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Politik: Mein Feind bin ich

Immer mehr im Irak stationierte US-Soldaten töten sich selbst – das Pentagon forscht nach den Gründen

Das Thema ist tabu. Selbst den Angehörigen wird die Wahrheit oft vorenthalten. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. In den Statistiken tauchen als Todesursache daher seltsame Begriffe auf. Der Soldat sei „an einer nicht feindlichen Kugel gestorben", heißt es, oder: Er sei den „nicht durch Fremdeinwirkung herbeigeführten Verletzungen erlegen". Mit solch nebulösen Formulierungen wird ein Problem umschrieben, das die Verantwortlichen im US-Verteidigungsministerium zunehmend belastet. Immer mehr Amerikaner, die im Irak stationiert sind, verüben Selbstmord. Allein im vergangenen Jahr, schrieb am Donnerstag die „Washington Post", hätten sich dort 22 Soldaten umgebracht.

Die Zahlen alarmieren. Die Selbstmordrate im Irak liege 20 Prozent über dem Armee-Durchschnitt, heißt es in dem Bericht. Überdies könne die Dunkelziffer wesentlich höher sein. Nicht eingeschlossen sind Fälle, in denen die Untersuchung noch andauert, sowie Suizide, die Soldaten nach ihrer Rückkehr in die Heimat verüben.

Macht Krieg krank? Im Herbst schickte das Pentagon ein spezielles Team in den Irak, um die Gründe für die gehäuften Suizide herauszufinden. Die Ergebnisse sollen demnächst veröffentlicht werden. Doch die Erklärung des Phänomens scheint selbst Experten schwer zu fallen. Normalerweise sinkt im Kriegsfall die Selbstmordrate in der Armee. Im Irak passierte das Gegenteil. Eine Rolle könnte der umstrittene Casus Belli spielen. Die Irak-Invasion werde, im Unterschied etwa zum Zweiten Weltkrieg, nicht als klassischer Verteidigungskrieg wahrgenommen, sagte der Zeitung ein emeritierter Psychologie-Professor.

Ein zweiter Aspekt dürfte die besondere Kombination aus Nähe und Unberechenbarkeit sein. Der erste Golfkrieg und der Kosovokrieg waren für die US-Soldaten in gewisser Weise aseptisch – erst die Luftbombardements, dann die Kapitulation. Im Irak dagegen geht das Sterben bis heute weiter.

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