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Selahattin Demirtas im Juni 2016

© Ozan Kose/AFP

Wahlen in der Türkei: Inhaftierter pro-kurdischer Politiker tritt gegen Erdogan an

Die HDP stellt ihren früheren Vorsitzenden Selahattin Demirtas zur Wahl gegen Erdogan. Dabei sitzt Demirtas seit eineinhalb Jahren im Gefängnis.

Vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 24. Juni bringt sich die türkische Opposition in Stellung: Die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) schickt ihren früheren Vorsitzenden Selahattin Demirtas gegen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan ins Rennen, obwohl Demirtas seit eineinhalb Jahren in Haft sitzt. Wie die Partei am Mittwoch verkündete, wird sie am Freitag den Startschuss für ihren Wahlkampf in Istanbul und der kurdischen Stadt Diyarbakir geben. Vier andere Oppositionsparteien wollen laut Medienberichten zudem ein Bündnis für die Parlamentswahl schließen.

"Wir kommen zusammen, um unsere Freude über die Präsidentschaftskandidatur von Selahattin Demirtas zu teilen. Wir können bereits eine leuchtende Zukunft sehen", erklärten die beiden HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und Sezai Temelli und riefen alle ihre Anhänger auf, zu den Kundgebungen am Freitag zu kommen.

Demirtas drohen bis zu 142 Jahre Haft

Es war zunächst unklar, ob Demirtas aus der Haft würde tatsächlich kandidieren können. Der 45-Jährige hatte im Februar den Parteivorsitz abgegeben und dabei erklärt, für die Dauer der Haft seine politische Karriere ruhen zu lassen. Gegen Demirtas laufen mehrere Prozesse wegen Terrorvorwürfen. Ihm drohen bis zu 142 Jahre Haft.

Der charismatische Politiker hatte bei der Präsidentenwahl im August 2014 einen Achtungserfolg gegen Erdogan errungen und die HDP bei der Parlamentswahl im Juni 2015 erstmals ins Parlament geführt. Dies hatte Erdogans AKP die Mehrheit gekostet und Demirtas die Feindschaft des Präsidenten eingebracht.

Tausende Funktionäre sitze im Gefängnis

Erdogan wirft der HDP vor, der politische Arm der kurdischen PKK-Guerilla zu sein, er ließ im November 2016 den HDP-Vorsitzenden Demirtas und andere Abgeordnete festnehmen. Heute ist die Partei durch die Festnahme tausender Funktionäre und Mitglieder geschwächt und auch innerhalb der Opposition isoliert.

Nach der Verkündung vorgezogener Parlaments- und Präsidentschaftswahlen für den 24. Juni scheuten die anderen Oppositionsparteien eine Zusammenarbeit mit der HDP. Laut Medienberichten wollen nun vier Parteien ein Wahlbündnis für die Parlamentswahl bilden, doch wurde die HDP nicht in die Gespräche eingebunden. Die Allianz betrifft demnach auch nur die Parlamentswahl, nicht aber die gleichzeitig organisierte Präsidentschaftswahl. Trotz intensiver Gespräche vergangene Woche war es der Opposition nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu einigen.

Die Regierung spricht von "Zwangsheirat"

Bei den vier Parteien handelt es sich laut dem Nachrichtensender NTV um die linksnationalistische CHP, die rechtsnationalistischen IYI-Partei, die proislamischen Saadet-Partei und die konservativen Demokratischen Partei. Aus CHP-Kreisen hieß es, die Gespräche dauerten an, doch solle die Allianz am Donnerstag offiziell besiegelt werden.

Regierungssprecher Bekir Bozdag verglich das Bündnis der Parteien mit einer "Zwangsheirat" und kritisierte, "nicht die Interessen oder die Zukunft der Türkei motivieren oder vereinen sie, sondern allein ihre Opposition zu Präsident Recep Tayyip Erdogan".

Die islamisch-konservative AKP Erdogans ist bereits ein Wahlbündnis mit der ultrarechten MHP eingegangen, deren Vorsitzender Devlet Bahceli lange ein scharfer Kritiker Erdogans war, bevor er nach dem Putschversuch von Juli 2016 eine informelle Koalition mit ihm einging. Gemeinsam änderten sie im März das Wahlgesetz, um ein Wahlbündnis möglich zu machen.

Die Zehn-Prozent-Hürde gilt für ein Bündnis als Ganzes

Gemäß dem neuen Gesetz gilt die Zehn-Prozent-Hürde nicht für Mitglieder eines Wahlbündnisses, sondern nur für das Bündnis als Ganzes. Dies ermöglicht es kleinen Parteien wie der MHP die Sperrklausel zu überwinden. Das AKP-MHP-Bündnis soll Erdogan zudem eine Mehrheit in der ersten Runde der Präsidentenwahl sichern. (AFP)

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