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Ehemaliger Landrat des Kreises Ahrweiler: Jürgen Pföhler (CDU).

© picture alliance/dpa/Arne Dedert

Update

Kein Prozess gegen Ex-Landrat: Ermittlungen nach Flutkatastrophe in Ahrtal mit 135 Toten eingestellt

Gegen Pföhler und den Leiter des Krisenstabs im Sommer 2021 stand der Verdacht der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen im Raum. Nun ist klar: Juristische Folgen gibt es nicht.

Entscheidung fast drei Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal in Rheinland-Pfalz: Der frühere Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), muss sich für die 135 Todesopfer nicht vor Gericht verantworten.

Der Leitende Koblenzer Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler sagte dem Südwestrundfunk am Donnerstag, die Ermittlungen gegen den inzwischen im Ruhestand befindlichen Politiker und gegen den Leiter des Krisenstabs in der Katastrophennacht würden eingestellt. 

Gegen die beiden beschuldigten Männer stand der Verdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen im Raum. Medienberichte und die umfassende Aufklärungsarbeit des Ahrtal-Untersuchungsausschusses im rheinland-pfälzischen Landtag konnten gravierende Mängel beim Krisenmanagement des Kreises während der Flutkatastrophe belegen. 

Landrat Pföhler hatte die Vorwürfe zurückgewiesen

Bei den Ermittlungen ging es um die Frage, ob durch anderes Handeln die Folgen zumindest teilweise hätten vermieden werden können. Der Abschluss verschob sich immer wieder. Grund dafür war ein umfangreiches Gutachten, mit dem sich auch ein Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz beschäftigte.

Pföhler hatte die Vorwürfe zurückgewiesen, wie sein Anwalt am Mittwoch noch einmal bestätigt hatte. Auch der Mitarbeiter hatte zuvor über seinen Anwalt bestritten, sich strafbar gemacht zu haben.

Extremes Ausmaß der Katastrophe sei nicht vorhersehbar gewesen

Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, dass es sich um eine außergewöhnliche Naturkatastrophe gehandelt habe, deren extremes Ausmaß für die Verantwortlichen des Landkreises Ahrweiler nicht konkret vorhersehbar gewesen sei. Zwar sei der Katastrophenschutz im Landkreis Ahrweiler unzureichend organisiert gewesen, und das Führungssystem des Katastrophenschutzes habe eine ganze Reihe von Mängeln aufgewiesen. „Die Verantwortung dafür trägt in erster Linie der politisch und administrativ gesamtverantwortliche ehemalige Landrat.“ Diese „durchaus beachtlichen Mängel“, die ein Gutachter festgestellt hat, begründeten aus Sicht der Staatsanwaltschaft aber keine Strafbarkeit.

„Es geht um die individuelle Schuld des Einzelnen. Wir haben nicht die Aufgabe, eine Naturkatastrophe als solche aufzuarbeiten, auch nicht das Katastrophenschutzsystem in seiner Gesamtheit“, erläuterte der Leitende Oberstaatsanwalt Mannweiler.

Die Ermittler hätten sich freimachen müssen von Emotionen, was angesichts des Ausmaßes der Katastrophe und des dadurch ausgelösten menschlichen Leids schwierig gewesen sei. „Die Staatsanwaltschaft hat nicht darüber zu befinden, ob im vorliegenden Fall jemand charakterlich versagt hat“, sagte Mannweiler. Es sei auch nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, politische Verantwortung zu bewerten oder ein moralisches Werturteil zu fällen. „Ob jemand in einer Krise standhaft ist, Haltung bewahrt, Verantwortung übernimmt, führungsstark ist, Aufopferungsbereitschaft zeigt, eine Leuchtturmfunktion für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernimmt, das ist eine Frage des Charakters und der Persönlichkeit.“ 

Der damalige Landrat Pföhler war seit August 2021 krankheitsbedingt nicht mehr im Dienst und wurde im Oktober 2021 schließlich auf eigenen Antrag wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

Starke Regenfälle hatten Mitte Juli 2021 katastrophale Überschwemmungen an Flüssen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ausgelöst.

Durch die Flutkatastrophe im Sommer 2021 starben in Rheinland-Pfalz 136 Menschen, 135 davon in der Ahr-Region und einer im Raum Trier. Ein Mensch wird noch immer vermisst. Hunderte Menschen wurden verletzt. Tausende Häuser wurden zerstört, Straßen und Brücken weggespült. (AFP, epd, dpa)

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