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Das geplante Zan-Gesetz sorgt in Italien für erbitterten Streit.

© dpa/Henning Kaiser

Anti-Homophobie-Gesetz in Italien: Katholische Kirche befürchtet „Gender-Ideologie“

Mehr Schutz für Schwule, Lesben, Trans- und Bisexuelle - das fordert ein neues Gesetz in Italien. Die Katholische Kirche und rechte Parteien stellen sich quer.

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Die seit Monaten anhaltende Debatte um ein Gesetz, dass Homo-, Bi- und Transsexuelle in Italien vor Diskriminierung und Gewalt schützen soll, ist in den vergangenen Wochen neu aufgeflammt. Was vor Monaten mit Diskussionen um das sogenannte Zan-Gesetz begann, weitete sich nach einem denkwürdigen Auftritt des Rappers Fedez am traditionellen 1.Mai-Konzert zu einer Debatte um Zensur, Presse- und Meinungsfreiheit.

„Du bist ein Senator, du bist nicht Beyoncé, du kannst nicht machen was du willst. Erinnere dich daran, bevor du ins Bett gehst: Ich bin nicht Beyoncé.“ Mit diesen inzwischen ikonisch gewordenen Worten beendete der Rapper seinen Auftritt, der über den Fernsehsender Rai 3 übertragen wurde. Die Rai spielt eine zentrale Rolle in der italienischen Debattenkultur um Politik und Gesellschaft.

Gemeint ist der Vorsitzende der italienischen Justizkommission Andrea Ostellari von Matteo Salvinis Lega Nord. Ihm wird vorgeworfen, das seit Monaten diskutierte Zan-Gesetz zu blockieren. Benannt ist das Gesetz nach dem linksdemokratischen Abgeordneten und Aktivisten für die LGBTQI*-Community Alessandro Zan, der den Text geschrieben hatte.

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Es soll das sogenannte Mancino-Gesetz erweitern. Danach kann rassistische, ethnische oder religiöse Diskriminierung mit bis zu 1,5 Jahren Gefängnis bestraft werden. Dieser Artikel soll um die Diskriminierung aufgrund von biologischem Geschlecht (Sex), sozialem Geschlecht (Gender), sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und Behinderung erweitert werden.

Wenn es zu Aufhetzung und Aufrufen zu Gewalt kommt, soll bis zu 4 Jahre Freiheitsentzug möglich sein. Bisher ist dies nur bei rassistischen Motiven möglich, auch dieser Artikel soll um die oben genannten Kategorien erweitert werden.

Zuletzt soll der 17. Mai zum nationalen Tage gegen Homo-, Bi- und Transphobie erklärt werden. Öffentliche Veranstaltungen und Thementage an Schulen sollen Menschen sensibler gegenüber der Problematik machen. Dem Gesetz wurde am 04. November bereits in der Abgeordnetenkammer zugestimmt. Doch um endgültig beschlossen zu werden, fehlt die Zustimmung des Senats. Der Vorsitzende der Justizkommission zögere die Abstimmung heraus, weil er das Gesetz nicht wolle, so der Vorwurf. Die Argumente des Politikers: Im Moment gäbe es wichtigere Dinge, etwa die Pandemie.

Forza Italia und Lega Nord wollen dem Gesetz nicht zustimmen

Außerdem habe das Gesetz das Potential, die Regierung zu spalten. Forza Italia und Lega Nord wehren sich vehement gegen das Gesetz. Sie haben bereits angekündigt, dem Text so nicht zuzustimmen. Sollte das Gesetz im Senat abgelehnt werden, müsste ein neuer Vorschlag nochmals in der Abgeordnetenkammer abgestimmt werden. Dieser Prozess würde erneut Wochen dauern.

Indes sind solche Initiativen in Italien keine Neuigkeit. „Wir haben keine Zeit mehr, seit 25 Jahren warten wir auf ein Gesetz gegen die Homo- und Transphobie“, so Luca Paldini, Gründer und Wortführer von „I sentinelli diMilano“, eine Organisation, die sich für die Rechte von Diskriminierten einsetzt.

Tatsächlich kam es seit 1999 zu mehreren erfolglosen Vorstößen im Parlament, die Rechte von Homosexuellen zu stärken. Der Vorsitzende der rechtspopulistischen Lega Nord Matteo Salvini bezeichnete das Gesetz zuletzt als „Angriff auf die Meinungsfreiheit“. So befürchten Parteien von Mitte bis Rechtsaußen, wegen Diskriminierung verurteilt zu werden, wenn sie sich öffentlich für ein traditionelles Familienbild aussprechen würden.

Nach dem Gesetzestext würde dies aber nicht möglich – nur die Aufhetzung zu Gewalt und Diskriminierung würde strafbar gemacht werden. Ein weiterer mächtiger Kritiker und Gegner des Gesetzes ist die Katholische Kirche. Besonders gegen die Unterscheidung zwischen biologischem Geschlecht (Sex) und sozialem Geschlecht (Gender) wehrt sie sich – die Unterscheidung zwischen Mann und Frau wäre dadurch nicht mehr gottgegeben, sondern konstruiert.

Sie befürchtet, der Beschluss würde „Gender-Ideologie“ verbreiten. Der Papst, dessen Wort in dieser Debatte schwer wiegen würde, hat sich bislang nicht geäußert. Nach dem Auftritt am ersten Mai bekam die Debatte eine zusätzliche Dimension. Der Künstler hatte behauptet, von der RAI um seine Texte gebeten worden zu sein.

Man hätte an ihn appelliert, die „Parteien und Namen wegzulassen und den Inhalt abzumildern.“, wie er erklärte. In seiner Rede las Fedez homophobe Zitate von verschiedenen Mitgliedern der Lega Nord vor. Die Rai stritt diese Vorwürfe ab: „Weder die Rai noch die Leitung von Rai3 haben jemals irgendeine Form von präventiver Zensur gegen einen Künstler des Konzerts betrieben.“

Am Abend des Konzerts belegte Fedez seine Vorwürfe allerdings mit einer Aufzeichnung des Telefonats, das er in sozialen Netzwerken verbreitete. Für die Fernsehsender war dies ein herber Schlag.

Francesco Schneider-Eicke

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