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Newsblog nach der Landtagswahl in Bayern: Merkel will Vertrauen in die Regierungsarbeit zurückgewinnen
Union und SPD stehen nach dem Wahldesaster in Bayern unter Druck. Auch die Bundesparteien spüren die Auswirkungen. Mehr im Newsblog.
Stand:
- Bayern hat gewählt - und das Ergebnis erschüttert auch die Bundespolitik.
- Die CSU hat stark eingebüßt, die Grünen sind klarer Sieger, die SPD ist nur noch einstellig.
- Am Montag beraten die Gremien der Parteien über Konsequenzen des Wahlausgangs.
- Die Ereignisse vom Wahltag können Sie hier in unserem Newsblog nachlesen.
Seehofer: Stil im Asylstreit war großer Fehler
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat für den Verlauf des Asylstreits in der großen Koalition im vergangenen Sommer eine Mitschuld eingestanden. „Der Stil der Auseinandersetzung“ sei sein größter Fehler im vergangenen halben Jahr gewesen, sagte der CSU-Chef am Montag in der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Seehofer?“. Seehofer betonte aber, dass er weiterhin für die Forderung nach Rückweisungen von bestimmten Zuwanderern an der deutschen Grenze sei, „der Inhalt stimmte“. Die CSU werde künftig weiter konstruktiv in der Bundesregierung mitarbeiten. Dies bedeute aber „keine Friedhofsruhe“, es werde sicher wieder Diskussionen geben.
Seehofer wies zudem den Vorwurf zurück, die CSU habe in den vergangenen Monaten einen Rechtsruck durchlebt. Die CSU sei - dies würden die Wählerwanderungen belegen - in einer Sandwichposition zwischen AfD, Freien Wählern und Grünen. Seehofer warb erneut dafür, die Aufarbeitung der Niederlage bei der Landtagswahl in Bayern erst nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen durchzuführen. „Das Wichtigste ist es, eine Regierung zu bilden.“ Wer im Wahlkampf für Stabilität werbe, könne jetzt nicht mit internen Debatten im Freistaat für Instabilität sorgen.
Zu seiner eigenen Zukunft wollte Seehofer sich wie schon zuvor in der Sitzung des CSU-Vorstands nicht äußern. Zugleich betonte er: „Jeder ist ersetzlich, ich allemal.“ Die Partei habe sich daher auf ein Verfahren verständigt, welches die ergebnisoffene Aufarbeitung noch in diesem Jahr abschließen werde. (dpa)
CSU-Chef und Innenminister Seehofer stellt sich Fragen zu Folgen der Bayernwahl
CSU-Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer stellt sich am Dienstag (12.30 Uhr) in Berlin den Fragen der Hauptstadtpresse zu den Folgen der Landtagswahl in Bayern. Dabei dürfte es zum einen um mögliche Auswirkungen auf das Machtgefüge in München, zum anderen um Konsequenzen für die Bundesregierung gehen - in beiden Fällen ist Seehofer auch persönlich betroffen.
Noch vor der Wahl hatten sich Seehofer und sein Nachfolger im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten, Markus Söder, gegenseitig die Schuld an den schlechten Umfragewerten der CSU zugeschoben. Am Montag kündigte Seehofer an, er wolle sich für die Stabilität der großen Koalition im Bund einsetzen. Die CSU hatte bei der Landtagswahl nur 37,2 Prozent erzielt, gut zehn Prozentpunkte weniger als 2013. (AFP)
Auch die CSU will in sich gehen
CSU-Chef Horst Seehofer hat eine tiefgreifende Analyse der Landtagswahl-Pleite noch in diesem Jahr angekündigt. Nach der Kabinettsbildung in Bayern wolle man Ende November oder im Dezember „in einer geordneten Form in einem geeigneten Gremium“ eine vertiefte Analyse anstellen, sagte Seehofer am Montag nach einer CSU-Vorstandssitzung in München. Dort sollten auch alle Vorschläge diskutiert werden, die es strategisch „und auch personell geben mag“.
Welches Gremium sich damit befassen soll, ob beispielsweise auch ein Parteitag dafür infrage kommen könnte, ließ Seehofer offen. Das werde man zusammen mit den CSU-Bezirksvorsitzenden besprechen. Er sei da „vollkommen offen“, sagte Seehofer. Ihm liege sehr daran, die Wahl zu analysieren „und auch Konsequenzen aus diesem Wahlergebnis zu ziehen“. (dpa)
Merkel will Vertrauen der Wähler zurückgewinnen
Nach dem schlechten Abschneiden der CSU bei der Landtagswahl in Bayern will die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel verloren gegangenes Vertrauen in die Regierungsarbeit zurückgewinnen. Sie sagte am Montag in Berlin bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), sie wolle als Bundeskanzlerin stärker dafür Sorge tragen, dass das Vertrauen in die politischen Akteure wieder da sei.
Der Wahltag in Bayern habe auch gezeigt, dass beste Wirtschaftsdaten und Vollbeschäftigung für die Menschen allein nicht ausreichten. Man müsse im Rückblick sagen, es sei viel Vertrauen verloren gegangen in den vergangenen zwölf Monaten. Sie fügte hinzu, die Bevölkerung erwarte, dass die Unionsparteien CDU und CSU gemeinsam agierten.(dpa)
SPD will Debatte über Oppositions-Option fortführen
Für die SPD bleibt die Debatte über einen möglichen Gang in die Opposition nach den Worten von Generalsekretär Lars Klingbeil auf der Tagesordnung. "Das ist eine Diskussion, die wir führen", sagte Klingbeil am Montag nach Gremiensitzungen seiner Partei. Die Diskussion habe mit der Entscheidung, in die große Koalition einzutreten, nicht aufgehört. Die SPD werde genau auswerten, wie sich jetzt der Stil nach der Bayernwahl ändere.
Es müsse geschaut werden, wie sich die Akteure aufstellten, die auch zum Streit beigetragen hätten, sagte der Generalsekretär. Dann müsse bewertet werden, "wie das Arbeitsklima in dieser Koalition ist und vor allem wie wir mit unseren Inhalten vorankommen."
Zugleich kündigte er an, die SPD wolle sich bei einer Klausur von Präsidium und Parteivorstand am 4. und 5. November mit den Gründen für das verheerende Wahlergebnis in Bayern auseinandersetzen. Nach der Bundestagswahl habe die SPD gezeigt, dass sie eine schonungslose Auswertung nicht scheue. In den nächsten zwei Wochen sollten aber die Wahlkämpfer in Hessen unterstützt werden.
Klingbeil beklagte, durch die CSU und den Richtungsstreit in der Union gebe es seit Monaten in der Berliner Koalition einen Ausnahmezustand. In den nächsten Tagen werde es darum gehen, wie die Art und Weise der Regierungsführung sich ändern könne. "Es muss Schluss sein mit Egoismen Einzelner."
Der Generalsekretär sagte weiter, die SPD müsse erkennbarer, sichtbarer und mutiger werden. Im Rahmen der programmatischen Erneuerung gehe es etwa darum, wie der Sozialstaat der Zukunft aussehen solle. Dies solle das Thema des Debattencamps sein, das ebenfalls im November stattfinden werde. (dpa)
Europas Blick auf "platzende Weißwürste"
Nicht nur in Deutschland, auch in ganz Europa ist die Landtagswahl in Bayern ein Thema. Was die Nachbarländer zum Ergebnis sagen. Ein kleiner Streifzug durch die Zeitungen.

SPD plant Klausur Anfang November
Die SPD will sich nach den Worten von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bei einer Klausur am 4. und 5. November damit auseinandersetzen, wie es zu dem verheerenden Wahlergebnis in Bayern kommen konnte. Nach der Bundestagswahl habe die SPD gezeigt, dass sie eine schonungslose Auswertung nicht scheue. In den nächsten zwei Wochen sollten die Wahlkämpfer in Hessen unterstützt werden. (Reuters)
CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer: Bayernwahl ist "Schuss vor den Bug" der großen Koalition
Das Ergebnis der bayerischen Landtagswahl sieht CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer als "klaren Schuss vor den Bug". Die Verluste der CSU und der SPD seien "mehr als ein Appell". "Wir sind alle gut miteinander beraten, diese Signale aus Bayern sehr, sehr ernst zu nehmen."
Sie sieht eine Mitverantwortung der CDU für das schlechte Erscheinungsbild der großen Koalition. "Das ist Verantwortung von allen, die beteiligt waren", sagt Kramp-Karrenbauer auf die Frage, ob sie die Schuld alleine bei der CSU sieht. "Jeder muss vor der eigenen Haustür kehren." Es sei zudem Aufgabe der CSU, zu entscheiden, mit welchem Personal sie arbeiten wolle, sagt sie zur Kritik an CSU-Chef Horst Seehofer. (Reuters)
Ehemaliger CSU-Bundespolitiker Koschyk fordert Mitgliederbefragung in der CSU
Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk hat in einem offenen Brief an den CSU-Parteivorstand eine Mitgliederbefragung zur personellen Aufstellung und inhaltlichen Ausrichtung der Christsozialen gefordert. Nach der Parteisatzung könne solch eine Mitgliederbefragung stattfinden, schrieb Koschyk in dem am Montag von ihm veröffentlichten Brief. Er forderte darin für die CSU "eine Erneuerung an Haupt und Gliedern".
Koschyk verwies darauf, dass es nach der Europawahl 2014 und der Bundestagswahl 2017 bereits die dritte Wahl mit herben Verlusten gewesen sei. "Sich jetzt in geschäftigen Alltagsaktionismus zu flüchten, ohne diesen kontinuierlichen Verlust an Wählervertrauen tiefgehend aufzuarbeiten, wird den Niedergang unserer Partei weiter beschleunigen."
Eine Neuausrichtung sei nur "im engen Schulterschluss" mit den Mitgliedern möglich - "wenn das Instrument der Mitgliederbefragung in unserer Partei überhaupt Sinn macht, dann jetzt", schrieb der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. (AFP)
Habeck hat wenig Hoffnung für neuen Stil in der GroKo
Grünen-Chef Robert Habeck rechnet trotz der deutlichen Verluste von CSU und SPD bei der bayerischen Landtagswahl nicht mit gravierenden Änderungen in der großen Koalition im Bund. "Alle graben sich ein und machen weiter wie bisher", sagte Habeck am Montag in Berlin. Union und SPD fürchteten, wenn sie mit Veränderungen anfingen, "fliegt uns das ganze Ding auseinander".
Habeck sprach zugleich von einer "Erosion der Volksparteien". Den Grünen hingegen sei es gelungen, "ganz breit zu wirken und über "enge Milieus" hinaus Wähler zu gewinnen. CSU und AfD hätten Zuspruch eingebüßt, weil sie eine "hysterische und ausgrenzende Politik" vertreten hätten. Dies zeige, dass Wahlen nicht nur in eine Richtung verloren würden.
Habeck lehnte es ab, die Grünen einem politischen Lager zuzuordnen. Seine Partei solle so stark werden, dass sie in der Lage sei, die Leitlinien der Politik mitzubestimmen. Für die Grünen sei es nicht entscheidend, welches Bündnis sie eingingen, sondern wie stark sie in einer Koalition seien. (dpa)
SPD-Vize Stegner stellt Fortbestand der GroKo in Frage
Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner hat sich nach dem Wahldebakel in Bayern kritisch über den Fortbestand der großen Koalition auf Bundesebene geäußert. Andrea Nahles ruft derweil zum Zusammenhalt aufruft und möchte zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Roten Linien ziehen. (dpa)
CSU-Führung steht hinter Söder
Nach der Wahlniederlage in Bayern hat sich die CSU-Führung einhellig für eine erneute Amtszeit von Markus Söder als Ministerpräsident ausgesprochen. Der Parteivorstand habe den Vorschlag von CSU-Chef Horst Seehofer ohne formale Abstimmung gebilligt, sagten Sitzungsteilnehmer. Die neue Fraktion, deren Chef nach dem Willen des Parteivorstands Thomas Kreuzer bleiben soll, will am Dienstag erstmals zusammentreten.
Als Landtagspräsidentin sei die bisherige Bau- und Verkehrsministerin Ilse Aigner vorgesehen, hieß es in den Kreisen. Aigner galt in der Vergangenheit als eine Rivalin Söders im Rennen um Seehofers Nachfolge. Dieser war von Söder nach langem Machtkampf im März als Ministerpräsident abgelost worden. Als Parteichef will Seehofer auch nach dem Absturz der CSU auf 37,2 Prozent bei der Landtagswahl im Amt bleiben. Die bisherige Landtagspräsidentin Barbara Stamm gehört dem Parlament künftig nicht mehr an.
In Kreisen des Landtags wird damit gerechnet, dass das Präsidium sich in den Sitzungen künftig stärker als bisher mit Konfrontationen und Regelverstößen beschäftigen wird. Die Zahl der Fraktionen nimmt von vier auf sechs zu, darunter die AfD. (Reuters)
Nahles: Stil der Koalition muss sich ändern
Das Schicksal der großen Koalition entscheidet sich nach den Worten von SPD-Parteichefin Andrea Nahles „in den nächsten Monaten“. „Rote Linien jetzt zu definieren, das halte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht für angesagt“, sagte Nahles am Montag in Berlin, einen Tag nach der schweren Niederlage ihrer Partei bei der Landtagswahl in Bayern. Nahles machte nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums zudem deutlich, dass sie bei der Landtagswahl in Hessen am 28. Oktober auf einem Machtwechsel setze.
Für die schweren Verluste von SPD und CSU in Bayern machte sie erneut die Streitigkeiten in der Berliner Regierung verantwortlich. Zur Zukunft von Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte Nahles: „Personalentscheidungen der CSU müssen in der CSU getroffen werden.“ Der ganze Stil der Koalition müsse sich aber ändern.
„Das Ergebnis tut unglaublich weh“, sagte die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen. Man habe geschlossen wie nie gekämpft, sei aber auf eine unglaublich große Skepsis bei vielen Bürgern gestoßen. Kohnen, die auch stellvertretende Bundesvorsitzende ist, hatte besonders auf das Thema bezahlbarer Wohnraum und Kampf gegen hohen Mieten gesetzt. Am Ende bekam die SPD mit 9,7 Prozent das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl bisher überhaupt. Es war die erste Landtagswahl, seit Nahles zur Nachfolgerin von Martin Schulz an der Parteispitze gewählt worden war. (dpa)

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