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Chefinnen verzweifelt gesucht: Karriere hat ein Imageproblem – besonders bei Frauen
Warum Chefin sein, wenn das Geld auch so reicht und mehr Stress keinen Sinn macht? Über einen einfachen Weg, um Top-Posten attraktiver zu machen. Ein Kommentar.

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Chefinnen dringend gesucht, lautete eine Überschrift in dieser Woche. Wo ist die Neuigkeit, werden nun vielleicht einige denken. Dass es kompliziert ist, Frauen in Führungspositionen zu locken, ist seit Jahren, seit Jahrzehnten bekannt. Quotendebatten und Vätermonate haben keinen wirklichen Fortschritt gebracht, im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit 29,2 Prozent Frauen in Führungspositionen weiterhin auf einem peinlichen 20. Platz.
Die Neuigkeit ist: Die Lage wird nicht besser, sondern schlechter: Der Wert ist in den vergangenen vier Jahren leicht gesunken, die 30-Prozent-Hürde wird offenbar zur gläsernen Decke der Führungsfrage. Und neu ist auch, dass die Lust aufs Chefsein offenbar auch den Männern vergeht. Eine Umfrage der „Initiative Chefsache“ hat ergeben, dass neben den kläglichen 24,7 Prozent der Frauen, die im Berufsleben führen wollen, auch nur 33,4 Prozent der Männer nach oben streben. Das sind jeweils rund zehn Prozent weniger als noch vor vier Jahren.
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Und unter jenen, die schon in Führungspositionen sind, wollen nur 29 Prozent noch mehr Verantwortung, bei Frauen sogar nur 23 Prozent. Die Chefsache erfährt einen fulminanten Absturz in der Beliebtheitsskala. Gleichzeitig sind mehr als die Hälfte aller Beschäftigten bereit, auf Geld und Prestige zu verzichten, um etwas Sinnvolles zu tun. Führungspositionen finden sie offenbar immer weniger sinnvoll.
Die Suche nach Antworten führt zwischen dem Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance und dem Fachkräftemangel (in vielen Branchen kann man sich den Job inzwischen aussuchen) auf direktem Weg zurück zur Frauenfrage. Denn was nicht nur bei Generation Y und Z auch immer mehr Männer abschreckt, ist der schlechte Ruf, den Führungspositionen (mal abgesehen von den finanziellen Vorteilen) haben. Vor allem, wenn es ums Familienleben geht.
Väter mit Handy am Ohr auf dem Spielplatz
Das Klischee geht so: Führungskräfte sind diese Väter, die (im besten Fall) im Anzug telefonierend auf dem Spielplatz stehen, im Normalfall aber am Familienleben nahezu überhaupt nicht teilnehmen, weil die Frau (im besten Fall) Teilzeit arbeitet und ansonsten freiwillig-fröhlich in der Care-Arbeit aufgeht. Bis Rentenbescheid und/oder Scheidung ihnen das Lächeln im Gesicht erfrieren lässt. Klischee Ende.
[Lesen Sie hier bei T+: Warum für Frauen nach der Scheidung oft das böse Erwachen folgt. ]
Die Lösung kann nur in der Flexibilisierung liegen und zwar für alle Beteiligten. Warum sollte man sich einen 80-Stunden-Job antun, wenn das Geld auch vorher schon zum netten Leben gereicht hat und durch Inflation zudem an Verlässlichkeit verliert und es für die Eigentumswohnung nicht mal mehr am Stadtrand reicht? Geld scheint in den nachfolgenden Generationen eine immer kleinere Rolle zu spielen, Arbeitszufriedenheit und Freiräume werden immer wichtiger.
Bei Frauen ist das womöglich schon länger so, ganz unabhängig von der Kinderfrage, die die Frage nach dem Sinn häufig noch verstärkt. Dass das nun offenbar auch immer mehr Männer umtreibt, könnte eine echte Chance auf Veränderung sein. Die Doppelspitze sollte nicht mehr nur in Parteispitzen en vogue sein: Wer Arbeit teilt, hat weniger davon und muss vor allem nicht immer und überall erreichbar sein.
Auch Chefs sind ersetzbar, am einfachsten, wenn sie gleich zu zweit antreten. Cool ist nicht, wer als letztes im Büro sitzt. Sondern, wer nach einem erfolgreichen Tag, ohne Handy auf dem Spielplatz steht. Wenn die Co-Chefin den Laden schmeißt, ist das nämlich gar kein Problem.
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