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Die Angeklagte Irmgard F. sitzt im Sitzungssaal des Landgerichts Itzehoe (Archivbild).

© dpa/Christian Charisius

Update

Letztes NS-Strafverfahren: Bundesgerichtshof bestätigt Urteil gegen ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard F.

Kann eine zivile Schreibkraft in einem Konzentrationslager Beihilfe zum Mord leisten? Ja, urteilt der BGH im Fall der 99-Jährigen.

Stand:

Kann eine zivile Schreibkraft in einem Konzentrationslager Beihilfe zum NS-Massenmord in mehr als 10.000 Fällen geleistet haben? Ja, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag.

Das Landgericht Itzehoe hatte die inzwischen 99-jährige ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard F. wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen sowie zum versuchten Mord in fünf Fällen zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Der 5. Strafsenat des BGH bestätigte dieses Urteil nun.

Der Fall gilt als das womöglich letzte Strafverfahren zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Massenmorde. Irmgard F. war als sehr junge Frau zwischen Juni 1943 und April 1945 als Sekretärin im Geschäftszimmer des Kommandanten des KZ Stutthof bei Danzig beschäftigt.

21.08.2024

Nach Überzeugung des Landgerichts Itzehoe hat die damals 18- beziehungsweise 19-Jährige durch ihre Arbeit den Verantwortlichen des Konzentrationslagers bei der systematischen Tötung von Inhaftierten Hilfe geleistet. Auch unterstützende Tätigkeiten können rechtlich als Beihilfe zum Mord angesehen werden.

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Generalbundesanwalt beantragte mündliche Verhandlung

Die Verteidigung von Irmgard F. hatte Revision eingelegt. Der 5. Strafsenat des BGH hat darüber Ende Juli bereits mündlich verhandelt. Die Anwälte stellten unter anderem infrage, ob der Frau ein Vorsatz nachgewiesen werden kann.

Es sei nicht erwiesen, dass sie wirklich wusste, was in dem Lager vor sich ging. Zudem habe sich ihre Arbeit als Schreibkraft nicht wesentlich von ihrem vorherigen Job in einer Bank unterschieden. Sie habe „neutrale Handlungen“ ausgeführt.

Der Generalbundesanwalt hatte die mündliche Verhandlung in Leipzig beantragt, weil der Fall dem BGH möglicherweise zum letzten Mal die Gelegenheit bietet, wichtige Fragen zu klären. Bundesanwalt Udo Weiß stufte den Schuldspruch des Landgerichts Itzehoe als gerechtfertigt ein.

Irmgard F. habe durch ihre Dienstbereitschaft für die Mordtaten im KZ Stutthof zur Verfügung gestanden, sie habe psychische Beihilfe geleistet. Auch die Anwälte der noch verbliebenen 23 Nebenkläger in dem Verfahren forderten, die Revision zu verwerfen.

Im KZ Stutthof und seinen 39 Außenlagern waren nach Angaben des Dokumentationszentrums Arolsen Archives zwischen 1939 und 1945 etwa 110.000 Menschen aus 28 Ländern inhaftiert. Fast 65.000 überlebten nicht. Das KZ war berüchtigt für eine völlig unzureichende Versorgung der Gefangenen, die von den Verantwortlichen zu Tötungszwecken absichtlich herbeigeführt wurde. Es gab dort auch Gaskammern und eine Genickschussanlage, in der kranke und zur Zwangsarbeit nicht mehr fähige Gefangene systematisch und gezielt getötet wurden. (dpa/AFP)

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