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Blick über den aufgerissenen und ausgetrockneten Boden eines abgelassenen Fischteiches der Peitzer Karpfenfischer. Dahinter: qualmenden Kühltürme eines Braunkohlekraftwerkes.

© ZB

Kampf gegen den Klimawandel: Wie sich die Erwärmung rasch aufhalten lässt

Beim Kampf gegen den Klimawandel gab es 2017 Rückschläge. Wie lässt sich der weitere CO2-Ausstoß schnell verringern? Fragen und Antworten zum Thema.

Von Jakob Schlandt

2017 war ein seltsam zwiespältiges Jahr im Kampf gegen den Klimawandel und für eine grüne Energieversorgung. Politisch gab es Rückschläge und nur wenig Fortschritt. Doch wirtschaftlich zeichnet sich immer deutlicher ab: Kein Donald Trump und keine Regierungspause kann die Energiewende noch aufhalten. Erneuerbare Energien und Elektromobilität boomen.

War 2017 ein gutes Jahr im Kampf gegen den Klimawandel?

Weder beim Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur noch bei den Emissionen an Treibhausgasen gab es gute Nachrichten. Die Nasa geht davon aus, dass 2017 das zweitwärmste aufgezeichnete Jahr nach 2016 war, in dem das Wetterphänomen El Niño die Temperaturen besonders hochtrieb. Es ist jetzt deutlich mehr als ein Grad wärmer als im späten 19. Jahrhundert. Die CO2-Emissionen sind nach einer dreijährigen Pause erneut gestiegen, und zwar um zwei Prozent. Während sie in den USA und in Europa leicht sinken, stiegen sie in China um 3,5Prozent an. Hauptgrund ist, dass die Weltwirtschaft vergleichsweise stark wächst.

Eigentlich aber müsste die Menschheit die Emissionen jedes Jahr deutlich senken, um auf einem Pfad zu bleiben, der eine starke Klimaerwärmung verhindert. Das „Budget“, wie viel CO2 noch in die Atmosphäre gebracht werden darf, schrumpft weiter schnell zusammen. Dieser Ansicht ist zumindest eine deutliche Mehrheit der Wissenschaftler und der IPCC, der globale Wissenschaftsrat, der regelmäßig den Klimawandel untersucht. Der ist auch der Meinung, dass extreme Wetterphänomene deshalb schon zunehmen, auch wenn einzelne Ereignisse nie klar dem Klima zugeordnet werden können.

Deutschland hat zum Jahresende noch einmal die Kurve bekommen. Noch im November wurde geschätzt, dass auch hier die CO2-Emissionen 2017 leicht zunehmen. Doch starker Wind hat im späten Herbst für enorm hohe Erträge der Windkraftanlagen gesorgt, die zeitweise Kohle- und Gaskraftwerke aus dem Strommarkt drängten. Deshalb wird statt eines kleinen Anstiegs nun Stagnation bei den Emissionen erwartet. Entscheidend ist das aber nicht: Deutschland ist insgesamt für nur gut zwei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.

2015 gab es einen Durchbruch bei den Klimaverhandlungen. Ist etwas geblieben?

Ja, eine Menge. Die Erfolge der Weltklimakonferenz in Paris vor zwei Jahren stimmen immer noch hoffnungsfroh, dass es globale Anstrengungen geben wird, den Klimawandel gemeinsam zu bekämpfen. Auf der Nachfolge-Konferenz in Bonn diesen November ging es sozusagen um Arbeitsanleitungen, die sich aus Paris ergeben. Zum Beispiel die Frage, welche Informationen über ihre Klimaschutzbemühungen die Staaten wann und in welcher Form einreichen. Ergebnis: Der Zeitplan steht, man ist so weit gekommen wie geplant. Einig ist sich die Weltgemeinschaft darüber, dass die Emissionen bis 2050 auf praktisch null sinken müssen und die bisher ins Auge gefassten Einsparungen nicht ausreichen, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf zwei oder sogar nur 1,5 Grad zu begrenzen.

Die Weltgemeinschaft? Ein Land fehlt, und das ist ausgerechnet der zweitgrößte Emittent nach China: Die USA unter Präsident Trump haben sich als einziges Land aus dem Pariser Abkommen zurückgezogen. Das war der große Rückschlag im Klimajahr 2017. Die Kündigung wird zwar erst 2020 wirksam, kurz nach der nächsten US-Präsidentenwahl. Aber bis dahin werden die US-Amerikaner nicht produktiv an der Umsetzung mitarbeiten, die noch gar nicht richtig begonnen hat. Immerhin: Gut ein Dutzend US-Bundesstaaten will sich dennoch an Abmachungen halten und die Emissionen deutlich senken. Nächstes Jahr wird im polnischen Katowice weiterverhandelt – einer symbolträchtigen Kohlestadt.

Was könnte technisch getan werden, um die Klimaerwärmung rasch aufzuhalten?

Die Vermeidung von Emissionen ist nach wie vor der weithin anerkannte und sicherste Weg. Politisch scheint er am vielversprechendsten, weil der Mensch nicht direkt in die Zusammensetzung der Atmosphäre eingreift, sondern lediglich die weitere Anreicherung von CO2 und anderen Treibhausgasen zurückfährt. Wirtschaftlich dagegen ist es eine Herkulesaufgabe. Rechnet man global die Ausgaben über die kommenden Jahrzehnte zusammen, kommen Trillionensummen zusammen, die zum Beispiel in erneuerbare Energien und effizienteren Energieverbrauch gesteckt werden müssten.

Derartige Berechnungen, wie sie zum Beispiel der Industriestaatenbund OECD erstellt, sind äußerst komplex und nichts weiter als ungefähre Abschätzungen, die zum Beispiel vom Preis fossiler Rohstoffe abhängen und wie man die Vorteile gegenrechnet. Tatsache ist aber, dass eine globale Klima- und Energiewende unser aller Leben verändern würde. Sind am Anfang noch einfache und finanziell lohnende Einsparungen möglich, zum Beispiel die Umstellung auf LED-Lampen, wird es immer teurer und aufwändiger, je weiter die Emissionen Richtung null gedrückt werden. Irgendwann müsste zum Beispiel weitgehend auf Flüge verzichtet werden.

Deshalb – und weil das Budget für weitere Emissionen schon so niedrig ist – wurde 2017 immer häufiger über sogenannte negative Emissionen und die Möglichkeit diskutiert, an der Atmosphäre herumzudoktern. Ersteres geht zum Beispiel, indem Biomasse angebaut und anschließend verbrannt wird, um Strom zu erzeugen. Das entstehende CO2 würde aber abgeschieden und in unterirdischen Kavernen eingelagert, zum Beispiel leeren Gasfeldern. Auch einige Umweltorganisationen, die die Idee äußerst skeptisch bewerteten, freunden sich mit dieser Option neuerdings an. Die zweite Möglichkeit birgt jede Menge politische Sprengkraft.

Zum Beispiel könnten Aerosole in die Atmosphäre gebracht werden, die Sonnenstrahlen reflektieren. Große Vulkanausbrüche haben in der Vergangenheit immer wieder für kurze Abkühlungen der Erdatmosphäre gesorgt. Doch neben technischen Risiken gibt es ein großes politisches Problem: Wer sollte bestimmen, welches Klima das richtige ist? Russland zum Beispiel dürfte eher Interesse an höheren Temperaturen haben, während in Afrika und anderen heißen Regionen jede Erwärmung negative Auswirkungen hat.

Was leisten die erneuerbaren Energien und die Elektromobilität?

Vor zehn Jahren war Deutschland alleiniger Weltmarktführer bei vielen Ökostromtechniken. Doch das hat sich rasend schnell geändert. Die Kosten für neue Windkraftwerke, vor allem aber für Photovoltaikanlagen sind in den vergangenen Jahren viel schneller gefallen, als von fast allen Experten vorausgesagt. Die Installationen übertreffen deshalb ebenfalls alle Erwartungen. 2017 gingen zum Beispiel weltweit Solaranlagen mit rund 100 Gigawatt Leistung ans Netz. Das entspricht bei maximalem Ertrag zur Mittagszeit mehr als dem höchsten Stromverbrauch Deutschlands.

Besonders China hat sich an die Spitze gesetzt und fördert Ökostrom massiv. In vielen Ländern ist eine selbsttragende Dynamik in Gang gekommen: Grüner Strom ist schlicht billiger auf Dauer als fossile Kraftwerke, die permanent Brennstoff brauchen. Fallende Batteriepreise machen auch eine Dauerversorgung mit Wind- und Sonne in einigen Ländern möglich. Allerdings machen die erneuerbaren Energien – ohne die gut erprobte, aber kaum noch ausbaufähige Wasserkraft – bislang nur etwa acht Prozent der Stromerzeugung aus. In Deutschland ist es schon deutlich über ein Drittel. Den Klimawandel mildern sie schon leicht ab, aber der Effekt ist noch nicht groß. Auch, weil Strom nach wie vor nur einen Teil des Energiebedarfs ausmacht.

Der Transportsektor zum Beispiel ist noch fast vollständig von Mineralöl abhängig. Das könnte die Elektromobilität ändern, wenn sie aus Grünstrom gespeist wird. Elektroautos machten zwar 2017 nur gut ein Prozent der weltweit verkauften Fahrzeuge aus. Aber der Anteil steigt um fast die Hälfte pro Jahr. In Deutschland waren es Ende 2017 gut zwei Prozent. Geht es so weiter, könnten weltweit schon 2030 fast die Hälfte aller Neuwagen summen statt brummen.

Warum hat die Energiepolitik die Regierungsbildung in Deutschland und die Jamaika-Verhandlungen so belastet?

Vereinfacht gesagt: Weil sich die Grünen auf der einen Seite und Teile von Union und die FDP auf der anderen schnell auf einen symbolpolitischen Konflikt einengten. Gestritten wurde gegen Ende der Sondierungsgespräche Mitte November fast nur noch über das deutsche Klimaziel für 2020 und die vorzeitige Abschaltung einiger Kohlekraftwerke. Auf der einen Seite war nachvollziehbar, dass die Grünen Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Wort nahmen: Die hatte noch kurz vor der Wahl wie seit zehn Jahren versprochen, bis 2020 die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken.

Das war schon lange kaum zu schaffen und ist durch Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum zuletzt noch ein bisschen schwerer geworden. Bislang sieht es eher nach 32 Prozent Senkung aus. Um näher an die Zielerfüllung zu kommen, müssten tatsächlich viele Kohlemeiler vom Netz. Auf der anderen Seite haben viele Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter bedauert, dass nicht der Blick auf das große Ganze gerichtet wurde: zum Beispiel die Einführung eines deutschlandweiten CO2-Preises, der in allen Sektoren Emissionen verhindert und vor allem einen klaren Investitionsanreiz für Unternehmen in grüne Techniken darstellt. Da hätten Grüne und FDP mehr Gemeinsamkeiten finden können.

Wie geht es 2018 mit dem Klimaschutz weiter, falls SPD und Union gemeinsam regieren?

An der internationalen Verhandlungsposition wird sich wenig ändern. Sowohl Union als auch die Sozialdemokraten stehen zum Pariser Abkommen und werden sich dafür stark machen, dass es in deutliche Emissionsminderungen mündet. In Deutschland, wo man eigentlich die europäischen und internationalen Ziele übertreffen möchte, sieht es schon ganz anders aus. SPD-Chef Martin Schulz hat zwar jüngst das „Ende der Kohleverstromung“ angekündigt. Aber die Sozialdemokraten widmen der Energiewende und dem Klimaschutz deutlich weniger Raum und politische Energie als früher.

In Analysen und Positionspapieren, die in den vergangenen Wochen erschienen sind, spielt das Thema kaum eine Rolle mehr. Zusätzlich macht die IG BCE, die Kraftwerks- und Bergbaugewerkschaft, mächtig Druck. Sie kämpft um die Jobs in den Braunkohleregionen in Ostdeutschland und am Rhein. Der wirtschaftsnahe Flügel der SPD scheint die Oberhand zu gewinnen über die Umweltpolitiker in der Partei. Spannend wird deshalb, wie Union und SPD das Dilemma lösen möchten, dass das Klimaziel 2020 ohne ziemlich drastische Maßnahmen deutlich verfehlt wird. Möglicherweise geht das Klimajahr 2018 also schlecht los: damit, dass der einstige Vorreiter Deutschland beschließt, die eigenen Versprechen zu brechen.

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