
© dpa/Jens Büttner
Kraftwerk, Klinikum, Landtag: Drohnen über Schleswig-Holstein spähten offenbar kritische Infrastruktur aus
Ende der vergangenen Woche wurden auch im Norden Deutschlands verdächtige Flugobjekte gesichtet. Einem Medienbericht zufolge handelte es sich eindeutig um Spionage.
Stand:
Seit Tagen lösen immer neue Sichtungen von Drohnen über Dänemark und Norwegen auch in anderen EU- und Nato-Staaten Aufregung und Verunsicherung aus. Zwar ist unklar, wer hinter den Aktivitäten steckt, Experten gehen aber davon aus, dass es sich um gezielte Attacken Russlands handelt.
Vor einer Woche überflogen in der Nacht zu Freitag mehrere Drohnen auch Schleswig-Holstein. Dies bestätigte die Innenministerin des Bundeslandes, Sabine Sütterlin-Waack.
„Unter anderem aufgrund der jüngsten Vorkommnisse in Dänemark und anderen europäischen Ländern befindet sich Schleswig-Holstein mit Bund und Bundeswehr in intensiver und fortlaufender Abstimmung“, sagte die CDU-Politikerin. Dabei werde auch dem Verdacht auf Spionage- und Sabotage nachgegangen.
Drohnen offenbar auch über Marine-Werk
Einem Medienbericht zufolge sollen die Drohnenflüge in Norddeutschland brisanter gewesen sein als bisher bekannt. Der „Spiegel“ berichtete am Mittwoch, dass die Behörden dem Verdacht nachgehen, dass die unbemannten Flieger gezielt Einrichtungen der kritischen Infrastruktur überflogen, um diese zu vermessen. Ziel seien ein Kraftwerk, das Universitätsklinikum Kiel und der Sitz der Landesregierung gewesen. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete, diese Angaben deckten sich mit ihren Informationen.
Wir wissen auch noch nicht genau, wo sie wirklich herkommen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie aus Russland kommen.
Friedrich Merz, Bundeskanzler (CDU)
Wie es im Magazin weiter heißt, schwebten einem internen Behörden-Vermerk am Donnerstag kurz nach 21 Uhr zunächst zwei kleine Drohnen über dem Werksgelände der Marinesparte von Thyssenkrupp. Kurz darauf sei über dem Universitätsklinikum ein „Drohnenverbund mit Mutterdrohne“ gesichtet worden. Eine ähnliche Formation wurde demnach auch über dem Küstenkraftwerk und am Nord-Ostsee-Kanal beobachtet.
Über der Kieler Förde wurden demnach später eine große stationäre Drohne und mehrere kleine Flugobjekte beobachtet. Das Magazin schreibt unter Berufung auf Sicherheitskreise weiter, auch der Sitz des Landtags, das Landhaus, sei überflogen worden.
In dem Vermerk heißt es demnach weiter, die Landespolizei habe beobachtet, dass die Drohnen-Formationen in parallelen Bahnen flogen, um die Einrichtungen am Boden zu vermessen, große Teile des Nord-Ostsee-Kanals von Ost nach West seien überflogen worden.
Weitere Vorfälle mit Drohnen in Deutschland
Die Sichtung über Schleswig-Holstein war demnach nicht der einzige sicherheitsrelevante Vorfall mit Drohnen vergangene Woche. Ebenfalls am Donnerstag seien verdächtige Drohnen über dem Bundeswehrstandort Sanitz in Mecklenburg-Vorpommern gesichtet worden, einen Tag später habe es einen ähnlichen Vorfall über dem Marinekommando in Rostock gegeben.
Die Sichtungen ähneln den Vorgängen in Dänemark, wo kürzlich auch größere Drohnen aufgetaucht waren. Der Betrieb von Flughäfen musste zeitweise eingestellt werden. Die dänischen Behörden schlossen einen Zusammenhang mit Provokationen aus Russland nicht aus.
Seit den Drohnensichtungen ist auch in Deutschland eine intensive Debatte darüber entbrannt, wie mit der neuen Bedrohung umgegangen werden soll. Sicherheitsexperten warnen davor, dass die kritische Infrastruktur in Deutschland nicht ausreichend geschützt ist.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte am Montagabend bei einer Veranstaltung der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf, es gebe Überflüge etwa über die kritische Infrastruktur in Dänemark oder auch in Schleswig-Holstein.
„Wir wissen auch noch nicht genau, wo sie wirklich herkommen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie aus Russland kommen.“ Die Bundesregierung wolle daher das Luftsicherheitsgesetz ändern, damit die Bundeswehr gegebenenfalls der Polizei Amtshilfe leisten könne.
Merz verwies aber auf die Probleme beim Abschuss von Drohnen: „Selbst wenn wir jetzt optimal vorbereitetet wären, wir sind ein dichtbesiedeltes Land.“
Acht Meter breite Drohnen ließen sich nicht einfach vom Himmel holen, die dann womöglich in einem Vorgarten, einem Kindergarten oder in ein Krankenhaus stürzen würden. „Da müssen wir schon ein bisschen aufpassen, was wir da machen. Am besten lassen wir sie gar nicht erst in den europäischen Luftraum.“
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte von einer gestiegenen Gefahr für die Sicherheit in Deutschland gesprochen und den Aufbau eines neuen Drohnenabwehrzentrums angekündigt.
Bundeswehr, Bundespolizei und Landespolizei müssen jetzt sehr schnell gemeinsame Lösungen finden, um solche Drohnenüberflüge zukünftig unterbinden zu können.
Christopher Vogt, FDP-Landesvorsitzender
Vor dem Hintergrund von Drohnenüberflügen in Dänemark und Schleswig-Holstein forderte die FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein von Bundes- und Landesregierung mehr Zusammenarbeit und Tempo. „Unser Land und seine Verbündeten sind zunehmend perfiden hybriden Angriffen aus Russland ausgesetzt, die nicht mehr unterschätzt werden dürfen“, sagte Fraktionschef Christopher Vogt, der auch Landesvorsitzender seiner Partei ist.
„Spionage, Sabotage, Desinformationskampagnen und massive Drohneneinsätze in unserem Luftraum nehmen immer mehr zu.“
Bund und Land haben sich auch aus Vogts Sicht nicht ausreichend auf die neuen Gefahren eingestellt. „Dies muss sich dringend ändern: Bundeswehr, Bundespolizei und Landespolizei müssen jetzt sehr schnell gemeinsame Lösungen finden, um solche Drohnenüberflüge zukünftig unterbinden zu können.“
Das dürfe nicht an Zuständigkeitsfragen scheitern, sagte Vogt. Der Bund sollte eine entsprechende Änderung des Luftsicherheitsgesetzes und auch ein geeignetes Seesicherheitsgesetz beschließen. „Sinnvoll wäre es auch, enger mit Dänemark zusammenzuarbeiten und eine grenzüberschreitende Drohnenabwehr zu etablieren.“
In der Bundeswehr will der Generalinspekteur Carsten Breuer schnell neue Waffensysteme zur Abwehr von Drohnen zum Einsatz bringen. „Eines ist für mich klar: Am Ende wird es vermutlich darauf hinauslaufen müssen, dass wir Drohnen gegen Drohnen einsetzen“, sagte Deutschlands ranghöchster Soldat der dpa. (lem)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: