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Politik: Italien in Notbesetzung

Die Tageszeitungen Italiens haben schon am Montag ihre Dienstagsbeilagen mitausgeliefert. Am Dienstag nämlich wird es keine Zeitungen geben, ebenso wenig Nachrichten im Fernsehen oder im Radio.

Die Tageszeitungen Italiens haben schon am Montag ihre Dienstagsbeilagen mitausgeliefert. Am Dienstag nämlich wird es keine Zeitungen geben, ebenso wenig Nachrichten im Fernsehen oder im Radio. Alle paar Stunden werden Techniker oder Verwaltungsangestellte die wichtigsten Ereignisse des Tages verlesen, denn kein einziger Journalist wird in den Büros erscheinen.

In Italien ist Generalstreik angesagt. Er wendet sich gegen die Reform von Artikel 18 des Arbeitsgesetzes, den die Regierung durchsetzen möchte. Der Artikel würde es den Arbeitgebern ermöglichen, ohne Begründung Entlassungen vorzunehmen.

Zwischen zehn und 18 Uhr ruht das Land. Wer fliegen will, muss bis zum frühen Abend warten. Sämtliche Bildungseinrichtungen bleiben geschlossen, Banken und Postämter öffnen erst gar nicht. Lediglich die Notdienste der Krankenhäuser werden geöffnet sein. Busse und U-Bahnen stehen still, und auch die Taxifahrer werden sich dem Streik anschließen.

"Dieser Generalstreik ist ein wirtschaftspolitisches Eigentor", meinte Ministerpräsident Silvio Berlusconi am Wochenende. Er sei bereit, mit den Gewerkschaften über den Artikel 18 zu diskutieren, "aber die Regierung bleibt bei ihrer Meinung." Sergio Cofferato, Sekretär des größten Gewerkschaftsbundes CGIL, sieht keine Verhandlungsgrundlage. "Warum sollen wir miteinander diskutieren, wenn Berlusconi den Artikel in jedem Fall nach seinen Vorstellungen reformieren will?"

Für den Streiktag sind in den Großstädten Kundgebungen geplant. Die Demonstrationszüge werden sich von verschiedenen Ausgangspunkten in Richtung Stadtzentrum bewegen und damit, befürchtet Roms Bürgermeister Walter Veltroni, "dem Autoverkehr den Todesstoß verpassen." Allein in Rom gibt es rund 1,5 Millionen PKW. Ohne öffentliche Verkehrsmittel würden viele Bürger mit ihrem eigenen Wagen zur Arbeit fahren. "Das wird das absolute Verkehrschaos", so Veltroni.

Der letzte italienische Generalstreik fand am 25. Juni 1982 statt. Damals streikten die Italiener gegen die Abschaffung der "Scala mobile", der automatischen Anpassung aller Gehälter an die Preissteigerungen.

Thomas Migge

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