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Trotz Finanzkrise: Katerstimmung bei Attac

Attac kann aus der Finanzkrise kein Kapital schlagen – bei den Aktivisten herrscht Katerstimmung.

Von Matthias Meisner

Berlin - Die Lautesten sind sie im vergangenen Jahr nicht mehr gewesen. Aber wenigstens zu den Ersten, die im neuen Jahr im Berliner Regierungsviertel um Gehör bitten, will Attac gehören. An diesem Freitag werden die Globalisierungskritiker bei einem Katerfrühstück eine Bilanz des Krisenjahres 2008 ziehen, sich anschließend bei einer satirischen Protestaktion auf dem Platz der Republik vor dem Bundestag in Szene setzen und auf ein neues Protestjahr einstimmen.

Katerfrühstück, Krisenjahr – die auf den Finanzmarktcrash gemünzten Begriffe treffen, wohl unbeabsichtigt, auch die Stimmung bei Attac selbst. Obwohl ihre Themen doch gerade jetzt Konjunktur haben müssten, ist es der Organisation schlecht gelungen, die Debatten über die Ursachen der Finanzkrise und die Suche nach Alternativen ernsthaft mitzubestimmen. Geschweige denn, ähnlich etwa wie bei den Demonstrationen gegen den G-8- Gipfel in Heiligendamm an der Ostsee, Massen zu mobilisieren.

"Sieg, aus dem wir keinen Profit schlagen"

Alte wie neue Aktivisten geben das in Interviews inzwischen zu. Peter Wahl, Mitgründer der deutschen Sektion von Attac und Experte bei der Nichtregierungsorganisation Weed (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung), spricht von einem „Sieg, aus dem wir keinen Profit schlagen“. Die Globalisierungskritiker wollen recht behalten haben – aber müssen hinnehmen, dass nun andere die Diskussion bestimmen. „Wir befinden uns in einer historischen Konstellation, die das gesamte Weltgefüge verändern wird“, meint Wahl. Er fügt selbstkritisch hinzu, in Finanzmarktfragen seien Attac Kompetenz und Ressourcen abhanden gekommen. SPD-Finanzminister Peer Steinbrück beherrsche die Szene, „wir dringen mit Alternativen kaum durch“. Ganz ähnlich sieht es Sven Giegold, der in Deutschland ebenfalls zu den Attac-Förderern der ersten Stunde gehörte: Belächelt werde Attac nicht mehr. „Aber die Durchsetzung unserer Forderungen ist dadurch nicht leichter geworden.“

Giegold will 2009 für die Grünen ins Europaparlament einziehen, wie Wahl und der zum linken Attac-Flügel gehörende Werner Rätz hat er sich inzwischen aus der ersten Reihe zurückgezogen. Dass die Veteranen gerade die Führung verlassen haben, macht die Sache für Attac nicht leichter: Giegold etwa wurde immer wieder gern in Talkshows geladen, die Nachwuchskräfte müssen sich erst bewähren.

Die Prominenz reißt es nicht raus

Auch von prominenten Mitgliedern wie Heiner Geißler von der CDU oder Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine kommt gerade wenig Hilfe für Attac. „Etwas zurückgegangen“ sei Attac in der öffentlichen Wahrnehmung, stellte Lafontaine wenige Tage vor Weihnachten fest. Und mit ihrer alten Kernforderung nach einer weltweiten Steuer auf Devisengeschäfte – der sogenannten Tobin-Steuer – komme die Organisation „nicht weiter“. Besonders unglücklich wirkte Lafontaine bei dieser Feststellung nicht – Attac-Forderungen nach staatlicher Umverteilung kann er mindestens ebenso so gut im Namen seiner Partei erheben.

In der deutschen Attac-Zentrale in Frankfurt am Main werden die Probleme mit positiven Trends relativiert: Die Zahl der Mitglieder und Interessenten steige – zuletzt verzeichnete die Organisation etwas mehr als 20 000 Anhänger. Die aktuelle Aktionsseite im Internet www.casino-schliessen.de werde mehr als 1000 mal pro Tag angeklickt, auch werde Attac gerade jetzt gern gespendet. In der Analyse der aktuellen eigenen Probleme sind sich die neuen Leute von Attac dennoch mit den alten Kämpfern weitgehend einig. Der Polit-Ökonom Alexis Passadakis, der inzwischen zum Attac-Koordinierungskreis gehört, hält krasse soziale Auseinandersetzungen für möglich, vorauszusagen sei das aber schlecht . „Die Situation der außerparlamentarischen Opposition ist nicht hoffnungslos, aber auch nicht gut“, sagte er kürzlich der „Netzeitung“. „Das Potenzial von Attac ist begrenzt, wir bräuchten größere Mobilisierung und gesellschaftliche Debatten. Das fehlt, denn die meisten Menschen sind von der Krise noch nicht betroffen.“ Die Berliner „Tageszeitung“ zitierte den Attac-Aktivisten Pedram Shahyar mit den Worten: „Wenn die große Mehrheit die Ursachen und Folgen der aktuellen Finanzkrise nicht versteht – warum sollte es bei Attac grundsätzlich anders sein?“

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