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Gleichzeitig arbeiten und auf die Kinder aufpassen. Eine Mutter mit Ihrem Sohn.

© imago/Westend61

Kinder und die Corona-Pandemie: Wir müssen die Stimme der Jüngsten auch abseits von Krisen hören

Zumutungen kann man auch mal bewusst wahrnehmen. Vielleicht gelingt es uns dann, wichtige Erfahrungen mit Kindern in die Post-Corona-Welt hinüberzuretten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Moritz Honert

Hurra! Endlich Ferien! Ah, Moment: Es herrscht ja Pandemie. Mit dem Start der Osterferien hat sich die Situation für Millionen Eltern in Deutschland, die sich schon seit drei Wochen im permanenten Ausnahmezustand befinden, nochmals verschärft. Denn nicht nur aus den Kinderzimmern erschallt die Frage: Und was machen wir jetzt?

Plötzlich wird häusliche Gewalt ein Thema.
Plötzlich wird häusliche Gewalt ein Thema.

© imago images/photothek

Ferien ohne Ferien – das ist für Eltern die nächste Herausforderung. Die geplanten Flüge wurden gestrichen, alle Hotel-Buchungen storniert. Wohin nun mit den Kindern und Jugendlichen? Die Spielplätze sind zu, die Fußballfelder geschlossen, die Schwimmbäder dicht.

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Manch einer wünscht sich da schon die Schulaufgaben zurück, die bei allem Stress den vergangenen Tagen eine Struktur und den Kindern manche Anregung geboten haben. Nun müssen Eltern ohne fremde Angebote selbst was draus machen. Das fühlt sich für viele nicht erholsam an.

In der Corona-Krise fehlt die Stimme der Kinder

Deutschland muss sich in der Coronakrise komplett umstellen. Doch im oft gehörten Wehklagen über die momentane Situation fehlt eine Stimme komplett. Ausgerechnet die jener Gruppe, die systemrelevanter ist als alle Kinobetreiber, Kneipiers und Fluggesellschaften zusammen, die aber keine laute Lobby hat: die der Kinder. Was umso dramatischer ist, weil uns diese Pandemie gerade deutlich vor Augen führt, wie sträflich wir ihre Bedürfnisse und Sorgen in den vergangenen Jahrzehnten ignoriert haben.

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Plötzlich fällt der Gesellschaft auf, dass Lehrer-Sein kein bezahlter Urlaub ist, wie gern mal gespöttelt wird, sondern ein Knochenjob. Dass die Anleitung zum Lernen einer Menge Vorbereitung, Motivation und Aufwand bedarf.

Kinder werden in der Kita nicht nur verwahrt

Warum fehlen dann allein in Berlin 1000 Pädagogen? Im Schuljahr 2017/ 2018 mussten für mehr als elf Prozent der Unterrichtsstunden Vertretungen gesucht werden. Nicht immer gelang das. Nun müssen die Eltern neben ihrer eigenen Arbeit selber ran.

Im Homeoffice wird vielen auch stärker bewusst, dass Kinder in der Kita nicht nur verwahrt werden. Dass die Förderung von Kreativität und das Eintrainieren von sozialem Miteinander Kraft kostet (und manchmal ganz schön auf die Ohren gehen kann).

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Wenn gute Erziehung und soziale Bildung von Kindern so systemrelevant sind, warum werden Erzieherinnen dann so viel schlechter bezahlt als Anwälte? Ein Berufsstand, der übrigens nicht zu den systemrelevanten gezählt wird.

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Auch die Infrastruktur muss mehr an ihren kleinsten Nutzerinnen und Nutzern ausgerichtet werden. Wenn Bewegung für Kinder so wichtig ist, warum waren schon vor Beginn der Einschränkungen in Berlin Dutzende Spielplätze wegen Bauschäden wochen- und monatelang geschlossen? Wenn die Sicherheit von Kindern so relevant ist, warum bieten ihnen zugestellte Fuß- und zugeparkte Straßenwege so wenig Platz und Schutz?

Neue Perspektiven auf das Zuhausebleiben

Jetzt, da Kinder daheim mit ihren Erziehungsberechtigten eingesperrt sind, denkt die Gesellschaft endlich auch wieder laut über Gewalt in Elternhäusern nach, über Vernachlässigung. Wie viele Kinder werden in diesen Tagen nicht satt? Doch während wir darüber sprechen, sind weiter 113 Sozialarbeiterstellen in Berlins Jugendämtern unbesetzt.

Welche Lehren lassen sich aus der Corona-Zeit und unserem Umgang mit Kindern ziehen? (Symbolbild)
Welche Lehren lassen sich aus der Corona-Zeit und unserem Umgang mit Kindern ziehen? (Symbolbild)

© Herwin Bahar/ZUMA Wire/dpa

Und ja, plötzlich müssen wir uns auch eingestehen, dass die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familienleben nie so richtig funktioniert hat. Auch im Homeoffice muss ständig einer zurückstecken. Was immerhin den Vorteil haben dürfte, dass viele Vollblut-Karrieristen, die bis dato bestenfalls zum Gute-Nacht-Geschichte-Lesen nach Hause kamen, mal live und in Farbe erleben, was diese ominöse Care-Arbeit eigentlich ist, von der man immer so hört. Das bisschen Haushalt? Macht sich mitnichten von alleine.

Statt also über neue Zumutungen zu jammern, sollten wir sie bewusst wahrnehmen. Dann kann es uns gelingen, diese wichtigen Erfahrungen mit Kindern in die Post-Corona-Welt hinüberzuretten. Eine Welt, in der wir es besser machen können, weil wir es spätestens jetzt alle besser wissen. Eine Welt, in der Kinder und ihre Bedürfnisse wieder sichtbarer sind.

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