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© dpa-Zentralbild

CDU-Klausur: Inhaltsarm schlägt katholisch

Die CDU schließt wieder Frieden mit der Vorsitzenden Merkel – und behauptet jetzt, der Wahlkampf 2009 sei richtig gewesen.

Berlin - Sie sind ein bisschen nach vorne gerückt, die konservativen Stammwähler der CDU. Am Freitag hat der CDU-Vorstand eine zehnseitige „Berliner Erklärung“ verabschiedet, einstimmig und ohne Enthaltung. Im Entwurf tauchte die Kernklientel etwas später auf, in der Endfassung stehen sie jetzt auf Seite 3: „Viele, gerade unsere treuen und langjährigen Wählerinnen und Wähler erwarten von uns, dass wir uns in der Tagespolitik erkennbar von unseren Grundsätzen leiten lassen, ihre Zustimmung nicht als selbstverständlich voraussetzen, sondern um diese Zustimmung werben.“ Besonders das Letztere ist in der CDU ein recht neuer Tonfall. Wie überhaupt bei dieser Vorstandsklausur ein Ton herrscht, der die CDU-Oberen selbst ein bisschen überrascht.

Selbst notorische Meckerer loben die zweitägige Diskussion über Kurs und Richtung der Partei als ungewöhnlich ernsthaft und ertragreich – selbst dann, wenn gerade keine Kamera auf sie gerichtet ist. Das ist umso erstaunlicher, als ein Vorgang wie der Brandbrief der vier Landespolitiker, die sich im Vorfeld über eine Vernachlässigung konservativer Kernanliegen beschwert hatten, normalerweise zu störrischem Schweigen der Attackierten und bissigen Randbemerkungen heimlicher Sympathisanten führt. Doch selbst die Vorsitzende Angela Merkel nennt diesmal „jeden Debattenbeitrag hochwillkommen“ und behauptet gar von sich: „Wahrscheinlich bin ich überhaupt ziemlich konservativ.“

Derlei entspannter Umgang mit Kritik erklärt sich zu einem gewissen Teil dadurch, dass sich mancher der Kritiker selbst desavouiert hat. Dass der Vorsitzende der neu gegründeten Gruppe „engagierter Katholiken“, Martin Lohmann, Merkel gewarnt hat, sie sei CDU- und nicht „Staatsratsvorsitzende“, hat in der Vorstandsrunde für kopfschüttelnde Solidarisierung mit der Chefin gesorgt. Zudem hat Merkel für ihren grundsätzlichen Kurs der CDU als, wie sie selber sagt, „hereinholende Volkspartei“ allseits Zuspruch bekommen. Von dem Wahlforscher Matthias Jung war das zu erwarten. Jung hat Merkel und ihrem Team am Donnerstagabend bescheinigt, dass ihr einschläfernd inhaltsarmer Wahlkampf richtig gewesen sei und dass überdies das Lager der alten Stammklientel immer kleiner werde. Der Idealtypus des „katholischen Kirchgängers“ mache noch zehn Prozent der CDU-Wähler aus; sich an ihnen zu orientieren, würde nur bedeuten, mit ihnen zu schrumpfen.

Aber nicht nur der Mann von der Forschungsgruppe Wahlen, praktisch alle Vorstandsmitglieder vom Parteivize bis zum anerkannt Konservativen teilen die Sicht, dass die CDU sich um neue Wählerschichten bemühen müsse. Volker Bouffier, Innenminister in Hessen, schwärmt zwar einerseits von den alten Anhängern als den „Kronjuwelen der Partei“ – fügt aber sofort an: „Nur mit Stammwählern bin ich nicht mehrheitsfähig.“

Das Problem der Konservativen mit ihrer eigenen Partei, sagt einer der CDU-Spitzenleute, sei ja ohnehin weniger eins konkreter Politik als „eine Frage von Emotionen“. Ob Merkel das verstanden habe? „Ich denke, ja“, sagt der Mann. Vom Generalkurs einer Öffnung der CDU in Richtungen, die die Traditionalisten als neumodisch, also links einstufen, will sich die Kanzlerin aber nicht abbringen lassen. „Ich muss mich doch mit Veränderungen auseinandersetzen, ob es mir passt oder nicht!“, sagt Merkel. Und am Ende müsse aus einer solchen Auseinandersetzung ein praktischer politischer Beschluss werden.

Doch sie verspricht, künftig mit allen, die mit einer Minderheitsposition in der Partei unterlegen sind, im Gespräch zu bleiben. „Jeder, der ein Beschwernis hat, muss es in einer Volkspartei vorbringen können“, sagt Merkel. „Wir wollen uns an alle wenden in der Gesellschaft.“ Also eben auch die Konservativen. Dass sie die vernachlässige oder missachte, ist ein Eindruck, den Merkel auch in der Sitzung nicht aufkommen lassen wollte. Schließlich, erinnerte sie die Vorstandskollegen, sei sie es gewesen, die bei einem CDU- Parteitag das Betreuungsgeld für daheim erziehende Eltern als Ergänzung zum Ausbau von Kindertagesstätten gegen Kritik durchgesetzt habe.

 Robert Birnbaum

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