
© dpa/Lennart Preiss
Münchner Sicherheitskonferenz im Newsblog: Netanjahu bringt Trümmerteil zur Konferenz
Von Freitag bis Sonntag fand in München die Sicherheitskonferenz statt. 21 Staats- und Regierungschefs berieten die Weltlage. Lesen Sie hier den Verlauf im Newsblog nach.
- Ingrid Müller
- Anna Sauerbrey
- Christoph von Marschall
Stand:
- Von Freitag bis Sonntag beraten Politiker und Fachleuten Fragen der internationalen Sicherheit.
- Das Treffen steht auch unter dem Eindruck der Freilassung von Deniz Yücel aus türkischer Haft.
- Am Rande der Konferenz kommt es zum Eklat zwischen der türkische Delegation und Cem Özdemir
- Netanjahu warnt in seiner Rede den Iran: "Testen Sie nicht die Entschlossenheit Israels."
Vom Verschwinden der Berechenbarkeit
Die Bilanz der Sicherheitskonferenz ist niederdrückend. Die Weltlage ist bedrohlich, Europa schwach. Nur einer beeindruckt - in Teilen. So schaut unser Redakteur Christoph von Marschall auf die Sicherheitskonferenz zurück. Lesen Sie hier seinen Kommentar."Fatal für die deutsche Außenpolitik"
Außenminister Sigmar Gabriel ist bei der Sicherheitskonferenz von der offiziellen Linie der Bundesregierung abgewichen, indem er einen schrittweisen Abbau der Russland-Sanktionen ins Gespräch gebracht hat. CDU und Grüne warnen davor, dem Sozialdemokraten zu folgen. "Es ist fatal für die deutsche Außenpolitik, wenn Gabriel auf Grund seiner innerparteilichen One-Man-Show den geschlossenen Kurs der EU zum Minsker Abkommen relativiert", sagte etwa die neue Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock dem Tagesspiegel. Lesen Sie hier weitere Reaktionen auf Gabriels Vorstoß.Israelischer Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: "Mr. Sarif, erkennen Sie das? Das ist Ihres."

"Welt": Cem Özdemir in selbem Hotel wie türkische Delegation, steht unter Polizeischutz
Gestern Abend gab es einen indirekten Schlagabtausch zwischen dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu. Die beiden Länder haben ein angespanntes Verhältnis, seit Polen ein Gesetz erlassen hat, dass das Reden über eine polnische Beteiligung am Holocaust unter Strafe stellt. In einer Podiumsdiskussion hatte Morawiecki - nach dem Gesetz gefragt - gesagt: "Natürlich wird es nicht strafbar und kriminell sein, wenn man sagt, dass es polnische Täter gab, so wie es jüdische Täter gab, so wie es russische Täter gab, so wie es Ukrainer gab, nicht nur deutsche Täter", sagte er. Netanjahu reagierte auf das Schärfste. Die Aussage sei "empörend".

USA verteidigen Entwicklung neuer Atomwaffen gegen Russland
Die USA haben die geplante Entwicklung kleinerer Atomwaffen als Vorsichtsmaßnahme gegen die Aufrüstung Russlands verteidigt. "Wir wollen die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen damit nicht senken, sondern erhöhen", sagte der Nationale Sicherheitsberater, HR McMaster, am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Dies sei eine Reaktion darauf, dass Russland gegen den INF-Abrüstungsvertrag verstoße und selbst neue Waffen entwickle. "Wir werden nicht zulassen, dass Russland oder irgendein anderes Land die Bevölkerung Europas als Geisel nimmt", erklärte McMaster. "Wir glauben, dass dies die Abschreckungskraft der USA sehr stark erhöht." Daher sei der jüngste Kurswechsel wichtig. Der russische Diplomat Sergej Kisljak sagte dagegen, Russland habe den Eindruck, dass in der US-Regierung Atomwaffen eher als Mittel des Krieges gesehen würden denn als Abschreckungsmittel.McMaster sagte, nun bestehe die Chance, eine sehr offene Diskussion über die Konsequenzen von Verstößen gegen den INF-Vertrag zu führen, sagte McMaster. Dies gelte nicht nur für Europa, sondern weltweit. Der INF-Vertrag legte 1987 den Grundstein für die Verschrottung der landgestützten atomaren Mittelstreckenraketen und damit das Ende einer ganzen Waffensparte. Er gilt als eines der entscheidenden Abrüstungsabkommen. Die USA werfen Russland aber seit einigen Jahren vor, das Verbot zu missachten, landgestützte Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern zu besitzen, zu produzieren oder zu testen.
Kisljak wies den Vorwurf des Verstoßes gegen den INF-Vertrag zurück und sagte, die von den USA veröffentlichte Nuklearstrategie werfe viele Fragen auf. Man scheine dort "eine recht entspannte Haltung" hinsichtlich der Bedingungen für den Einsatz von Atomwaffen einzunehmen. Russland dagegen verfolge eine Strategie, die Atomwaffen eindeutig nur zur Abschreckung vorsehe. "Wir müssen also abwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln, wie sich auch die Denkweise in den USA weiter entwickelt", sagte Kisljak. "Dann können wir sehen, ob ein Dialog in diesem Bereich möglich ist und unsere Bedenken vielleicht besänftigt werden können." (Reuters)
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will, dass Sigmar Gabriel (SPD) Außenminister bleibt

Gabriel wechselt in Rolle als SPD-Politiker und schlägt schrittweisen Abbau der Russlandsanktionen vor
Für Kopfschütteln unter Beobachtern und Diplomaten sorgte Sigmar Gabriel am Rande der Konferenz bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. Gabriel wechselte kurz in seine Rolle als SPD-Politiker und plädierte für einen schrittweisen Abbau der Russland-Sanktionen, sollte Wladimir Putin einer UN-Blauhelmmission in der Ostukraine zustimmen. Die offizielle Position der Bundesregierung sei das nicht, sagte Gabriel, das wisse er. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bekräftigte prompt am Rande der Konferenz: "Die Voraussetzung für den Abbau der Sanktionen ist die vollständige Umsetzung des Minsk-Abkommens", also unter anderem der Abzug russischer Truppen aus der Ostukraine. Der US-Sondergesandte für die Ukraine, Kurt Volker, sagte am Rande der Konferenz hingegen, eine Blauhelmtruppe könne nur im Kontext einer vollständigen Umsetzung von Minsk gesehen werden. Der ukrainische Außenminister, Pawlo Klimkin, reagierte entspannt auf Gabriels Aussage. "Darüber habe ich mit Sigmar schon oft diskutiert", sagte er dem Tagesspiegel am Rande der Konferenz. "Für uns steht fest: Die richtige Reihenfolge der Schritte muss eingehalten werden."

Rückblick auf Freitagnacht: Die Amerikaner scheinen ihre inneren Konflikte zu Hause gelassen zu lassen
Night Owl" (Nachteule) ist der Spitzname der Debatten spätabends bei der Münchener Sicherheitskonferenz: wenn die Teilnehmer von ihren Abendessen zurückkehren und die Zeit bis Mitternacht für einen weiteren Gedankenaustausch nutzen. Thema am Freitag Abend waren die Gefahren für die liberale Ordnung, Eröffnungsredner war Joe Biden, der US-Vizepräsident in den beiden Amtszeiten Barack Obamas.
Manche Zuhörer hatten auf eine Abrechnung des US-Demokraten mit dem Republikaner Donald Trump gehofft. Der neue Präsident ist in den Augen vieler Europäer die Inkarnation der Bedrohung für die liberale Weltordnung - vom Klimaabkommen bis zum Freihandel. Doch Biden enttäuschte die Erwartungen. Er sprach über die Versuche Russlands, Wahlen in westlichen Demokratien zu manipulieren.
Die Moral von der Geschichte? Wenn prominente US-Politiker ins Ausland reisen, lassen sie die inneramerikanischen Lagerkonflikte zuhause. Im Ausland spricht man nicht schlecht über den innenpolitischen Gegner, sondern verteidigt das nationale Interesse. Das gehörte zum guten Ton unter Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama. Unter Trump mag sich vieles ändern, diese Benimmregel aber nicht. (Christoph von Marschall)
Britische Premierminister Theresa May lässt Liebeserklärung kühl abperlen
Sigmar Gabriel sieht Weltgeschichte an einem Wendepunkt
Sigmar Gabriel scheut in seiner Rede nicht vor Pathos zurück: Er zeichnet die Gegenwart als dramatischen historischen Moment, an dem Europa sich entscheiden muss, ob es den Beginn eines neuen "asiatischen Zeitalters" zulässt - oder sich sammelt, zusammensteht und selbst zu einem ernstzunehmend Spieler der Weltordnung wird. Gabriel zeichnete diese Entscheidung quasi als Entscheidung über Leben und Tod und endete mit einem Zitat von Benjamin Franklin: "We must indeed all hang together, or, most ensuredly, we will all hang separately." Gabriel sagte auch: "Es geht wieder um die Freiheit."
Deutlich freundlicher war Gabriels Rede mit Blick auf die transatlantischen Beziehungen. Noch im Dezember hatte er in einer von seinen Presseleuten als "Grundsatzrede" bezeichneten Ansprache auf einer außenpolitischen Tagung in Berlin gesagt, die transatlantischen Beziehungen würden auch nach Trump nie wieder die gleichen. Diese Mal betonte er die historische Tiefe der Beziehungen und die gegenseitge Abhängigkeit: "Wenn wir prägend sein wollen, müssen wir erkennen, dass eigene Kraft in Europa nicht ausreichen wird. Für unsere amerikanischen Partner sollte klar sein, dass die enge Zusammenarbeit mit Europa auch in ihrem eigenen Interesse bleibt."
Gabriel mahnte, die Europäer müssten, wie China auch, eine eigene globale Strategie entwickeln - und die Instrumente, um sie umzusetzen. "China ist das einzige Land der Welt mit einer wirklichen globalen geostrategischen Idee. "Vorzuwerfen ist es uns, dass wir als Westen über keine eigene Strategie haben."
US-Verteidigungsminister erinnert Europa an Nato-Verpflichtungen
Den Amerikanern haben die Versicherungen der Europäerinnen Ursula von der Leyen und Florence Parly von Freitag, Europa werde mehr in Verteidigung investieren, ohne die Nato zu benachteiligen, offenbar nicht gereicht, um ihr Misstrauen gegenüber den neuen militärischen Ambitionen zu zerstreuen. US-Verteidigungsminister James Mattis ließ nach einem Treffen mit seiner französichen Amtskollegin Parly am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz noch einmal ausdrücklich mitteilen, er habe betont, ein starkes Europa sei ein besserer Sicherheitspartner, aber dass die europäischen Verteidigungsinitiativen bitteschön die Nato ergänzen sollten und nicht zu ihr in Wettbewerb treten. (Ingrid Müller)
Stoltenberg: "Die nukleare Gefahr ist zurück auf der Tagesordnung."
Der Generalsekratär der Nato, Jens Stoltenberg, zeigte sich besorgt über die nukleare Aufrüstung in verschiedenen Teilen der Welt. "Die nukleare Gefahr ist zurück auf der Tagesordnung", sagte er. Er hob besonders den 1987 geschlossenen INF-Vertrag hervor, der die Stationierung und Entwicklung nuklearer Mittelstreckenwaffen verbietet. Die USA werfen Russland vor, gegen den Vertrag zu verstoßen. Stoltenberg forderte Russland auf, auf diese Vorwürfe einzugehen und Transparenz herzustellen. Die Europäer forderte er auf, sich in die Verhandlungen einzubringen. Nordkorea könne mittlerweile alle Nato-Partner mit seinen Raketen erreichen. "München ist heute näher an Pjöngjang als Washington D.C."

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