
© Reuters/Fabrizio Bensch
Nach der Europawahl: Merkel dringt auf rasche Entscheidung über EU-Spitzenposten
Bis Anfang Juli wünscht sich die Kanzlerin Klarheit über die Besetzung wichtiger EU-Ämter. Es bleibe beim Konzept der Spitzenkandidaten. Der Blog zum Nachlesen.
Stand:
- Das Ergebnis der Europawahl ist für die SPD - und auch die CDU - ein Desaster. Was daraus folgt, hat Robert Birnbaum analysiert.
- Für die Grünen dagegen wird die Europawahl zur Klimawahl ein großer Erfolg.
- Hier können Sie die Ereignisse des Wahlsonntags in unserem Newsblog nachlesen.
Merkel will schnelle Einigung über EU-Personalien
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt auf eine rasche Entscheidung über die künftige Besetzung der Spitzenämter in der EU. Merkel sagte am Montag in Berlin, dabei stünden „beide Parteigruppen, die Union und die Sozialdemokraten, ... zu dem Konzept des Spitzenkandidaten. Und diese Position werden wir auch einbringen. Der Europäische Rat berücksichtigt den Ausgang der Wahlen“, betonte sie.Es bedürfe bei diesen Personalien der Zusammenarbeit zwischen EU-Rat und Europaparlament, sagte die Kanzlerin weiter. Allerdings müsse man sich unter den verschiedenen Parteienfamilien verständigen. Zuvor hatten die Spitzen von Union und SPD mit der Kanzlerin das weitere Vorgehen bei der Besetzung der Positionen nach der Europawahl erörtert. Die Gespräche seien in sehr guter Atmosphäre verlaufen, sagte sie.
Es bedürfe einer zügigen Lösung, denn das Europäische Parlament werde schon Anfang Juli zusammentreten. „Es wäre natürlich wünschenswert, wenn zu diesem Zeitpunkt dann bereits ein Vorschlag des Europäischen Rates vorliegen würde und damit die Personalbesetzungen sehr schnell erfolgen können.“ Die EU müsse handlungsfähig bleiben.
EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) will Kommissionspräsident werden und lud als Chef der größten Fraktion im Europaparlament Grüne, Sozialdemokraten und Liberale zu einem Gespräch über die EU-Spitzenjobs ein. Während CDU und CSU ihren gemeinsamen Kandidaten Weber als neuen Kommissionspräsidenten unterstützen, stellte sich die SPD aber erneut hinter den Spitzenkandidaten ihrer Parteienfamilie in der EU, den Niederländer Frans Timmermans. (dpa)
Nahles stellt sich vorzeitig zur Neuwahl in Fraktion
Fraktionsvize Achim Post und Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz war zuletzt nachgesagt worden, sich für die Ablösung von Nahles an der Fraktionsspitze warmzulaufen. Den innerparteilichen Gegnern der großen Koalition lieferten die Wahl-Niederlagen vom Wochenende neue Argumente.
Nahles sagte im ZDF weiter, ihr Ziel sei es, sowohl Partei- als auch Fraktionschefin zu bleiben. Die SPD brauche jetzt keine Personal- sondern Strategiedebatten. Sie wolle in dieser schwierigen Phase „die Klamotten nicht hinwerfen“, auch wenn sie selber Fehler gemacht habe.
Nahles hatte bereits am Nachmittag einen Rücktritt ausgeschlossen, aber auch von einer Zäsur gesprochen. Auch Generalsekretär Lars Klingbeil und Vizekanzler Olaf Scholz wandten sich gegen Personaldebatten. (dpa)
Groko-Spitzen beraten Wahlergebnis
Die Spitzen von Union und SPD haben mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Konsequenzen aus dem Ergebnis der Europawahl erörtert. An dem Gespräch am Montag im Berliner Kanzleramt nahmen neben Merkel CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, der CSU-Vorsitzende Markus Söder sowie die SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz teil.Auf der Tagesordnung dürfte das Vorgehen der Bundesregierung bei den anstehenden Verhandlungen über die wichtigsten EU-Spitzenposten in Brüssel stehen. Über Inhalte des Treffens wurde allerdings Stillschweigen vereinbart.
Die Union beansprucht das Amt des EU-Kommissionspräsidenten für den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), den CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber. Nahles dagegen hatte sich noch in der Wahlnacht hinter den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans gestellt. (dpa)
SPD-Chefin Nahles schließt Rücktritt aus
SPD-Chefin Andrea Nahles hat nach dem Debakel bei der Europawahl einen Rücktritt ausgeschlossen. „Die Verantwortung, die ich habe, spüre ich, die will ich aber auch ausfüllen“, sagte sie am Montag nach Beratung der Parteigremien in Berlin. Die Europawahl und die Wahl in Bremen am Sonntag seien allerdings eine Zäsur gewesen. „Das fühlt sich auch so an“, gab Nahles zu. Gut geschlafen habe sie nicht.In der Analyse des Parteivorstands sei am Montag mehrfach der Satz gefallen: „Die 15 Prozent, die wir jetzt haben, sind auch in den letzten 15 Jahren entstanden.“ Zwar habe die SPD nach der Bundestagswahl 2017 einige Fortschritte gemacht, das habe aber nicht gereicht. „Deshalb ist es auch entsprechend sehr ernst, was die Frage angeht, die Konsequenzen daraus zu ziehen“, sagte Nahles. Viele Fragen hätten eine neue Dringlichkeit bekommen. (dpa)
Öttinger will Weber als Kommissionspräsident
Der deutsche EU-Kommissar Günter Öttinger spricht sich für Manfred Weber als Kommissionspräsident aus. Weber sei Spitzenkandidat der stärksten Fraktion im Europaparlament. Es sei wichtig, den Parlamentarismus in Europa zu stärken. Frans Timmermans, der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, könne Parlamentspräsident werden. Zwei der weiteren drei Tobjobs der EU - Hoher Beauftragter für Außen- und Sicherheitspolitik, Führung der Europäischen Zentralbank und Vorsitz des Rats der Regierungschefs - sollten an Frauen vergeben werden, sagte Öttinger bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP) am Montagabend in Berlin.
Über den Vorschlag der Liberalen, Margarete Vestager zur Kommissionspräsidentin zu machen, die im Wahlkampf nicht als Spitzenkandidatin aufgetreten war, spottete Öttinger: Das wäre der erste Fall, wo sich jemand nicht vor, sondern erst nach der Wahl zur Spitzenkandidatin erklärt.
Öttinger kritisierte, die Bundesregierung tue zu wenig für eine Stärkung Europas in der Welt. "Baukindergeld, Mütterrente und Respektrente: Das ist eine deutsche Tagesordnung, die der Realität und Verantwortung nicht gerecht wird. Wir brauchen eine Strategie für Weltpolitikfähigkeit." Europa benötige eine gemeinsame Außenpolitik, die mit einer Stimme spricht und über die mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird. "Einstimmigkeit heißt Langsamkeit. Und ein einzelner kann die gemeinsame Außenpolitik blockieren." (Christoph von Marschall)
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Salvini will Notenpresse anschmeißen
Der italienische Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini fordert nach dem Sieg seiner rechten Lega bei der Europawahl eine Lockerung der Defizitregeln in der EU. "Es ist an der Zeit, alte und veraltete Regeln, die Europa geschadet haben, völlig neu zu diskutieren", sagte Salvini am Montag auf einer Pressekonferenz in Mailand. Niedrigere Steuern seien für die Italiener "das Schlüsselthema" und würden die Grundlage für den Haushalt des nächsten Jahres bilden. Dieser werde im Herbst vorgelegt, sagte Salvini.Salvinis Lega errang in Italien mit 34,3 Prozent erstmals bei einer landesweiten Abstimmung die meisten Stimmen. "Derart gestärkt wird er sich von der EU-Kommission mehr denn je nicht haushaltspolitische Vorschriften machen lassen", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Der Konflikt dürfte wieder hochkochen, wenn die EU-Kommission demnächst die Haushaltssituation überprüft."
Die seit Mitte vorigen Jahres amtierende populistische Regierung in Rom aus Lega und 5-Sterne-Bewegung will das Wachstum unter anderem mit Steuersenkungen und höheren Sozialausgaben ankurbeln und nimmt dafür höhere Schulden in Kauf. Im Dezember 2018 hatte sich die Koalition nach langem Gezerre mit der EU-Kommission auf ein Staatsdefizit von 2,04 Prozent des Bruttoinlandsproduktes festgelegt, weil die Brüsseler Behörde die ursprünglich von Rom vorgeschlagenen 2,4 Prozent als zu hoch abgelehnt hatte. Das Land ächzt unter einem Schuldenberg in Höhe von mehr als 131 Prozent der Wirtschaftsleistung, dem höchsten in der Euro-Zone nach Griechenland.

Kramp-Karrenbauer: „Konnten junge Wähler nicht überzeugen“
Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer spricht von einem historisch schlechten Ergebnis für die CDU. „Das wird unserem Verständnis als Volkspartei nicht gerecht“, sagte sie bei einer Pressekonferenz nach der Europawahl. Der CDU sei es nicht gelungen, ihre Themen erfolgreich zu vermitteln. Vor allem das Thema Klimaschutz hätten die Grünen erfolgreicher besetzt. Auch Streitigkeiten in der großen Koalition hätten die Wähler abgestraft. „Es gibt die Tendenz, dass die Regierungsarbeit sehr kritisch bewertet wird", sagte sie.Politische Landkarten von Zeit Online
Ökonomen sehen gute Chancen für deutschen EZB-Chef
Nach der Europa-Wahl sehen Ökonomen steigende Chancen Deutschlands im Rennen um die Nachfolge von EZB-Präsident Mario Draghi. Nach Einschätzung des Chefs des Berliner Forschungsinstituts DIW, Marcel Fratzscher, ist der CSU-Politiker Manfred Weber nun in einer schwächeren Position, den angestrebten Posten des EU-Kommissionspräsidenten zu erlangen. „Dies vor allem, weil keine Unterstützung durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron absehbar ist.“ Falls Weber nicht zum Zuge komme, würden aus Sicht des früheren EZB-Managers Fratzscher die Chancen von Bundesbank-Chef Jens Weidmann steigen, Draghi im Herbst an der EZB-Spitze zu beerben. (Reuters)EVP bleibt stärkste Kraft im Parlament
Berliner SPD nach der Europawahl
Merkel will Kabinett nicht umbilden
SPD-Politiker mahnen zu Geschlossenheit
Der Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider wandte sich gegen einen Wechsel an der Spitze: „Wenn es immer nur einen Traineraustausch wäre, hätte die SPD immer große Erfolge gehabt.“ Er räumte ein, die SPD sei mit ihren Themen nicht durchgedrungen. So habe das Sozialstaatskonzept der Partei vom Jahresanfang die Bevölkerung scheinbar nicht interessiert. (dpa)
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