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Ukrainische Soldaten im Donbass

© AFP/Aris Messinis

Krieg in der Ukraine: Kiew warnt vor Russlands Artillerie-Übermacht – die Lage im Überblick

Der ukrainische Außenminister hofft schnell auf mehr Waffen. Im Osten der Ukraine greifen russische Truppen vehement an. Die Lage im Überblick.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht sein Land vor der historischen Möglichkeit, EU-Beitrittskandidat zu werden, warnt aber zugleich vor schweren Kämpfen. „Morgen beginnt eine wahrlich historische Woche, wenn wir von der Europäischen Union die Antwort zum Kandidatenstatus der Ukraine hören“, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht zum Montag. Es sei aber deswegen auch mit einer gezielten Verschärfung der russischen Aggression zu rechnen, warnte er.

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Im Osten der Ukraine gehen die heftigen Kämpfe derweil weiter.

Die Ereignisse im Überblick:

  • Nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj wird Russland seine Angriffe in dieser Woche angesichts der Beratungen über das Beitrittsgesuch der Ukraine zur Europäischen Union (EU) verstärken. „Diese Woche sollten wir von Russland eine Intensivierung seiner feindlichen Aktivitäten erwarten“, sagt Selenskyj in seiner Videoansprache am Sonntagabend. „Wir sind bereit.“ Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU werden die Frage auf einem Gipfel am Donnerstag und Freitag erörtern. Es wird erwartet, dass sie den Antrag der Ukraine trotz Bedenken einiger Mitgliedstaaten befürworten werden. Der Beitrittsprozess könnte sich über mehrere Jahre hinziehen.
  • Kurz vor dem EU-Gipfel hat sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen überzeugt geäußert, dass die Ukraine den Kandidatenstatus bekommen wird. „Ich gehe fest davon aus, dass wir einen positiven Bescheid kriegen, Unterstützung kriegen, die Weichen sind jetzt gestellt“, sagte von der Leyen. „Natürlich ist das eine historische Entscheidung, die auch der Europäische Rat jetzt treffen muss, aber die Vorbereitungen sind gut“, sagte sie und fügte hinzu: „Ich bin zuversichtlich.“
  • Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte in puncto Waffenlieferungen, er hoffe, dass Deutschland mehr tun könne und mehr tun werde. Der Krieg mit Russland sei jetzt ein Artilleriekrieg, sagt Kuleba in der ARD-Sendung „Anne Will“. Die russischen Truppen hätten bei Artilleriewaffen eine Übermacht von 15:1. Deshalb brauche die Ukraine hier dringend Waffen wie Artillerie-Systeme, Flugabwehrgeräte und Raketensysteme. Je früher die Waffen kämen, desto größer sei die Hilfe und desto weniger Menschen würden sterben.
  • Die Ukraine würde auch im Falle eines Endes westlicher Waffenlieferungen den Kampf gegen Russland weiterführen, sagte Kuleba. „Wenn wir keine Waffen erhalten, in Ordnung, dann werden wir mit Schaufeln kämpfen, aber wir werden uns verteidigen, denn dieser Krieg ist ein Krieg um unsere Existenz“, sagte der ukrainische Außenminister. „Je früher wir also Waffen erhalten, je früher sie gesendet werden, desto größer ist die Hilfe für uns. Wenn Waffen später geschickt werden, werden wir nach wie vor „danke“ sagen, aber dann wird viel verspielt sein, viele Menschen werden gestorben sein.“
  • Die Kämpfe gehen derweil vor allem im ostukrainischen Donbass mit voller Härter weiter. Die Ortschaften im Umkreis der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk stehen weiterhin unter intensivem russischem Beschuss. Die ukrainischen Streitkräfte erklärten am Sonntag, es sei ihnen gelungen, die Russen um Sjewjerodonezk zurückzudrängen. In einem Post im Online-Netzwerk Facebook verwies die ukrainische Armee auf einen Erfolg in der Gegend um Toschkiwka. Laut Kiew "stürmen" russische Kräfte hingegen in Richtung des Dorfs Orichowe.
  • Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Sonntag, es habe ein Treffen hochrangiger ukrainischer Militärs mit Raketen angegriffen und dabei „mehr als 50 Generäle und Offiziere“ getötet. Zudem sei durch russischen Beschuss in der Stadt Mikolajiw ein Gebäude zerstört worden, in dem vom Westen gelieferte Waffen gelagert gewesen seien, darunter zehn Haubitzen und rund 20 gepanzerte Fahrzeuge. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.
  • Russische Oligarchen und Einrichtungen haben infolge der europäischen Sanktionen Zugriff auf Luxusjachten, Hubschrauber, Gemälde, Immobilien und andere Vermögen im Wert von mehr als 12,5 Milliarden Euro verloren. „Der Betrag der eingefrorenen Vermögen von russischen Oligarchen hat sich nahezu verdoppelt von 6,7 Milliarden Euro im April auf aktuell etwas mehr als 12,5 Milliarden Euro“, sagte der Sprecher für Justizfragen und Rechtsstaatlichkeit der EU-Kommission, Christian Wigand, der Zeitung „Welt“. Der steile Anstieg der eingefrorenen Vermögen sei maßgeblich auch darauf zurückzuführen, dass in den vergangenen Wochen besonders in Deutschland zahlreiche Vermögenswerte ausfindig gemacht und gesperrt wurden, zitiert das Blatt aus Kreisen der EU-Kommission, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

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Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) will Entwicklungsländer langfristig unabhängiger von Getreideimporten machen. „Diese Hungerkrise ist nicht in ein paar Wochen vorbei, sondern wird uns Jahre herausfordern“, sagte Schulze der „Welt“. Zunächst müsse nun schnelle Hilfe für Länder organisiert werden, die schon unter den Folgen ausbleibender Lieferungen aus Russland und der Ukraine litten.

„Auf Dauer aber hilft es nur, dass die betroffenen Länder wieder in die Lage versetzt werden, mehr selbst zu produzieren, und zwar klimaangepasst und nachhaltig“, sagte Schulze. Bislang würden sich viele Länder auf einzelne Lieferanten verlassen und neben Weizen, Mais und Reis zu wenig auf Vielfalt setzen. Das räche sich nun. Auf dem bevorstehenden G7-Gipfel im bayerischen Elmau will Schulze entsprechende Maßnahmen auf den Weg bringen.

Das bringt der Tag:

Der Krieg in der Ukraine und die Unterstützung für das von Russland angegriffene Land stehen im Mittelpunkt eines Gipfeltreffens und Wirtschaftsforums der Staaten der sogenannten Drei-Meeres-Initiative. Zu der 2015 von Polen und Kroatien ins Leben gerufenen Gruppe gehören zwölf EU-Staaten in Mittel- und Osteuropa zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer. Das zweitägige Treffen, das am Montag (13.00 Uhr) beginnt, findet in der lettischen Hauptstadt Riga statt.

In Luxemburg tagen derweil die EU-Außenminister. Auch bei diesem Treffen soll es maßgeblich um die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine gehen. (dpa, Reuters)

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