im November 2022 auf Bali auszuladen. Desgleichen schloss man sich nicht den westlichen Sanktionen gegen Russland an.

Zur Überraschung vieler lud Jokowi im April aber auch den ukrainischen Präsidenten Selenskyj zu dem Treffen ein. Aus seiner Sicht agiert er damit im Einklang mit Indonesiens Tradition der Neutralität und Blockfreiheit und der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht zum Einsatz für den Frieden.

Die Regierung Jokowi dürfte sich daher zwar weiterhin klar gegen den Krieg aussprechen, wird jedoch ob der eben erwähnten innen- und außenpolitischen Faktoren Sanktionen gegen Russland auch in Zukunft nicht mittragen.

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