zum Hauptinhalt
Christian Lindner mit seiner Freundin Franca Lehfeldt bei einer Veranstaltung im Jahr 2018.

© Soeren Stache/dpa

Sause in Krisenzeiten: Lindners glamouröse Hochzeit auf Sylt ist das falsche Signal

Jeder darf feiern wie er will. Auch Politiker. Doch über ihre Außenwirkung sollten sie sich schon Gedanken machen. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Stephan-Andreas Casdorff

Das verstehe noch jemand. Olaf Scholz, der Bundeskanzler, stimmt die Bürgerinnen und Bürger angesichts des Ukraine-Kriegs auf anhaltend hohe Preise ein. Und darauf, dass „die aktuelle Krise nicht in wenigen Monaten vorübergehen“ wird. Insgesamt spricht er von einer „historischen Herausforderung“.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Damit nicht genug: Christian Lindner, der Vize-Vizekanzler und Finanzminister, warnt vor einer „ernstzunehmenden Wirtschaftskrise“ und „drei bis vier, vielleicht fünf Jahren der Knappheit“. Die Rede ist jetzt insgesamt viel von Verzicht.

Dem „Spiegel“ zufolge könnte das aber besonders Langzeitarbeitslose treffen. Deren Hilfsgelder will der Herr der Kassen in den kommenden Jahren offenbar drastisch kürzen.

Tatsache: Irgendwoher muss das Geld ja kommen, nicht wahr, bei den vielen neuen Schulden. Und die fallen mittelfristig – am nächsten Wahltag – doch am ehesten auf Lindner, den Oberliberalen, zurück, der für ganz anderes ins Amt gekommen ist. Fürs Maßhalten unter anderem.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Mit den geplanten Kürzungen wird die Maßnahme „Sozialer Arbeitsmarkt“ allerdings nicht mehr zu finanzieren sein. Sogar die CDU warnt, dass Eingliederung in den Arbeitsmarkt und die soziale Teilhabe damit schwieriger werden. Ach ja: Kürzungen, womöglich massive, von massiven Übergewinnen der Konzerne sind im Gegenzug nicht geplant. Lindners Maß ist anders.

Aber okay, verstanden: Die Zeiten werden entbehrungsreich. Summa summarum. Nur nicht für jeden. Für Lindner jedenfalls schon mal nicht. Und dazu, wenn sie denn alle kommen, nicht für Kanzler Scholz, Justizminister Buschmann, FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki, Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, die Herren Laschet und Friedrich Merz.

Sie zählen immerhin zu den 140 handverlesenen Eingeladenen, mit denen der Finanzminister eine dreitägige Hochzeit auf Sylt feiern will. Und was für eine. Das wird keine kleine Nummer. Mitten in der Inflation.

Jetzt bloß kein Neid, richtig. Wer hat, der hat, wer kann, der kann – kann sich das leisten. Die „Sansibar“ am Strand, die „Vogelkoje“ in Kampen, Trauung in der Kirche in Keitum (obwohl beide nicht mehr in der Kirche sind): Heirat in der Traumkulisse, pittoresk und mondän. Privatsache? Ja, schon – aber halt eine mit öffentlicher Wirkung.

Mangelndes Fingerspitzengefühl

Eigentlich, so stand es in etlichen Berichten, wollte Lindner wohl in der italienischen Toskana feiern. Laut „Bild“ wurden die Festlichkeiten aus Sicherheitsgründen und aus Rücksicht auf den Steuerzahler verlegt: Etliche Gäste haben immerhin Anspruch auf Personenschutz vom Bundeskriminalamt.

Der wird über Steuergelder bezahlt. Zu den Vorkehrungen gehören weiträumige Sperrungen, Scharfschützen, gepanzerte Limousinen. Die Kosten für diesen Aufwand? Sind nicht weiter beziffert. Oder genauer: noch nicht bekannt.

Manchmal, nicht wahr, wird das Private politisch. In diesen Zeiten, Krisenzeiten, Zeiten historischer Herausforderung, wie die gesamte Regierung sagt, werden das nicht wenige im Land als Provokation empfinden: Champagner-Sause, Preise von 390 bis 3500 Euro pro Nacht im Spa Resort (auch wenn die Hochzeitsgäste das selbst zahlen), Anreisen mit dem Flugzeug (Achtung, ökologischer Fußabdruck!) – das hat schon was.

Auch ein paar Punks wollen kommen

Was es jedenfalls nicht hat, ist Fingerspitzengefühl. Es haben sich schon ein paar Punks angekündigt, um „dem Christian“ angemessen zu gratulieren.

Christian Linder ist Bundesminister, nicht allein Minister für die, die sich weiter Fünf-Sterne-Aufenthalte auf Sylt leisten können. Da wäre Wirtschaftsliberalität aber falsch verstanden. Wie das wirkt: unsensibel und politisch unklug. Unverständlich, dass ausgerechnet Lindner so was macht, es ihm vielleicht auch nur passiert, ist er doch sonst so sehr auf seine Außenwirkung bedacht.

Wer mit ernstem Gesicht von einer Wirtschaftskrise spricht, der sollte es ernst meinen – und auch bei sich ernst machen. Am besten , am klügsten mit wenigstens noch einem kleinen bisschen mehr an eigenem Verzicht. Zuweilen ist Politik dann doch Führen durch Vorbild.
Hinweis: Dies ist eine erweiterte Version eines früheren Artikels.

Zur Startseite