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27. Dezember: Kremlkritiker Chodorkowski bleibt weiter in Haft. Ein Moskauer Gericht urteilte, der Gegner von Regierungschef Putin habe gemeinsam mit einem Geschäftspartner Öl gestohlen.

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Update

Umstrittenes Gerichtsverfahren: Kremlkritiker Chodorkowski schuldig gesprochen

Kremlkritiker Chodorkowski bleibt weiter in Haft. Ein Moskauer Gericht urteilte, der Gegner von Regierungschef Putin habe gemeinsam mit einem Geschäftspartner Öl gestohlen. Beobachter halten den Richterspruch für politisch motiviert.

Der inhaftierte Kremlkritiker Michail Chodorkowski ist in einem umstrittenen zweiten Prozess in Moskau wegen Unterschlagung von Erdöl schuldig gesprochen worden. Das meldete die Agentur Interfax am Montag aus einem Gericht in der russischen Hauptstadt. Das Strafmaß gegen den 47-jährigen Gegner von Regierungschef Wladimir Putin wird vermutlich in den nächsten Tagen verkündet. Vor Verlesen der Urteilsbegründung schloss Richter Viktor Danilkin die Presse aus. Vor dem Gerichtsgebäude kam es zu Festnahmen. Hier forderten Hunderte Demonstranten Freiheit für den früheren Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos. 

Russlands berühmtester Häftling, der bis 2011 eine achtjährige Strafe wegen Geldwäsche absitzt, hat die Vorwürfe stets als politisch motiviert zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und seinem Ex-Geschäftspartner Platon Lebedew die Unterschlagung von 218 Millionen Tonnen Öl vor und forderte in dem international beachteten Prozess eine Haftstrafe von sechs weiteren Jahren. Beobachter rechnen damit, dass die russische Führung den noch immer einflussreichen und finanzstarken Chodorkowski über die Präsidentenwahl 2012 hinaus politisch kaltstellen will.

Die Opposition zeigte sich „entsetzt“ von dem Schuldspruch. „Heute ist ein trauriger Tag für Russland“, sagte Ex-Vize-Regierungschef Boris Nemzow. Vor dem Gerichtsgebäude verlangten Demonstranten „Freiheit“ für die Angeklagten. „Jeder von uns kann zu einem Chodorkowski werden“, hieß es auf einem Banner. Die Polizei nahm etwa 20 Menschen fest, darunter Frauen und Ältere. Deutschland und die USA hatten den Prozess wiederholt als „Test“ für die Reformversprechen von Kremlchef Dmitri Medwedew bezeichnet. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), kritisierte den Schuldspruch als „Beispiel für politische Willkürjustiz“. „Ich bin zutiefst empört über den Schuldspruch“, sagte Löning der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. „Das Urteil wirft kein gutes Licht auf die Zustände in Russland.“ Es zeige, „dass die Rechtsstaatsrhetorik von Präsident Dmitri Medwedew tatsächlich nur reine Rhetorik ist“.

Richter Danilkin befand Chodorkowski und Lebedew für schuldig, 1999 bis 2003 Öl unterschlagen und gesetzwidrige Einkünfte „gewaschen“ zu haben, wie russische Agenturen meldeten. Dagegen werde ein weiteres Verfahren wegen Aktienbetrugs aufgrund von Verjährung eingestellt, teilte der Richter mit. Unklar war, ob dies zu einem insgesamt milderen Urteil beitragen könnte. Die Verteidigung kündigte bereits an, den Richterspruch anfechten zu wollen.

Putin hatte kürzlich im Staatsfernsehen eine Verurteilung seines Erzfeindes Chodorkowskis gefordert und war deswegen von Präsident Medwedew in einem TV-Interview indirekt gerügt worden. Chodorkowski hatte angekündigt, im Falle eines Schuldspruchs notfalls bis vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen. (dpa)

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