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Belästigung am Arbeitsplatz: Nur eine Minderheit sieht Chancen, sich zu wehren.

© dpa

Übergriffe durch Kollegen und Kunden: Jede achte Frau berichtet von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Anzügliche Witze, unerwünschte Berührungen, körperliche Annäherung: Laut einer Studie ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz weit verbreitet.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz trifft aktuell jede und jeden elften Beschäftigten und Frauen deutlich öfter als Männer. In einer repräsentativen Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die am Freitag veröffentlicht wurde, gaben 13 Prozent – also etwa jede achte – der erwerbstätigen Frauen und fünf Prozent der Männer an, in den letzten drei Jahren Ziel von Nachstellungen bis hin zu körperlicher Nötigung bei der Arbeit geworden zu sein.

Tatort Nr. 1: Gesundheits- und Sozialberufe

Dabei machten verbale Angriffe, anzügliche Kommentare, Witze und Blicke mit 44 Prozent den größten Teil dessen aus, was die Befragten nannten. Aber immer noch rund ein Viertel (26 Prozent) wurde begrapscht oder erlebte andere unerwünschte Berührungen und körperliche Annäherung. Vier Prozent wurden zu Sex erpresst oder mussten sexuelle Handlungen über sich ergehen lassen. Mehr als ein Fünftel (22 Prozent) wurde mit privaten Einladungen bedrängt, die sie als unangemessen empfanden.

Die Täter waren den Aussagen nach mehrheitlich Männer: Das sagten 82 Prozent aller Betroffenen und sogar 98 Prozent der Frauen, die sexuell gefärbte Angriffe bei der Arbeit erlebt hatten. Betroffene Männer nannten andere männliche Täter in 39 Prozent der Fälle, aber immerhin 46 Prozent gaben an, dass sie ausschließlich oder überwiegend von Frauen belästigt worden seien oder würden.

Sexuelle Belästigung, so heißt es in der Studie, gibt es überall: "Grundsätzlich besteht in allen Branchen ein Risiko der sexuellen Belästigung." Man habe jedoch "einige Auffälligkeiten" festgestellt. So hatten Gesundheits- und Sozialberufe mit 30 Prozent den höchsten Anteil berichteter sexueller Angriffe, mit deutlichem Abstand gefolgt von Handel und Autobranche (12), verarbeitendem Gewerbe (11) und Erziehung und Unterricht (10). In Dienstleistungsberufen und im Verkauf ist der Anteil mit 13 Prozent am höchsten, danach berichten Menschen in akademischen Berufen und Führungskräfte (je 10 Prozent) besonders häufig von sexualisierten Attacken gegen sie. Handwerksberufe sind mit drei Prozent am wenigsten betroffen.

Die Folgen: Erniedrigung und Unwohlsein bei der Arbeit

Das spiegelt sich, zumindest zum Teil auch in der Struktur der Täter, die die Befragten angaben: Zu mehr als der Hälfte, nämlich 53 Prozent, erlebten sie die Attacken durch Menschen, für die ihre Arbeit da war, also Kunden, Patientinnen, Klienten. Die übrigen Belästiger am Arbeitsplatz sind zu einem sehr hohen Anteil Kollegen und Kolleginnen, die den gleichen Rang in der Firmenhierarchie haben wie ihre Opfer (43 Prozent) und zu 19 Prozent Vorgesetzte.

Die repräsentative Studie die die Erlanger Soziologie-Professorin Monika Schröttle, langjährige Forscherin auf diesem Gebiet, und der Bielefelder Forscher Henry Puhe geführt haben, gibt auch Auskunft über die gravierenden Folgen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz: So sagte fast die Hälfte der Frauen (48 Prozent) und 28 Prozent der betroffenen Männer, sie hätten sich dadurch fühlbar bis schwer abgewertet und erniedrigt gefühlt. Ein knappes Drittel der Frauen und ein Fünftel der Männer empfanden die Situationen, in die sie gerieten, als bedrohlich bis stark bedrohlich. Außerdem berichten sie von gesundheitlichen Schäden und einer deutlich sinkenden Zufriedenheit mit ihrem Arbeitsplatz und ihren Vorgesetzten.

Kaum ein Opfer zieht vor Gericht - aus Angst

Und sie sehen nur selten Mittel, sich mit mehr als Worten zur Wehr zu setzen: Praktisch niemand zieht vor Gericht, nur in vier von zehn Fällen holen die Opfer sich Hilfe im Betrieb, aus Unkenntnis ebenso wie aus Angst, dies könne ihnen Nachteile bringen.

Schröttle und Puhe empfehlen dagegen Verbesserungen am Antidiskriminierungsgesetz, aber sie sehen Vorgesetzte in einer "Schlüsselrolle": Wer Personalverantwortung habe, könne "durch die eigene Vorbildfunktion sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz weitgehend verhindern und beenden".

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