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NSU-Terroristin Beate Zschäpe beim Prozess 2016. 

© Matthias Schrader/dpa

Mangelnde Kompetenz, Fehleinschätzungen, schlechte Kooperation: Thüringer NSU-Ausschuss wirft Polizei und Justiz Versagen vor

Nach vier Jahren Arbeit: Der zweite Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss stellt Polizei und Justiz im Land ein vernichtendes Zeugnis aus.

Vier Jahre lang haben die Mitglieder des zweiten Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses Zeugen vernommen, Akten gelesen und dabei immer nach der Antwort auf eine große Frage gesucht: Haben die Thüringer Sicherheitsbehörden Fehler bei der Suche nach der NSU-Terrorzelle um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gemacht?

Die drei wuchsen in Jena auf und gingen von Thüringen aus in den Untergrund. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses wird nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Er liefert Antworten, ist aber nicht unumstritten. Die zentralen Erkenntnisse des mehr als 2000-seitigen Berichts:

POLIZEI: Im Abschlussbericht wird anhand zahlreicher Beispiele kritisiert, dass die Polizei nicht nur bei der Suche nach dem Terror-Trio in den 2000er-Jahren, sondern zum Beispiel auch unmittelbar nach dem Auffliegen des NSU am 4. November 2011 in Eisenach Fehler gemacht habe.

In der Halle eines privaten Abschleppunternehmers, in die das Wohnmobil der Rechtsterroristen kurz nach dem Auffinden geschleppt worden war, sei beispielsweise nur zwei Tage lang sichergestellt gewesen, dass keine unbefugten Personen Zugang zu dem Fahrzeug hatten. Dabei habe das Wohnmobil bis Ende November 2011 dort gestanden, heißt es in dem Bericht.

VERFASSUNGSSCHUTZ: Auch mit der Arbeit des Thüringer Verfassungsschutzes sind die Mitglieder des Ausschusses nicht zufrieden. „Die im Bereich Rechtsextremismus des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz aufgegliederte Struktur der Zuständigkeiten führte in Verbindung mit dem bereits erwähnten Mangel an Sach- und Fachkompetenz bei Teilen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu einer Fehleinordnung von Veranstaltungen, Strukturen sowie Akteuren und Akteurinnen der rechten Szene in Thüringen“, steht in dem Bericht.

Eine ehemalige Mitarbeiterin des Amtes hatte vor dem Ausschuss erklärt, sie habe es während ihrer Tätigkeit bei dem Inlandsnachrichtendienst nicht für möglich gehalten, dass Rechtsextremisten andere Menschen töten würden.

JUSTIZ: Auch der Thüringer Justiz werden im Abschlussbericht Fehler im Umgang mit Rechtsextremisten vorgeworfen. Bei Richtern und Staatsanwälten seien nur „wenige Erkenntnisse“ dazu vorhanden gewesen, wie sich beispielsweise die rechtsextreme Szene mit der Organisierten Kriminalität überschnitten habe. Wo einzelne Fakten bekannt waren, seien sie nicht für relevant erachtet worden.

Dabei habe der Ausschuss festgestellt, dass es sehr wohl Verknüpfungen zwischen Neonazis und etwa Rocker-Gruppierungen gegeben habe. Beispielsweise hätten Rechtsextreme und Rocker die gleichen Räumlichkeiten benutzt.

ZUSAMMENARBEIT VON BEHÖRDEN: Im Abschlussbericht heißt es, der Informationsaustausch zwischen den Thüringer Sicherheitsbehörden, aber auch zwischen Landes- und Bundesbehörden sei ungenügend gewesen. Beispielsweise habe es bei der Suche nach dem untergetauchten Trio keine umfassende Weitergabe von Informationen des Thüringer Verfassungsschutzes an die Polizei gegeben.

Bei der Zusammenarbeit zwischen Polizei und dem Bundeskriminalamt (BKA) könnten sogar Daten verloren gegangen sein. So seien laut den Schilderungen eines Zeugen Computer, Handys und Festplatten, die aus einer Durchsuchung bei einem Rechtsextremen stammten, von BKA-Mitarbeitern mitgenommen worden, obwohl deren Daten noch nicht abschließend von der Landespolizei gesichert worden waren.

INNENMINISTERIUM: Über die Zusammenarbeit zwischen dem zweiten Untersuchungsausschuss und dem Thüringer Innenministerium beklagen sich die Abgeordneten im Abschlussbericht ausführlich. Das Ministerium habe den Parlamentariern - anders als während der Arbeit des ersten Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses - nicht alle erbetenen Akten zur Verfügungen gestellt.

Wichtige Akten der Landespolizei zu von den Beamten geführten Spitzeln - sogenannten Vertrauenspersonen (VP) - seien für die Abgeordneten nicht einsehbar gewesen, kritisiert der Ausschuss. (dpa)

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