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"Die Gesundheitspolitik muss endlich den Mut aufbringen, sich aus der überkommenen isolierten Betrachtungsweise von ambulant und stationär zu lösen."

© Philipp Schulze/dpa

Debatte zur Krankenhausreform: Krankenkassen und Bundesländer sollten kooperieren

Die Gesundheitspolitik muss endlich den Mut aufbringen, Sektorengrenzen zu überwinden, fordert der Bundestagsabgeordnete Harald Terpe. Den Sicherstellungsauftrag für unterversorgte und von Unterversorgung bedrohte Regionen könnte zukünftig ein Versorgungsausschuss übernehmen. Ein Debattenbeitrag

Anfang Dezember 2014 veröffentlichte die Bund-Länder-AG ihre Eckpunkte zur Krankenhausreform. Wie erwartet entsprechen die Beschlüsse nur zu einem geringen Teil dem, was für eine nachhaltige Reform der Krankenhauslandschaft notwendig wäre, nämlich eine grundlegende Umgestaltung des ordnungspolitischen Rahmens. Stattdessen beschränkt man sich auf mehr oder weniger sinnvolle Einzelregelungen, die zu Mehrausgaben von bis zu 1,6 Mrd. Euro jährlich für die GKV führen werden, ohne dass klar ist, ob diesen auch eine reale Verbesserung der Versorgung gegenüber stehen wird.

Schon einmal, gegen Ende der letzten großen Koalition, haben Union und SPD die Gelegenheit verpasst, trotz bequemer Mehrheit grundlegende Schritte für eine Reform der stationären Versorgung auf den Weg zu bringen. Sicherstellungszuschläge für Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen oder die Einrichtung eines Strukturfonds für die Umwandlung von Einrichtungen mögen sinnvoll sein, aber sie dürfen nicht die alleinige Antwort auf die existierenden Defizite bleiben.

Sektorengrenzen überwinden

Die Gesundheitspolitik muss endlich den Mut aufbringen, sich aus der überkommenen isolierten Betrachtungsweise von ambulant und stationär zu lösen. Es fehlen Schritte zu einer die Sektoren besser verzahnenden Planung, bei der auch die Krankenkassen Mitsprache erhalten.

Wer oder was hindert uns eigentlich daran, in eine erreichbarkeitsorientierte Versorgungsplanung auch den ambulanten Bereich einzubeziehen und beispielsweise dem gemeinsamen Gremium nach §90a SGB V den Sicherstellungsauftrag für unterversorgte und von Unterversorgung bedrohte Regionen zu übertragen? Mittelfristig könnte dieses Gremium zu einem Sektor übergreifenden Versorgungsausschuss ausgebaut werden, der neben Vertretern der Leistungserbringer auch Land, Kommunen und Patientenverbände einbezieht. Bündnis 90/Die Grünen haben im Bundestag dazu bereits ihre Vorstellungen eingebracht (BT-Ds. 18/4153).

Gordischer Knoten Investitionsfinanzierung

Keine Bewegung zeigt das Eckpunktepapier der Bund-Länder-AG im Bereich der Investitionsfinanzierung. Die Investitionsmittel der Länder sind seit Jahren nicht bedarfsgerecht. Daran wird sich auch angesichts der Schuldenbremse nichts ändern. Forderungen nach Steuermitteln des Bundes oder höheren DRGs sind keine angemessene Antwort.

Dr. Harald Terpe, Mitglied des Deutschen Bundestages
Dr. Harald Terpe, Mitglied des Deutschen Bundestages

© Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Mein Vorschlag liegt seit längerem auf dem Tisch (BT-Ds. 16/9008): Krankenkassen und Länder sollen die Option erhalten, die Investitionsfinanzierung gemeinsam zu schultern. Dazu soll auf Landesebene ein jeweils hälftig getragener Fonds eingerichtet werden, aus dem die Investitionspauschalen finanziert werden. Die Höhe der Landesmittel bestimmt die Höhe der Kassenmittel. Es muss natürlich gewährleistet sein, dass die Länder diesen Fonds nicht als Gelegenheit sehen, ihre Investitionsmittel weiter zu reduzieren. Im Gegenzug sollen die Krankenkassen Mitsprache bei der Krankenhausplanung erhalten, so wie dies in Ostdeutschland seit 1990 erfolgreich praktiziert wird. Auf diese Weise kann der gordische Knoten in der Krankenhauspolitik jedenfalls teilweise zerschlagen werden.

Finanzierung von Pflege verbessern

Zudem braucht es eine nachhaltige, transparente und leistungsgerechte Finanzierung der Pflege im Krankenhaus in Kombination mit Mindestpersonalvorgaben. Die Beschlüsse der Bund-Länder-AG zur künftigen Pflegefinanzierung sind zweifellos wichtig. Nach all den Jahren, die nun bereits darüber diskutiert wird, sind pure Prüfaufträge aber letztlich nicht überzeugend. Es wäre schön, wenn die zu bildende Kommission sich auf ein wirksames Instrument zur Personalbemessung und Pflegefinanzierung (am besten in Form eigenständiger Pflegepauschalen) einigt.

Chance zu Reformen nutzen

Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings
Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings

© TPM

Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auferlegt, die Patientinnen und Patienten in das Zentrum ihrer Gesundheitspolitik zu stellen. Dazu gehört auch, den Bürgerinnen und Bürgern eine gute und bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung zur Verfügung zu stellen. Wenn man dieses Ziel ernst nimmt, hat man einen beträchtlichen Berg an Reformen vor sich. Bislang sind nur wenige Ansätze erkennbar, dass Schwarz-Rot diese Aufgaben in Angriff nimmt. Dennoch sollten wir die Koalition beim Wort nehmen. Die derzeitige breite Mehrheit gibt eine einmalige Möglichkeit für grundlegende Reformen, die man nicht verstreichen lassen sollte.

Dr. Harald Terpe ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Obmann der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Gesundheitsausschuss. Sein Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Krankenhausreform. Alle Debattenbeiträge finden sie hier.

Armin Ehl: Die richtigen Stichworte, die falsche Umsetzung

Harald Weinberg MdB: Weniger Wettbewerb - Mehr Qualität!

Hilde Mattheis MdB: Gesetz schafft Verbesserungen für Patienten und Beschäftigte

Dr. Gerd Landsberg: Krankenhäuser müssen wohnortnahe Versorgung gewährleisten können!

Johann-Magnus v. Stackelberg: Es ist eine Reform, aber keine große.

Jens Spahn MdB: "Im Mittelpunkt stehen ohne Zweifel die Patienten"

Georg Baum: Ende der Sparpolitik: Kliniken brauchen mehr Investitionen

Harald Terpe MdB

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