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Donald Trump während einer Wahlkundgebung im Mai 2016.

© REUTERS

Donald Trump: Keine sehr amerikanische Freakshow

Donald Trump repräsentiert eine weitere Stufe der Europäisierung Amerikas – einer Politik, die sich aus ethnischem Hass und Demagogie speist. Ein Essay.

Ein Essay von Jacob Heilbrunn

Ein Gespenst versetzt Washington in Angst und Schrecken – das Gespenst Donald Trump. Nachdem er monatelang von seinen Gegnern und Kritikern als Promi-Depp abgetan worden war – der Wunsch war hier Vater des Gedankens –, steht Donald Trump davor, von der Republikanischen Partei als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im November nominiert zu werden. Er hat eine eindrucksvolle Vorstellung abgeliefert, die zu gleichen Teilen auf Getöse und kühle Kalkulation setzte. Trump beleidigte, er war sarkastisch, er nutzte die sozialen Medien und vertraute auf seine Stärke in den Rede-Duellen. Unaufhaltsam erledigte er so seine Konkurrenten in den Vorwahlen der Republikaner, einen nach dem anderen, von Jeb Bush, dem ehemaligen Gouverneur Floridas („leere Batterie“) zu Senator Marco Rubio („der kleine Marco“).

Schon jetzt, verkündet Trump, habe der Wahlkampf gegen Hillary Clinton begonnen. Dabei geht durch die Republikaner ein Riss: Die einen blicken auf ihn mit Horror, die anderen versuchen, bei ihm anzuheuern. Einige Republikaner wie Rick Perry, der ehemalige Gouverneur von Texas, sind enthusiastische Unterstützer Trumps; andere wie Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses, der sich am vergangenen Donnerstag mit Trump traf, lehnen es ab, ihn offiziell zu unterstützen und setzen auf eine Politik der friedlichen Koexistenz. Die Frage, die sich traditionelle Konservative stellen, ist sehr einfach: Ist Trump wirklich ein Konservativer, oder tut er nur so, um sich die Nominierung zu sichern?

Trumps populistische Kritik an den Großunternehmen, weil sie Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, und seine Verteidigung großer Sozialstaatsprogramme wie Social Security wecken bei einigen Konservativen das Misstrauen, Trump könnte ein Trojanisches Pferd sein. Im Bundesstaat Indiana prangerte er die Reichen an, die „gegen das Land wetten“ würden, und sagte: „Ganz offen, ich mag die Reichen nicht.“

Der Kolumnist George F. Will warnt schon vor den „konservativen Quislingen“, den Opportunisten, die ins Trump-Lager wechseln könnten. Gleichzeitig strotzen Trump und seine Anhänger vor Selbstvertrauen. Auf CNN erklärte zum Beispiel der Radiomoderator und Trump-Unterstützer John Phillips: „Diese Konstellation ist sehr gefährlich für Hillary Clinton. Um die Wahlen zu gewinnen, muss Donald Trump den Wählern beweisen, dass er nicht Adolf Hitler ist, was ihm nicht schwer fallen sollte.“

Die Sorge der Demokraten ist, Trump nicht ernst genug zu nehmen

Immer häufiger werden Vergleiche zwischen dem heutigen Amerika und dem Weimar von damals angestellt – und zwischen Trump, der Tweets mit Zitaten von Mussolini verschickt, und dem Faschismus. Der Blogger Andrew Sullivan sagt im „New York Magazine“, dass „Amerika ein Nährboden für die Tyrannei“ sei. Andere weisen darauf hin, dass Trump sich ursprünglich geweigert hatte, im Fernsehen den ehemaligen Ku-Klux-Klan-Grand-Wizard und Neonazi David Duke zu verurteilen. Trump setzt auch auf Rocker-Gangs, um seine wilden Wahlkampfveranstaltungen zu sichern, auf denen Protestierende gerne mal aufgemischt werden.

Aber nichts davon scheint dem Aufstieg von Trump entgegenzustehen. Die kaum unterdrückte Sorge der Demokraten ist, dass Trump, der schon vor den Vorwahlen der Republikaner nicht ernst genommen wurde, bei den Wahlen im Herbst erneut unterschätzt wird. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Rasmussen sieht Trump – zum ersten Mal – in einem direkten Vergleich mit Hillary Clinton vorn. Kann der New Yorker Milliardär also wirklich am 20. Januar 2017 den Amtseid leisten und der Oberste Befehlshaber der mächtigsten Nation der Welt werden?

Die Chancen, dass es einen Präsidenten Trump geben wird, sind nicht hoch. Die Europäer reden über die multikulturelle Gesellschaft, Amerika ist eine. Laut des amerikanischen Statistischen Bundesamts ist die Mehrheit der Babys, die geboren werden, nicht-weiß. 2044 werden die Weißen eine Minderheit darstellen. 2012 spielten die Hispanics, die am schnellsten wachsende Minderheit des Landes, eine entscheidende Rolle bei der Wiederwahl von Barack Obama: Unter den Hispanics stimmten 71 Prozent für Obama, 27 Prozent für Mitt Romney. Nach der Wahl veröffentliche das Republican National Committee einen 100-seitigen Bericht zum Umgang mit Minderheiten: „Wir müssen uns um die Hispanics, Schwarzen, Asiaten und schwulen Amerikaner bemühen und deutlich machen, dass auch sie uns am Herzen liegen. Wir brauchen mehr Kandidaten, die in den Minderheitengemeinschaften verwurzelt sind. Aber es geht nicht nur um den Ton. Die Politik ist immer entscheidend.“

Die Rache der Unterdrückten

Trump steuert in die vollkommen entgegengesetzte Richtung. Seine Strategie besteht nicht darin, Spannungen aufzulösen – sondern sie anzufachen. Er ist der Zauberlehrling der Republikanischen Partei, das Produkt ihrer jahrzehntelangen Ausbeutung von Ressentiments der weißen Arbeiterklasse und deren Gefühl, gegenüber anderen Minderheiten und Einwanderern benachteiligt zu werden. Jahrelang hat die republikanische Elite die Behauptung von Sarah Palin und Trump mitgetragen, Obama sei in Wahrheit ein Muslim, der nicht in den USA geboren worden sei.

Jahrzehntelang haben die republikanischen Partei-Führer so getan, als ob sie sich für die Interessen der Arbeiter einsetzen würden, ohne wirklich etwas für sie zu tun. Sie konzentrierten sich auf Steuersenkungen für Wohlhabende, während die verarbeitende Industrie Arbeitsplätze ins Ausland verlagerte. Sie redeten davon, die illegale Einwanderung zu stoppen, taten aber nichts dagegen, weil das Angebot an billigen Arbeitskräfte republikanischen Unternehmern zupass kam. Gleichzeitig entwickelte sich die Tea Party zu einer Apo, einer außenparlamentarischen Opposition, die die republikanischen Führer dazu zwang, die Stilllegung der Regierung durchzusetzen. Aber aus dem Versuch, die Regierung vom Regieren abzuhalten, ist nie etwas herausgekommen. Nun kommt die Rache der Unterdrückten, mit ihrem Tribun Trump an der Spitze.

Trump ist ein Gegner der Chancengleichheit

Viele Europäer verfolgen Donald Trumps Aufstieg mit einer Mischung aus Verblüffung und Bestürzung. Sie machen vor allem Amerika für das Phänomen Trump verantwortlich. Aber Trump ist keine besonders amerikanische Freakshow. Ganz im Gegenteil. Mr. Trump, wie er genannt werden möchte, sollte den Europäern nicht fremd vorkommen – sondern frappierend bekannt. Viele der Themen, mit denen Trump hausieren geht, werden von populistischen Politikern in Europa beackert. Die „Alternative für Deutschland“, die erklärt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, unterscheidet sich wenig von Trumps Methode, die Muslime zu verleumden. Trump, könnte man sogar sagen, ist ein moderner Karl Lueger, der Wiener Bürgermeister zwischen 1897 bis 1910 und Antisemit. Er repräsentiert eine weitere Stufe der Europäisierung Amerikas – einer Politik, die sich aus ethnischem Hass und Demagogie speist und mit einer reichlichen Dosis Selbstmitleid gewürzt ist.

Donald Trumps Trotzigkeit wird nirgendwo deutlicher als in seiner Außenpolitik. „China vergewaltigt unser Land“, tönt er. Ein neuer Dolchstoß. Solche Töne unterscheiden sich wenig von dem verletzten Nationalismus, der in der Weimarer Zeit brodelte. Alles, was zum vollständigen Bild fehlt, ist ein Versailler Vertrag und eine Kriegsschuldklausel. Ungewollt wurde Trumps Siegeszug befördert durch die katastrophale Bilanz der republikanischen Außenpolitik in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Trump will keine Befreiungskriege, er will auch die Verbreitung der Demokratie im Rest der Welt nicht vorantreiben. Den Irakkrieg nennt er unverblümt eine Lüge. Während der republikanischen Debatte vor der Vorwahl in South Carolina verspottete er George W. Bush dafür, Amerika nicht vor dem 11. September geschützt zu haben. So attackiert er die zentralen Mythen der modernen Republikanischen Partei, die sich auf das Erbe von Bush und dessen Vize Dick Cheney beruft.

Aber Trump ist Gegner der Chancengleichheit. Er versucht zudem einen Blitzkrieg gegen Hillary Clinton zu führen, indem er sie als eine gefährlich naive Interventionistin darstellt. Er attackiert sie sowohl dafür, 2003 für den Irakkrieg gestimmt zu haben, als auch dafür, den Nato-Krieg gegen Libyen 2011 unterstützt zu haben. Im Rückblick waren beide Kriege ein Desaster. Der zweite verschlimmerte die Fehler des ersten. Durch den Sturz Muammar Gaddafis destabilisierte die Nato Syrien, weil radikale Islamisten so Waffen von Libyen nach Syrien liefern konnten. Das Ergebnis ist eine Katastrophe.

Die Republikaner hat er schon jetzt radikal verändert

Trump hat für Idealismus nichts übrig. In seiner umfassenden Rede zur Außenpolitik vor einigen Tagen im Mayflower Hotel in Washington brachte Trump seine steinharte Abneigung supranationaler Institutionen wie der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union zum Ausdruck. Er klang dabei wie Bismarck: „Keine Nation hat Erfolg gehabt, die nicht zuerst die eigenen Interessen verfolgt hat.“ Und er fügte hinzu: „Wir werden dieses Land und seine Bevölkerung nicht weiter dem falschen Gesang der Globalisierung ausliefern.“

Trumps außenpolitisches Credo ist ein strenger Realismus und das Ziel eine Welt, in der die großen Mächte ihre Einflusssphären abstecken, um eine Balance der Kräfte herzustellen. Seine offene Geringschätzung der Nato und von Allianzen mit Japan und Südkorea lassen keinen Zweifel an seiner Position als amerikanischer Unilateralist. Er würde vermutlich die Ukraine und die baltischen Staaten Russland überlassen. China hätte freie Hand im Südchinesischen Meer.

„Ich habe eine Riesenmenge Geld gemacht“

Vergangene Woche erklärte Trump auf CNN, warum tatsächlich niemand besser Außenpolitik betreiben könne als er: „Ich habe eine riesige Firma aufgebaut“, sagte er, „und ich mache Geschäfte mit Führern überall auf der Welt. Jetzt gerade werden hunderte Deals auf der ganzen Welt von meiner Firma verhandelt, ich mache Geschäfte mit Präsidenten und ich mache Geschäfte mit Premierministern. Ich mache Geschäfte mit allen. Ich habe wahrscheinlich mehr Erfahrung als so gut wie jeder, der dieses Amt will, und ich verdiene Geld. Ich habe dabei eine Riesenmenge Geld gemacht. Ich habe eine gewaltige Firma aufgebaut und viel Geld gemacht.“ Kurz darauf gab er, nach der amerikanischen Beziehung zu China befragt, diese Perle der Weisheit zum Besten: „Vielleicht sind wir ohne diese Partnerschaft besser dran.“

So erinnert Trumps Vorgehensweise insgesamt an jene Einstellung, die in Saul Bellows Roman „Herzog“ Ausdruck verliehen wird: „Sollte ich den Verstand verliere, hätte ich keine Einwände.“ Kein Wunder, dass der Gedanke an eine Trump-Präsidentschaft die Eliten von Washington in Panik versetzt. Donald Trump will die politische Klasse nicht einfach verändern; er will sie zerstören. Wenige verkörpern diese Klasse besser als Hillary Clinton – wegen ihrer Beziehungen zur Wall Street und zum außenpolitischen Establishment. „Ich werde die ,Unehrliche Hillary Clinton’ am 8. November 2016 besiegen“, versprach Trump vor eine paar Tagen auf Twitter. Es ist unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. Aber auch wenn er Clinton im November nicht besiegt, hat Trump die Republikanische Partei so radikal verändert, dass dieser populistische Gauner in vielerlei Weise bereits als Sieger dasteht.

Der Autor ist Chefredakteur des „National Interest“ in Washington.
Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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