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Politik: Kassenärzte wollen gut zehn Prozent mehr

Funktionäre fordern Aufschlag von 3,5 Milliarden Euro / Versicherer: Mediziner rechnen sich arm.

Berlin - Die niedergelassenen Ärzte fordern von den Kassen im kommenden Jahr eine Honorarsteigerung von mindestens 3,5 Milliarden Euro. Das entspräche einem Aufschlag von gut zehn Prozent. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung wies dies mit Blick auf das Honorarplus vergangener Jahre ab und sprach von „Fantasieforderungen“.

„Nach jahrelangen Honorarsteigerungen sollten die Ärztevertreter ihre Kreativität für die Verbesserung der Patientenversorgung einsetzen, statt sich vor allem mit ihrer eigenen Honorarversorgung zu beschäftigen“, sagte Verbandsvize Johann-Magnus von Stackelberg dem Tagesspiegel. In den vergangenen vier Jahren hätten die Kassen dem Durchschnittsarzt das Gehalt bereits um 23 000 Euro erhöht. Hinzu kämen Einkommenssteigerungen durch Privatpatienten und Unfallversicherung. 2011 flossen für die rund 150 000 Mediziner 33,3 Milliarden.

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, begründete die Milliardenforderung mit gestiegenen Personal- und Praxiskosten. Allein als Ausgleich für die Inflation seit 2009 sei ein Nachschlag von 900 Millionen Euro nötig, sagte er. Um den Investitionsstau in den Arztpraxen zu beseitigen, brauche man weitere 780 Millionen. Und die bisher üblichen Honorarkürzungen für das Überschreiten der eigentlich vorgesehenen Patientenzahl wolle man auch nicht mehr akzeptieren.

Grundlage für die Forderung ist eine Analyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) in Deutschland. Die Stiftung der Kassenärztlichen Vereinigungen nahm die Umsatz- und Kostendaten von 4600 Praxen unter die Lupe und kam zu dem Ergebnis, dass ein Landarzt pro Stunde nur 27 Euro verdient. Mediziner in der Stadt kämen auf 24 Euro. Und weil den Kassenärzten so wenig bliebe, würden auch nötige Investitionen vernachlässigt. Sie seien in zwei Jahren um rund ein Drittel gesunken.

Das Dumme an der Erhebung ist, dass sie sich auf 2008 bezieht – also die üppigen Aufschläge der Jahre danach nicht berücksichtigt. Allerdings seien die Annahmen von damals entscheidend für die erzielten Steigerungen gewesen, betonte ZI- Geschäftsführer Dominik Graf von Stillfried. Die Zielüberschüsse hätten sich nun um rund 13 000 Euro niedriger als vereinbart erwiesen. Wäre dies damals bekannt gewesen, hätten die Aufschläge deutlich höher sein müssen.

Das Statistische Bundesamt dagegen kam schon für 2007 auf sehr respektable Arztgehälter. Demnach blieben jedem Mediziner nach Abzug der Praxiskosten im Schnitt 142 000 Euro pro Jahr. Verrechnet mit dem folgenden Honorarplus komme ein Durchschnittsarzt derzeit auf 165 000 Euro im Jahr, behaupten die Kassen. Sie sehen in dem aktuellen Zahlenmaterial einen neuerlichen Versuch der Ärzte, sich „arm zu rechnen“. Rainer Woratschka

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