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Jede vierte Schulleitung will hinschmeißen: „Nur Wenige von uns sind spezifisch für das Amt ausgebildet“
Immer mehr Schulleiter sind unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation. Das geht aus dem „Schulleitungsmonitor Deutschland“ hervor.
Stand:
Keine Pausen, dauernde Überlastung und Überforderung, ständige Erreichbarkeit, auch nach Dienstschluss. So sieht der Alltag vieler Schulleiterinnen und Schulleiter in Deutschland aus.
Dass sie das nicht als Dauerzustand hinnehmen können und wollen, verwundert wenig: Jede fünfte Schulleitung erwägt, ihre Schule zu verlassen, sobald sich eine bessere Möglichkeit bietet.
Sechs Prozent sagen sogar, sie wollten „so schnell wie möglich“ raus aus ihrem Job. Das geht aus dem „Schulleitungsmonitor Deutschland“ hervor, den die gemeinnützige Wübben Stiftung Bildung in Auftrag gegeben hat.
Hohe Arbeitsbelastung
Für diese wurden im vergangenen Herbst 1007 Schulleitungen aller Schulformen und aus allen Bundesländern repräsentativ befragt. Der Anteil derer, die am liebsten hinschmeißen wollen hat sich im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2019 noch weiter erhöht
Fast neun von zehn Schulleitungen gaben an, in den drei Monaten vor der Befragung „oft“ oder „sehr oft“ länger als vertraglich vereinbart gearbeitet zu haben, 85 Prozent hatten auf Pausen verzichtet. 40 Prozent sagten, sie arbeiteten mehr als 50 Stunden pro Woche.
Ständige Erreichbarkeit nach Feierabend
Rund ein Viertel gab an, stets auch nach Feierabend erreichbar zu sein. Ein großer Teil der wöchentlichen Arbeitszeit entfalle laut der Befragten auf administrative Tätigkeiten und Sitzungen, knapp drei Viertel von ihnen wünscht sich mehr Unterstützung von der Schulbehörde oder dem Schulministerium.
Und jede zweite Schulleitung sagt von sich selbst, für den eigenen Job nicht formal qualifiziert zu sein. An Weiterbildungen nehmen die meisten von ihnen nicht teil, stattdessen informieren sie sich lieber bei Kolleg:innen oder durch Fachliteratur. Die Hälfte der Befragten sagte, dass sie sich nicht fit und tatkräftig fühle.
In anderen Branchen heißt es, Stillstand ist Rückschritt. Aber wenn sie jung Schulleiterin werden, bleiben sie das eben noch 25 Jahre.
Gudrun Wolters-Vogeler, Vorsitzende des Allgemeinen Schulleitungsverbands.
Gudrun Wolters-Vogeler, die Vorsitzende des Allgemeinen Schulleitungsverbands, ist nicht überrascht über das ernüchternde Ergebnis der Studie, im Gegenteil. Die Ergebnisse spiegelten genau den Forderungskatalog des Verbands wider und das, was sie seit 20 Jahren in der Praxis beobachte.
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Schulleitung sei eigentlich ein eigener Beruf, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wenige von uns sind spezifisch für das Amt ausgebildet, es gibt nicht mal eine verpflichtende, einheitliche Grundqualifizierung. Vieles ist learning by doing, natürlich ist Überforderung da programmiert.“
Anforderungen steigen
Inzwischen würden auch immer mehr Entscheidungen von den Behörden an die Schulen wegdeligiert. „Das ist eine Entwicklung, die wir im Kern begrüßen, weil es die Gestaltungsmöglichkeiten vergrößert. Aber mit einem Mehr an Arbeit müsste auch ein Mehr an Ressourcen einhergehen.“ Apropos Ressourcen. Auch die Bezahlung sei ein Problem. „Über 50 Prozent der Personen, die an der Studie teilgenommen haben, sind an Grundschulen beschäftigt.“ Da sei die Besoldung ohnehin mager. „Die Leitung bekommt kaum mehr als der Rest des Kollegiums, hat dafür aber einen Management-Job.“
Es braucht mehr spezielle Qualifizierungen für Schulleitungen und eine klare Aufgabenbeschreibung sowie Zeit, diese dezidierten Schulleitungsaufgaben wahrzunehmen.
Nina Stahr, bildungspolitische Sprecherin der Grünen.
Wolters-Vogler bemängelt auch zu wenig Flexibilität und Weiterbildungsmöglichkeiten.. „In anderen Branchen heißt es, Stillstand ist Rückschritt. Aber wenn sie jung Schulleiterin werden, bleiben sie das eben noch 25 Jahre.“ In Schulen passiere so viel, dass es nicht langweilig werde, dennoch: „Man will sich doch weiterentwickeln.“
Nina Stahr, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, bezeichnet die gestiegene Unzufriedenheit unter Schulleitungen als erneutes Warnsignal für die Bildungspolitik. „Es braucht mehr spezielle Qualifizierungen für Schulleitungen und eine klare Aufgabenbeschreibung sowie Zeit, diese dezidierten Schulleitungsaufgaben wahrzunehmen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Schulleitungen seien nicht nur pädagogische Führungskräfte, sondern managten quasi ein Unternehmen.
Die Opposition wird etwas deutlicher. „Bei voller Verantwortung, aber oft nur mit halbem Kollegium und fehlender Unterstützung und oftmals schlechte Rahmenbedingungen schrubben Schulleitungen mit hohem Arbeitspensum den Schulalltag“, sagte Nicole Gohlke, die bildungspolitische Sprecherin der Linken. „Daneben steigen die Erwartungen und Vorgaben. Das tun sich nur wenige freiwillig an.“
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