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Newsblog zur Türkei nach dem Putschversuch: Merkel ermahnt Erdogan zu Verhältnismäßigkeit
Die Bundeskanzlerin hat den türkischen Präsidenten eindringlich vor einer Rückkehr zur Todesstrafe gewarnt. Auf einen Vize-Bürgermeister in Istanbul wurde ein Attentat verübt. Die Entwicklungen im Newsblog.
Stand:
- Der türkische Präsident Erdogan setzt nach dem gescheiterten Militärcoup seine "Säuberung" fort.
- Die Lage in der Türkei befeuert die Debatte um einen EU-Beitritt des Landes.
- Diskutiert wird vor allem um die Todesstrafe, deren Wiedereinführung Erdogan erwägt.
(Mit AFP, dpa, Reuters)
Verwirrung um angeblichen Rädelsführer Akin Öztürk
Anführer der Putschisten soll nach Angaben aus Regierungskreisen der Ex-Luftwaffenchef Akin Öztürk gewesen sein. Nach seiner Verhaftung dementierte Öztürk allerdings eine Beteiligung, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft meldete. Kurz zuvor hatte Anadolu berichtet, Öztürk habe seine Beteiligung eingestanden. Die Agentur korrigierte die Meldung dann. (dpa)
Merkel mahnt Erdogan in Telefonat zu Verhältnismäßigkeit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in einem Telefonat aufgefordert, bei der Reaktion auf den Putschversuch die Prinzipien von Verhältnismäßigkeit und Rechtstaatlichkeit zu achten. Die Welle von Verhaftungen und Entlassungen in der Türkei gebe "Anlass zu großer Sorge", sagte Merkel nach Angaben einer Regierungssprecherin am Montag in dem Gespräch.
Zudem habe Merkel Erdogan darauf hingewiesen, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe von Deutschland und der Europäischen Union vehement abgelehnt werde und "mit dem Ziel einer EU-Mitgliedschaft in keiner Weise vereinbar" sei. Merkel habe in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die Türkei das 13. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention unterzeichnet habe, das die Staaten zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe verpflichtet.
Merkel habe dem Staatspräsidenten zudem ihr Mitgefühl über die vielen bei dem Umsturzversuch zu Tode gekommenen und verletzten Menschen zum Ausdruck gebracht. Erneut verurteilte sie den Putschversuch scharf. (Reuters)
Kerry: Nato wird Entwicklung der Demokratie in Türkei bewerten
Die Nato wird nach Angaben von US-Außenminister John Kerry die Entwicklung der Demokratie in der Türkei nach dem gescheiterten Putsch beobachten. "Es gibt ganz offensichtlich Anforderungen der Nato bei der Achtung der Demokratie", sagte Kerry am Montag in Brüssel. "Die Nato wird sehr sorgfältig bewerten, was (in der Türkei) passiert." Man werde konstruktiv zusammenarbeiten, um Rückschritte zu vermeiden. Die türkische Seite habe ihm mehrfach versichert, dass sie die rechtstaatlichen und demokratischen Prinzipien achten wolle. (Reuters)
Attentat auf einen Vize-Bürgermeister in Istanbul
Nach einem Bericht des Senders NTV Türk ist der Vize-Bürgermeister des Istanbuler Bezirks Sisli bei einem Attentat schwer verletzt worden. Unbekannte seien in das Büro von Cemil Candas eingedrungen und hätten dem Politiker der CHP-Partei in den Kopf geschossen. Zunächst war unklar, ob die Tat in Zusammenhang steht mit dem Putschversuch am Wochenende. (Reuters)
Bundeswehr-Einsatz in Incirlik läuft problemlos
Nach dem Putschversuch in der Türkei läuft der Bundeswehr-Einsatz über Syrien weiter nach Plan. Die Einsätze vom Stützpunkt Incirlik seien am Montag fortgesetzt worden, sagte die Sprecherin des Einsatzführungskommandos, Christiane Perthel. Tornado-Aufklärer sowie Tankflugzeuge seien in der Luft gewesen. "Die Zusammenarbeit gestaltet sich ganz professionell und problemlos", sagte die Sprecherin. "Die deutsch-türkischen Militärbeziehungen laufen weiter auf guter Basis. Das ist ein hohes professionelles Miteinander."
US-Streitkräfte hatten bereits am Sonntag von der Basis aus wieder Einsätze auf Ziele im Irak und Syrien geflogen. In Sicherheitskreisen hieß es, die deutschen Soldaten unterlägen weiterhin strengen Sicherheitsmaßnahmen und dürften die Basis nicht verlassen.
Nach dem Putschversuch vom Freitag war unter anderem auch der Kommandeur von Incirlik festgenommen worden. Dort sind 250 Bundeswehr-Soldaten stationiert, die den US-geführten Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" mit Aufklärungsflügen unterstützen. (Reuters)
Sicherheitskräfte töten Angreifer vor Gericht in Ankara
Während einer gerichtlichen Anhörung mutmaßlicher Putschisten in der türkischen Hauptstadt Ankara hat ein Mann vor dem Gerichtsgebäude das Feuer auf Sicherheitskräfte eröffnet. Diese hätten den Angreifer daraufhin in seinem Auto erschossen, berichtete die Nachrichtenagentur Dogan. Zwei weitere Menschen seien festgenommen worden.
Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP, die sich vor dem Gerichtsgebäude aufhielten, hörten Schüsse und sahen Szenen der Panik. Außerdem sahen sie ein zertrümmertes Auto. Gepanzerte Fahrzeuge und Polizeiwagen rasten zu dem Gerichtsgebäude. Unklar war zunächst, ob der Zwischenfall im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom Wochenende stand. Fernsehberichten zufolge handelte es sich bei dem getöteten Angreifer um einen Soldaten. (AFP)
Türkischer Botschafter für Deutschland angeschossen
Der bisherige türkische Botschafter in Deutschland ist während des Putschversuchs am Freitag beim Aufenthalt in der Hauptstadt Ankara verletzt worden. Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu sei ins Bein getroffen worden, als Putschisten von einem gekaperten Hubschrauber aus das Feuer auf eine Menschenmenge eröffnet hätten, hieß es am Montag aus türkischen Regierungskreisen.
Im Streit um die Völkermord-Resolution des Bundestages zu den Massakern an den Armeniern war Karslioglu Anfang vergangenen Monats zurück nach Ankara gerufen worden. Kurz darauf wurde bei einer Runde von Neubesetzungen türkischer Botschafterposten in zahlreichen Ländern ein Nachfolger bekanntgegeben, auch für Karslioglu. Der Spitzendiplomat Ali Kemal Aydin soll ihm auf dem Posten in Berlin nachfolgen. (dpa)
Neue Details zu Schießerei in Ankara
Von der Schießerei vor dem Gerichtsgebäude in Ankara gibt es neue Einzelheiten: Am Vormittag hatte ein Mann während einer gerichtlichen Anhörung mutmaßlicher Putschisten vor dem Gerichtsgebäude das Feuer auf Sicherheitskräfte eröffnet. Diese hätten den Angreifer daraufhin in seinem Auto erschossen, berichtete die Nachrichtenagentur Dogan. Zwei weitere Menschen seien festgenommen worden. Zuvor hatte es aus Regierungskreisen geheißen, der Mann sei festgenommen worden. Es habe sich um einen Soldaten gehandelt. Unklar war zunächst, ob der Zwischenfall im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom Wochenende stand.

Neue Details zu Schießerei in Ankara
Zu der Schießerei in Ankara am Vormittag gibt es neue Einzelheiten. Der türkischen Nachrichtenagentur Dogan zufolge hatte ein Mann während einer gerichtlichen Anhörung mutmaßlicher Putschisten vor dem Gerichtsgebäude das Feuer auf Sicherheitskräfte eröffnet. Diese hätten den Angreifer daraufhin in seinem Auto erschossen. Zwei weitere Menschen seien festgenommen worden. Aus Regierungskreisen war zunächst verlautet, der Mann sei festgenommen worden. Es habe sich um einen Soldaten gehandelt. Unklar war zunächst, ob der Zwischenfall im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom Wochenende stand.
Yildirim: Keine voreilige Entscheidung zur Todesstrafe
Eine mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe, wie sie nach dem Putschversuch in der Türkei debattiert wird, bedarf nach Ansicht von Regierungschef Binali Yildirim einer Parlamentsdebatte. Allerdings könne der Wille des Volkes nicht ignoriert werden, sagte Yildirim am Montag.
"Das ist ein Thema, über das im Detail nachgedacht werden muss, über das im Parlament debattiert werden muss, das eine Verfassungsänderung voraussetzt", sagte der Ministerpräsident. "Es ist nicht gut, voreilig eine Entscheidung zu treffen. (...) Aber der Wille des Volkes kann nicht ignoriert werden."
Nach dem gescheiterten Putsch hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag die Möglichkeit einer Wiedereinführung der Todesstrafe angedeutet. Die Regierung werde mit der Opposition darüber beraten und eine Entscheidung treffen, sagte Erdogan vor zahlreichen Anhängern in Istanbul, die laut die Todesstrafe forderten. In Demokratien würden Entscheidungen auf Grundlage dessen getroffen, "was das Volk sagt", sagte der Staatschef. (AFP)
Ministerpräsident nennt Zahl von 208 Toten bei Putschversuch
Im Zusammenhang mit dem Putschversuch in der Türkei sind nach offiziellen Angaben 208 Menschen getötet worden. Unter den Todesopfern seien 60 Polizisten, drei Soldaten und 145 Zivilisten, teilte Ministerpräsident Binali Yildirim mit. 1491 Personen seien verletzt worden.
Wegen mutmaßlicher Verwicklungen in den versuchten Staatsstreich wurden nach seinen Worten 7543 Personen inhaftiert, darunter 6038 Soldaten. Derzeit würden Beamte entlassen, die Verbindungen zu der für den Putschversuch verantwortlichen terroristischen Organisation hätten. (Reuters)
Regierungsvertreter weist Verschwörungstheorien zurück
Verschwörungstheorien über eine angebliche Inszenierung des Putschversuches durch Präsident Recep Tayyip Erdogan sind aus der Regierung in Ankara empört zurückgewiesen worden. "Dieser Vorwurf ist nicht seriöser als der, dass 9/11 ein Insider-Job war oder dass Barack Obama ein heimlicher Muslim aus Kenia ist", sagte ein Regierungsvertreter in Ankara, der nicht namentlich genannt werden wollte.
Nach dem 11. September 2001 kursierten zahlreiche Theorien, dass nicht die Terrorgruppe Al-Kaida sondern jemand anderes für die Anschläge in New York verantwortlich sei. Zudem schürten Gegner des US-Präsidenten Zweifel, ob Obama tatsächlich auf Hawaii und nicht in der Heimat seines Vaters in Kenia geboren ist.
Der türkische Regierungsvertreter sagte weiter: "Das Parlament wurde von Kampfflugzeugen angegriffen. Unschuldige Menschen wurden von Soldaten beschossen, die die Bosporus-Brücke blockierten. Das Hotel des Präsidenten wurde gestürmt. Es ist irreal, aber das ist leider, was passiert ist, und wir versuchen, unsere Demokratie wieder gesundzupflegen." (dpa)

USA haben noch kein Auslieferungsgesuch für Gülen
Die USA haben von der Türkei noch kein offizielles Auslieferungsgesuch für den in den Vereinigten Staaten lebenden Prediger Fethullah Gülen erhalten. Das sagte US-Außenminister John Kerry am Rande eines Treffens mit EU-Amtskollegen in Brüssel. Zudem machte er erneut klar, dass die USA einem solchen Gesuch nur nachkommen würden, wenn Beweise für eine Verwicklung von Gülen in den gescheiterten Militärputsch vorliegen. "Anschuldigungen reichen nicht", sagte Kerry. Er bezog sich damit offensichtlich auf Äußerungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, der Gülen als Hintermann des Umsturzversuches sieht. (dpa)
Kerry mahnt Rechtsstaatlichkeit in Türkei an
US-Außenminister John Kerry hat die türkische Regierung dazu aufgerufen, bei der Wiederherstellung von Recht und Ordnung nicht zu weit zu gehen. "Wir rufen die Regierung nachdrücklich dazu auf, ruhig zu bleiben, an der Rechtsstaatlichkeit festzuhalten und die demokratischen Institutionen zu respektieren", sagte Kerry nach Beratungen mit den EU-Außenministern in Brüssel. (Reuters)
30 Provinzgouverneure entlassen
Nach seinen "Säuberungsaktionen" in Armee, Justiz und Polizei hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan offenbar die Führungen der türkischen Provinzen vorgenommen. Der Sender CNN Türk meldete am Montag, nach dem Putschversuch vom Freitag seien 30 Gouverneure und mehr als 50 ranghohe Verwaltungsbeamte von ihren Posten entfernt worden. In der Türkei gibt es 81 von Gouverneuren geführte Provinzen. Zuvor war bekanntgeworden, dass fast 9000 Polizisten vom Dienst suspendiert wurden. (Reuters)
Bundesregierung: Todesstrafe bedeutet Aus für EU-Beitritt der Türkei
Die Einführung der Todesstrafe in der Türkei wäre nach Ansicht der Bundesregierung das Aus für die türkischen EU-Beitrittsgespräche. "Deutschland und die EU haben eine klare Haltung: Wir lehnen die Todesstrafe kategorisch ab", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. "Die Einführung der Todesstrafe in der Türkei würde folglich das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen bedeuten."
(AFP)Fast 9000 Beamte entlassen
Insgesamt 8777 Staatsbedienstete seien ihrer Posten enthoben worden, darunter 30 Gouverneure und 52 Inspekteure, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag unter Berufung auf das türkische Innenministerium. Nach dem Putschversuch waren bereits am Wochenende rund 6000 Menschen festgenommen worden, darunter mehr als hundert Generäle und Admiräle. (AFP)

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