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Abmarsch für Fanatiker. Die Bundeswehr hat seit 2016 mehr als 200 extremistische Soldaten aus dem Dienst entfernt. Die meisten Entlassenen waren Rechte.

© Picture-Alliance/dpa

Exklusiv

Bundeswehr wirft Fanatiker raus: Mehr als 200 extremistische Soldaten entlassen

Die Bundeswehr verschärft ihren Kurs gegen Neonazis und andere Radikale. 2021 wurden mehr Extremisten entlassen als in jedem der fünf Jahre zuvor.

Von Frank Jansen

Die Bundeswehr greift offenbar in den eigenen Reihen härter gegen politische Fanatiker durch. Im vergangenen Jahr wurden nach Informationen des Tagesspiegels bis zum Stichtag 30. September insgesamt 60 Soldaten wegen extremistischer Bestrebungen entlassen. Damit wurde bereits in den neun Monaten eine höhere Zahl erreicht als in jedem vollständigen Jahr seit 2016. Die Angaben finden sich in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner und seiner Fraktion.

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Bei den meisten Entlassenen, insgesamt 57, handelt es sich um Uniformträger, die als Rechtsextremisten in Erscheinung getreten waren. Drei weitere Soldaten fielen als Islamisten auf. Fast alle Entlassenen sind Männer, nur eine Soldatin wurde in den ersten neun Monaten 2021 wegen extremistischer Umtriebe aus der Bundeswehr entfernt.
Von 2016 an hat die Bundeswehr bis zum September 2021 insgesamt 225 Soldaten entlassen, darunter vier Frauen. Die große Mehrheit, 204 Soldaten, musste sich wegen rechtsextremistischer Umtriebe verabschieden. Weitere 17 waren Islamisten, die restlichen vier wurden als linksextrem eingestuft.

"Extremisten unverzüglich entfernen"

Das Bundesverteidigungsministerium gehe „jedem Fall eines Extremismusverdachtes in der Bundeswehr entschieden nach“, heißt es in der Antwort der Regierung. Ziel sei es, „erkannte Extremisten unverzüglich aus der Bundeswehr zu entfernen“. Ein Sprecher des Ministeriums verwies auf den Zuwachs beim Personal für die Erkennung von Extremisten. Seit einigen Jahren gehe die Bundeswehr "mehr denn je" mit der im Bundesverteidigungsministerium angesiedelten Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle "wie auch durch einen signifikanten Stellenaufwuchs im Bereich Extremismusabwehr beim Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst aktiv und präventiv gegen jegliche Erscheinungsformen extremistischer Natur vor". Außerdem trage eine "erhöhte Sensibilität in der Truppe" zur Abwehr von Extremismus "positiv bei".

2016 wurden nur sechs Extremisten entfernt

Die Zahlen zu den entlassenen Soldaten und Soldatinnen waren zunächst gering. 2016 entfernte die Bundeswehr nur sechs Extremisten (fünf Rechte, ein Islamist) aus dem Dienst. 2017 waren es 36 (28 Rechte, zwei Linksextreme, sechs Islamisten), 2018 insgesamt 32 Soldaten (30 Rechtsextreme, zwei Islamisten).

Auch Angestellte mussten die Bundeswehr verlassen

Im Jahr 2019 stieg die Zahl auf 55 Soldaten, deren Dienst in der Bundeswehr vorzeitig beendet wurde. Auch damals mussten die meisten, insgesamt 49 Soldaten, wegen rechtsextremer Machenschaften die Uniform ausziehen. Die anderen waren vier Islamisten und zwei Linksextreme.

2020 gingen die Zahlen wieder deutlich zurück. Die Bundeswehr warf 34 Soldaten und zwei Soldatinnen raus. Bis auf einen Islamisten handelte es sich um Rechtsextreme. Für 2020 teilt das Ministerium zudem auf seiner Website mit, es sei auch „elf Tarifbeschäftigten das Arbeitsverhältnis aufgrund rechtsextremistischer Verfehlungen gekündigt“ worden. Außerdem sei ein „Beamter des mittleren Dienstes mit Bezug zum Rechtsextremismus“ entlassen worden.

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Bei Rechtsextremisten ist die Motivation, zur Bundeswehr zu gehen, aus Sicht von Sicherheitskreisen simpel - und doch gefährlich. Neonazis und andere Rechte sehen sich als soldatische Mannsbilder, Wehrmacht und Waffen-SS werden glorifiziert. Auch wenn die Bundeswehr als Armee der verhassten Demokratie gilt, ist der Dienst für Rechtsextreme eine Gelegenheit, schießen und kämpfen zu lernen. Als Vorbereitung auf den angestrebten „Tag X“, den Beginn eines Bürgerkriegs.

Auch bei den vereinzelt in die Bundeswehr einsickernden Islamisten und Linksextremisten spielten Schießtraining und das Lernen von Kampftechniken eine Rolle, sagen Sicherheitsexperten. Die Regierung betont in der Antwort auf die Anfrage der AfD-Fraktion, es sei nötig, die Ursachen von Extremismus zu untersuchen. Hierzu führe das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr „eine Studie zu Ursachen, Ausmaß und Einfluss von politischem Extremismus in der Bundeswehr durch, sobald es die Pandemie zulässt“.

Prozess gegen rechtsextremen Offizier nähert sich Endstadium

Unterdessen zeichnet sich im Terrorprozess gegen den Oberleutnant Franco A. die Schlussphase ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt sagte am Mittwoch, am 20. Januar plane der Strafsenat, die Beweisaufnahme zu schließen. Danach folgen Plädoyers und Urteil.

Die Bundesanwaltschaft wirft A. vor, er habe von 2015 an Attentate auf Politiker wie den damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) geplant. Franco A. soll sich zudem als syrischer Flüchtling registriert haben lassen, um mit den Anschlägen die flüchtlingsfeindliche Stimmung in Teilen der Bevölkerung anzuheizen.

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