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Korruptions-Ermittlungen: Schockierte EU-Parlamentarier
Das Europaparlament steht nach der Festnahme ihrer Vize-Präsidentin unter Schock. Manche befürchten, der Fall könnte nur die Spitze eines Eisberges sein.
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Der Korruptionsskandal im Europaparlament droht sich auszuweiten. Im Zuge der Ermittlungen hat die belgische Polizei am Montagnachmittag Räumlichkeiten des Parlaments in Brüssel durchsucht. Ziel der Durchsuchungen sei es gewesen, die Daten elektronischer Geräte aus den Büros von zehn Abgeordneten sicherzustellen, erklärte die Bundesstaatsanwaltschaft.
Die seit Sonntag in Untersuchungshaft befindliche Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili soll demnach am Mittwoch erstmals zu einer gerichtlichen Anhörung erscheinen. Mit sitzen noch drei weiteren Verdächtigen in Belgien in Untersuchungshaft.
Zur selben Zeit tagten am Montag die Europaabgeordneten in Straßburg. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zeigte sich geschockt von den Vorwürfen. Sie kündigte zur Eröffnung der Plenarsitzung ein Amtsenthebungsverfahren gegen Eva Kaili an. Eine interne Untersuchung der Vorfälle solle folgen. Zudem sagte Mestola, dass der Zugang zum Europaparlament reformiert werden soll. Vor allem sollen Treffen mit Vertretern von Nicht-EU-Staaten transparenter gemacht werden.
Die Ermittler werfen der Politikerin Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchte Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar vor. Es besteht der Verdacht, dass das Land mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versucht haben soll, die Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Am Freitag gab es deswegen 16 Durchsuchungen und fünf Festnahmen - darunter war auch Eva Kaili. Fahnder sollen in der Brüsseler Wohnung der Spitzenpolitikerin ganze Säcke mit Bargeld gefunden haben.
Der Absturz der 44-Jährigen ist atemberaubend. Aus der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament (S&D) wurde Eva Kaili nur Stunden nach Bekanntwerden der Verhaftung ausgeschlossen. Zuvor hatte in Athen die sozialistische Partei Griechenlands (Pasok), deren Mitglied die Politikerin ist, ihren Rauswurf aus der Partei verkündet. Zudem wurden in Griechenland die Vermögenswerte EU-Politikerin eingefroren.
Noch im Laufe der Woche könnte Kaili abgesetzt werden
Am Montag verkündete die Fraktionsführung der Sozialdemokraten, dass die ehemalige Fernsehmoderatorin als Vizepräsidentin ersetzt werden müsse. Über einen solchen Antrag muss zunächst die sogenannte Konferenz der Präsidenten entscheiden, in der neben der Präsidentin Roberta Metsola auch die Vorsitzenden der Fraktionen sitzen. Anschließend muss das Plenum des Parlaments mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Ein informelles Treffen der Konferenz der Präsidenten war bereits am Montagnachmittag durchgeführt worden, an diesem Dienstag soll eine formelle Runde folgen. Noch im Laufe der Woche könnte Kaili dann abgesetzt werden.
Rasmus Andresen, Sprecher der Europagruppe der Grünen, sagte am Montag, dass das gesamte Parlament nach den Enthüllungen dieses Wochenendes unter Schock stehe. „Wichtig aber ist, dass dieser politische Schock auch zu konkreten Handlungen führt“, erklärte er. Es müsse nun über Konsequenzen für das ganze Parlament gesprochen werden, „und nicht nur über Konsequenzen für die direkt Betroffen“. Dazu zählt Andresen etwa, dass Eva Kaili ihr Mandat im Europaparlament niederlegt. Das Parlament selbst müsse nun als Reaktion den Kampf gegen die Korruption und für die Transparenz verstärkt aufnehmen, forderte der Grünen-Politiker.
Seine Fraktion werde dazu ein Maßnahmenpaket vorlegen, wozu zum Beispiel auch das konsequente Offenlegen von Kontakten der EU-Politiker zu Lobbygruppen gehöre. Zudem geht er davon aus, dass so schnell wie möglich ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird. Aber Andresen gibt sich keiner Illusion hin und räumt ein, dass „es Jahre dauern wird, bis sich das Parlament von diesem Schaden erholt hat“.
Auch Vize-Kommissionspräsident Schinas rückt in den Fokus
Viele der Abgeordneten befürchten auch, dass sich der Skandal in den nächsten Tagen noch ausweiten könnte. „Es ist wahrscheinlich, befürchte ich, sogar nur die Spitze des Eisbergs, was wir hier zu sehen bekommen haben“, vermutet der Karlsruher EU-Abgeordnete René Repasi (SPD).
Genährt werden solche Vermutungen auch dadurch, dass am Wochenende nach den ersten Festnahmen die Ermittler auch das Haus eines weiteren Europa-Abgeordneten durchsucht haben. Der belgische Sozialdemokrat Marc Tarabella weist aber alle Verstrickungen in den Skandal weit von sich. Seine Partei teilte mit, Tarabella vor ein parteiinternes Gremium zitiert zu haben.
Inzwischen ist auch der griechische Vizekommissionspräsident Margaritis Schinas ist in den Fokus gerückt. Der für Migration zuständige Kommissar hatte Katar gemeinsam mit Kaili zur Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft im November besucht und Regierungsmitglieder getroffen.
Ähnlich wie seine Landsfrau, sparte er danach nicht mit Lob für das Land. In einem Tweet schrieb er, Katar habe „beträchtliche und greifbare Fortschritte bei den Arbeitsreformen erzielt, die auch nach der Fußballweltmeisterschaft 2022 fortgesetzt und wirksam umgesetzt werden müssen“. Von der Leyen antwortete am Montag auf Fragen nach einer möglichen Verwicklung ihrer EU-Kommission in den Skandal ausweichend. „Wir haben sehr klare Regeln für alle Kommissare und schauen uns das an“, sagte sie.
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