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Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, kommt mit dem Airbus A350 der Luftwaffe auf dem Flughafen in Washington-Dulles an.

© dpa/Kay Nietfeld

Not macht erfinderisch: Mehr Patriot-Schutz für die Ukraine – auch Deutschland bezahlt US-Waffen

US-Präsident Trump stellt der Ukraine als Teil einer neuen Initiative mehrere Raketenabwehrsysteme zur Verfügung, wenn die Europäer sie ihm abkaufen. Minister Pistorius schlägt vor Ort zu.

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Extrem schwül ist es, als Boris Pistorius nach knapp acht Stunden Flug in Washington aus dem Regierungs-Airbus steigt. Für später sind stürmische Gewitter angekündigt. Erst muss aber auch er die neuen strengen Einreisekontrollen über sich ergehen lassen.

Sonstige politische Turbulenzen aber muss der Verteidigungsminister nicht befürchten. Er weiß schon, dass es nach vielen Hiobsbotschaften für das transatlantische Verhältnis an diesem Tag einmal wieder gute Nachrichten für die Ukraine geben wird.

Das hat mit der Ankündigung zu tun, die kurz nach seiner Landung aus dem Weißen Haus kommt. Während sich Pistorius auf den Weg ins Pentagon macht, empfängt Präsident Donald Trump im Oval Office parallel den Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Und die hat es in sich.

Die ersten 17 Geschosse sollen schon auf dem Weg sein

Zu einem größeren Paket, das den russischen Präsidenten Wladimir Putin beeindrucken soll, gehören nicht nur Sanktions- und Strafzollandrohungen, wenn es nicht innerhalb von 50 Tagen zu Fortschritten in Richtung Frieden kommt, Rutte nennt auch „massive“ Waffenlieferungen. Trump spricht davon, dass die ersten 17 Raketengeschosse transportbereit seien – freilich noch nicht die ganzen Systeme.

Die Armee des Landes bekommt neue Raketenabwehrsysteme vom Typ Patriot, um Kiew und andere große Städte gegen den zuletzt immer brutaleren nächtlichen Bombenterror zu schützen. In bis zu knapp 70 Kilometer Entfernung können sie Flugzeuge, ballistische Raketen oder Marschflugkörper treffen.

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Patriot-Systeme von ihren insgesamt zwölf hat die Bundeswehr schon der Ukraine überlassen.

Die Systeme, die aus einem Radargerät, einem Feuerleitstand und mehreren damit verbundenen Abschussvorrichtungen für die Flugkörper bestehen, sind so heiß begehrt wie umkämpft, weil nach Ende des Kalten Krieges die Zahl der Flugabwehreinheiten immer weiter reduziert wurde. Viele Verbündete taten sich bisher schwer damit, ihre Patriots der Ukraine zu überlassen.

Die Bundeswehr hat bisher drei von insgesamt zwölf Einheiten abgegeben und sieht eine Schmerzgrenze erreicht, um die eigene Verteidigungsfähigkeit gewährleisten zu können. Vier bereits neu bestellte Systeme müssen erst noch produziert werden. Zwei der verbliebenen neun Patriot-Staffeln sind zudem aktuell im Osten Polens eingesetzt, um das Nato-Bündnisgebiet zu schützen, aber auch den Umschlagplatz für die westlichen Waffenlieferungen in die Ukraine.

Mindestens zehn weitere Patriot-Systeme müssten dort durchgeschleust werden, um der ukrainischen Zivilbevölkerung adäquaten Schutz vor den nächtlichen Angriffen zu bieten. So lautet zumindest die Zielmarke einer internationalen Luftverteidigungsinitiative für die Ukraine, die Pistorius schon zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ins Leben rief und nun mit deren Nachfolger Johann Wadephul (CDU) in der schwarz-roten Koalition erneuert hat.

Der Deal hatte viele Wochen Vorlauf

Zentral dabei sind die Vereinigten Staaten, die über rund 60 Systeme verfügen, unter Trumps neuer Regierung aber keine neuen Waffenlieferungen an die Ukraine mehr genehmigen wollten. Zwischenzeitlich, nach der Vorführung von Kiews Staatschef Wolodymyr Selenskyj im Oval Office Anfang Februar, waren sogar die bereits zugesagten Militärhilfen vorübergehend gestoppt worden.

Pistorius unterbreitete seinem US-Amtskollegen Pete Hegseth, der ihn am frühen Abend mitteleuropäischer Zeit mit einem militärischen Ehrenspalier vor dem Pentagon empfing, daher schon vor vielen Wochen ein Angebot: Deutschland könnte den Amerikanern die Waffen auch abkaufen – für die Ukraine.

Nach einiger Bedenkzeit, in der unter anderem auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) den Mann im Weißen Haus von den Vorzügen des Deals zu überzeugen suchte, signalisierte Trump unmittelbar vor dem Besuch von Pistorius seine grundsätzliche Zustimmung.

Das Geschäft spült schließlich allein aus dem Bundeshaushalt insgesamt rund zwei Milliarden Euro für zwei Patriot-Systeme in die US-Staatskasse. Sollten andere europäische Staaten wie etwa Norwegen ebenfalls diese neue Kaufvariante wählen, noch mehr. Die Bundesregierung hofft, dass für ein bis zwei weitere unter den europäischen Alliierten genug Geld zusammenkommen könnte.

Im Oval Office neben Trump sitzend, erwähnte Rutte am Montag Pistorius ausdrücklich als einen derjenigen, die an dem Deal beteiligt waren. Zu den offenen Fragen bei seinem Besuch gehörte nur noch, wie viel politische Distanz die Trump-Regierung trotzdem wahren will. Liefert sie die US-Patriot-Systeme direkt in die Ukraine? Oder besteht Washington etwa darauf, dass die Bundeswehr zwei ihrer Einheiten schickt, die dann von den amerikanischen ersetzt werden? Pistorius sagte am Abend, dass die Arbeitsebene den Auftrag bekommen habe, und nun „sehr schnell“ die letzten Details klären solle.

Der Bundestag, der gerade in die parlamentarische Sommerpause entschwunden ist, muss nicht eigens zusammenkommen, um die zwei Milliarden Euro zu genehmigen. Im sogenannten Einzelplan 60 des Bundeshaushalts sind für das laufende Jahr insgesamt rund neun Milliarden für die militärische Unterstützung der Ukraine eingestellt, über die die Bundesregierung frei verfügen kann.

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