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Kann sich Friedrich Merz (l.) noch auf Fraktionschef Jens Spahn verlassen?

© dpa/Fabian Sommer

Merz in der Klemme: Wer steht wo im Rentenstreit?

Die Positionen beim geplanten Rentenpaket werden immer unübersichtlicher. Kanzler Merz wirkt isoliert, in der Union gehen die Interessen auseinander. Die SPD versucht, ruhig zu bleiben. Ein Überblick.

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Für Friedrich Merz war es ein Wochenende zum Vergessen. Eigentlich wollte der Kanzler die Beschlüsse des Koalitionsausschusses für die Wirtschaft verbreiten. Schwarz-Rot hat verstanden, sollte die Botschaft sein. Doch stattdessen dominieren schon wieder Streit und Frust das öffentliche Bild der Koalition.

Denn das Rentenpaket, das Schwarz-Rot verabredet hat, steht politisch auf der Kippe. Nach dem Deutschlandtag der Jungen Union wird immer klarer: Die Rebellion der Jungen in der Unionsfraktion lässt sich nicht einfach wegmoderieren.

Die Gefechtslage allerdings ist unübersichtlich, gerade aufseiten der Union.

Wer im Gezerre um die Rente wo steht – und wer was will.


Bundeskanzler Friedrich Merz

Am Sonntagabend versucht Friedrich Merz in der ARD den Befreiungsschlag. In einem kurzfristig anberaumten Interview im „Bericht aus Berlin“ bietet der Kanzler an, dass sich Union und SPD in der Gesetzeserklärung oder einer Begleiterklärung zu einer grundlegenden Rentenreform ab 2032 bekennen könnten.

Doch reicht das den Renten-Rebellen aus seiner eigenen Partei? Lange hat Merz unterschätzt, wie groß der Unmut der Jungen über die Rentenpolitik von Schwarz-Rot ist. Aus Kreisen der jungen Renten-Rebellen wird darauf hingewiesen, man habe die eigene scharfe Ablehnung intern früh deutlich gemacht. Es habe nur niemand so richtig hören wollen, dass die Jungen bei der 48-Prozent-Rentengarantie nicht einfach mitmachen.

Merz hat sich in eine strategische Falle manövriert, als er das Veto der Jungen vor dem Kabinettsbeschluss außer Acht ließ. Nun, da der Kabinettsbeschluss gefasst ist, hat er kaum Argumente, dem Koalitionspartner SPD noch einmal grundlegende Änderungen abzutrotzen.

Das wurde auf dem Deutschlandtag der Jungen Union deutlich, wo er einerseits sagte, er werde dem Gesetz „mit gutem Gewissen“ im Bundestag zustimmen. Gleichzeitig teilte er jedoch die inhaltliche Kritik des Parteinachwuchses an den Plänen für die Zeit nach 2031. Eine gewagte Strategie, die für viel Kopfschütteln und Frust bei der Jungen Union sorgte.


Katherina Reiche, Michael Kretschmer – und wer noch?

Wie einsam es um den Kanzler geworden ist, wird am Sonntagmorgen deutlich. Noch vor ihrem Abflug in die Golf-Region schlägt sich Wirtschaftsministerin Katherina Reiche auf die Seite der Renten-Rebellen. „Reformen sind hier unumgänglich. Insofern hat die Junge Gruppe recht“, sagte Reiche auf dem Flugfeld.

Und Reiche ist längst nicht mehr die Einzige aus der ersten Reihe der Union: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte der „Funke“-Mediengruppe, die Kritik der jungen Unionspolitiker sei berechtigt: „Die derzeitige Rentenpolitik vergrößert das Problem.“ 

Michael Kretschmer (links) und Katherina Reiche haben sich an die Seite der Jungen Union gestellt.

© Imago/Frank Ossenbrink

Und Manuel Hagel, Landeschef und Spitzenkandidat der CDU in Baden-Württemberg, sagte in seiner Rede auf dem Deutschlandtag: „Ihr habt einen sehr guten Vorschlag ausgebreitet!“ Er motivierte die Parteijugend, weiterzumachen: „Bauch rein, Brust raus, stabil bleiben!“

Die bange Frage aus Sicht von Merz ist nun: Wer gibt sich noch zu erkennen? Mit weiterer Bewegung in dieser Sache ist zu rechnen.


Unionsfraktionschef Jens Spahn

Formal muss Jens Spahn jetzt eigentlich für Merz das Problem lösen. Als Fraktionschef der Union ist es sein Job, die Mehrheiten für den Kanzler zu organisieren. Doch mit dieser Rolle fremdelt Spahn erkennbar.

Dabei hat der 45-Jährige eigentlich einen engen Draht ins Lager der jungen Abgeordneten aufgebaut. Doch Spahn hat genau beobachtet, dass es in seiner Fraktion vom Parlamentskreis Mittelstand bis zur Arbeitnehmergruppe große Sympathie für das Anliegen der Jungen Gruppe gibt.

Dass der Kanzler den Aufstand öffentlich lobte, macht seine Aufgabe umso schwerer. Und so spielte Spahn den Ball schon in der vergangenen Woche zurück ins Feld von Merz. „Der Kanzler hat sehr deutlich gemacht, dass darüber noch zu reden sein wird in der Koalition“, sagte Spahn im Tagesspiegel-Interview.

Nachdem Spahn schon bei der Wahl einer neuen Verfassungsrichterin keine Mehrheit garantieren konnte, droht ihm beim Rentenpaket eine weitere Blamage. Dabei wurde der Fehler aus Sicht vieler Konservativer nicht von Spahn begangen, sondern im Kabinett, wo auch die Minister der Union dem Rentenentwurf zugestimmt haben.


Pascal Reddig, Vorsitzender der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion

Schon bevor Pascal Reddig auch nur ein Wort gesagt hatte, wurde er auf dem Deutschlandtag der Jungen Union mit stehendem Applaus gefeiert. Mit seinem unaufgeregten, aber unnachgiebigen Auftreten hat sich der Vorsitzende der Jungen Gruppe in der gesamten Partei ein hohes Ansehen erarbeitet. Denn Reddig ist als Berichterstatter der Unionsfraktion für das Thema Rente mindestens genauso sehr Experte wie Rebell.

Fordert mehr Generationengerechtigkeit: Der CDU-Abgeordnete Pascal Reddig.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Auf dem Deutschlandtag durfte sich der 30-Jährige viel Rückenwind für sich und seine 17 Mitstreiter abholen, ein entsprechender Beschluss zum Rentenpaket wurde einstimmig verabschiedet. „Wir bleiben in dieser Frage stehen“, versprach Reddig.

Tatsächlich könnten aus der Jungen Gruppe nur Philipp Amthor und Carina dos Santos-Wintz, die als parlamentarischer Staatssekretär und Parlamentarische Geschäftsführerin tragende Rollen in der Koalition einnehmen, in Gewissenskonflikte kommen. Doch selbst dann würden die übrigen 16 Stimmen der Jungen Gruppe zur Blockade der Rentenreform reichen.


CSU-Chef Markus Söder

Beim Deutschlandtag der Jungen Union im Europapark in Rust gelang Markus Söder ein bemerkenswerter Spagat. Einerseits streichelte er die aufgebrachten Funktionärsseelen der JU-Delegierten und lobte den Parteinachwuchs – anders als Merz – für seine konstruktive Arbeit. Und auch der Forderung nach Nachverhandlungen beim Rentenpaket öffnete er eine Tür: „Ein reines SPD-Basta von der Seite geht auch nicht.“

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder beim Deutschlandtag der Jungen Union.

© Imago/Chris Emil Janssen

Doch Söder warb auch für Merz und einen Kompromiss bei der Rente. Mit Kalkül, denn zu dem zählt bekanntlich auch die Erhöhung der Mütterrente – das Wahlversprechen der CSU. Dem Projekt, das an die fünf Milliarden Euro pro Jahr kostet, steht die JU eigentlich auch kritisch gegenüber. Wird das gesamte Rentenpaket noch einmal aufgeschnürt, müsste auch Söder um sein Prestigeprojekt zittern.

Doch am Ende ist es nicht so sehr sein Problem als Ministerpräsident von Bayern, wenn Merz in Berlin unter die Räder kommt. Schließlich trauen dem 58-Jährigen in der Union immer noch viele zu, dass er bei der kommenden Wahl gerne der nächste Kanzlerkandidat der Konservativen würde. Ein paar Schrammen für Merz, der jüngst 70 wurde, können da nicht schaden.


Bärbel Bas, Lars Klingbeil und die SPD

Bei den Sozialdemokraten herrschte vor dem Wochenende noch demonstrative Gelassenheit: „Die Union muss ihre Truppen versammeln, wir haben damit nichts zu tun“, lautete die Botschaft. Doch angesichts der Gemengelage in der Union ist vollkommen klar, dass es so einfach nicht ist.

Für die SPD ist die Rente eine absolute Grundsatzfrage. Man denkt an alles, was man der Union zugestanden hat, insbesondere eine neue Härte in der Migrationspolitik und die Schmach bei der Richterwahl. Aus Sicht der Sozialdemokraten müssen die Konservativen jetzt liefern. Lars Klingbeil stellte am Wochenende klar: „An diesem Gesetz wird nichts mehr geändert.“

Sie werden nochmal um das Rentenpaket ringen: Bärbel Bas (l.) und Friedrich Merz.

© Reuters/Annegret Hilse

Doch offenbar könnte genau das passieren. Nach seinem Auftritt in Rust habe er mit Bärbel Bas telefoniert, verriet der Bundeskanzler im „Bericht aus Berlin“. Man habe verabredet, dass man nochmal über den Gesetzestext spreche.


Die Renten-Kommission als Lösung?

Nun verweisen mit großer Geste alle auf die Rentenkommission, als könnte die das Problem lösen. Merz sagte am Sonntag, die Kommission werde noch in diesem Jahr eingesetzt und vor der Sommerpause 2026 Ergebnisse vorlegen. Das Problem ist nur: Die verschiedenen politischen Ansichten sind längst ausdiskutiert, grundstürzend Neues wird die Kommission nicht herausfinden können.

Und wo Merz die Kommission den Renten-Rebellen als Aussicht auf die noch folgenden ganz großen Reformen verkaufen will, da sieht man die Kommission in der SPD mit Sicherheit nicht als Nukleus einer strammen Sozialreform. Und das dürfte auch der Unionsnachwuchs wissen.

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