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Straftaten von Ausländern: Ist Wahrheit wirklich alles, was zählt?
"Afghane ersticht Mädchen" - das gehört zur neuen Offenheit im Umgang mit Ausländerkriminalität. Offen ist auch, welche Folgen das hat. Ein Kommentar.
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Die Nachricht über die Messerattacke brauchte nur einer logischen Sekunde, um zum politischen Streitfall zu werden: „15-jähriger Afghane ersticht Mädchen im Supermarkt“, meldete die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch. Der Täter war ein Flüchtling, hieß es tags darauf. Eine schreckliche Tat. Besonders schrecklich, da sie sich angekündigt hatte und sogar die Polizei schon mit dem jungen Mann befasst war. Aber dieser Einzelheiten bedurfte es gar nicht, um aus dem traurigen Geschehen dann eine solche Nachricht zu machen: „15-jähriger Afghane ersticht Mädchen im Supermarkt“.
Es wird unterschätzt, wie solche Überschriften die ihnen folgenden Diskussionen prägen. Es kann jetzt tausend Mal über die Beziehungstat eines Eifersüchtigen und Gekränkten geschrieben oder spekuliert werden. Liegt so etwas wie ein Ehrenmord nicht näher? Greifen die kriegsgewohnten Afghanen nicht ohnehin schnell zum Messer?
Je mehr Afghanen, desto mehr afghanische Verbrecher
Alles möglich. Erwiesen ist, dass Afghanen in Deutschland überhaupt keine Mädchen töten könnten, wenn es hier keine Afghanen gäbe. Richtig ist auch, dass die massive Einreise von afghanischen Flüchtlingen das Risiko drastisch erhöht, dass Afghanen hier Straftaten begehen. Insofern ist es für die Diskussionen um die Tat offenbar unerheblich, welche Hintergründe sie im Einzelnen hatte. Für viele sagt diese Überschrift schon viel, wenn nicht alles: „15-jähriger Afghane ersticht Mädchen im Supermarkt“.
Die Kölner Silvesternacht vor zwei Jahren gilt als Stimmungsumschwung im Umgang mit Fremden und Flüchtlingen. Vielfach gefordert und begrüßt wurde, dass seitdem Straftaten von Ausländern oder Asylbewerbern als solche öffentlich bekannt gemacht werden. Wer zur Zurückhaltung mahnte, geriet in den Verdacht, eine Öffentlichkeit bevormunden zu wollen, die nach Wahrheit und Klarheit strebt. Der Vorwurf traf auch die Polizei, wenn sie zögerte, Herkunft und Status ausländischer Täter schnell zu benennen. Ein Produkt der Debatte ist eine Erstmeldung wie diese: „15-jähriger Afghane ersticht Mädchen im Supermarkt.“
Nachrichten sind Erzählungen mit Ziel und Richtung
Der britische Sänger Morrissey redet viel Unsinn und darf das auch. Er ist Künstler. Aber er sagt und singt auch Dinge mit Sinn. In einem Interview riet er zum Nachrichtenverzicht. „Die Nachrichten sind nur noch Social Engineering, und dabei geht es um Kontrolle und nicht um Information.“ Eine Sichtweise, die niemand teilen muss. Aber dass Nachrichten nicht von allein in die Welt kommen, sondern dass sie ein Produkt sind, das gestaltet wird, dass mit ihnen ausgewählte Ausschnitte der Wirklichkeit zu einer Erzählung geformt werden, die ein Ziel hat und eine Richtung kennt – das ist wahr und gilt auch für diese: „15-jähriger Afghane ersticht Mädchen im Supermarkt“.
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