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Merz, lass nach: Die Beratungsresistenz des Kanzlers tut weh
Olaf Scholz hatte vor der Wahl mal gesagt, dass Friedrich Merz „Tünkram“ rede, sprich: Unsinn. Auf die Idee kann man kommen, wenn man ihn als Kanzler so hört.

Stand:
Das alles hätte sich mal Olaf Scholz leisten sollen, diese ganzen verbalen Ausrutscher. Was hätte der sich alles anhören müssen.
Aber vielleicht hatte der Ex-Kanzler schlicht recht: „Fritze Merz erzählt gern Tünkram.“ Tünkram heißt so viel wie Unsinn.
Wobei: Die Ausrutscher des jetzigen Kanzlers sind womöglich keine. Eher wirkt es, als sei Merz ganz einfach so. Also heute so, morgen so, nicht wahr. Nur manchmal dauert es zwei Tage, bis er sich grundlegend anders äußert, wie bei der Schuldenbremse.
„Das wird ja nicht die einzige Sache sein, wo er sich so verhält. Er hat es schon oft gezeigt und wird es auch noch im Wahlkampf oft zeigen. Die Bürger werden sich ihren Reim darauf machen.“ Hat Scholz gesagt – zu früh. Die Bürger können sich jetzt, nachdem Merz im Amt ist, besser einen Reim darauf machen.
Fettnapf-Fritze: Jüngstes Beispiel sind seine abfälligen Worte über die Stadt Belém in Brasilien, Schauplatz des Klimagipfels. Die haben zu Empörung bis in die Staatsspitze geführt. Davor waren es seine harschen Worte an die JU wegen ihrer Position in der hiesigen Rentendebatte. Die haben auch mehr getroffen als die Jungen in der Union. Sie ziehen Kreise.
Wer ihn nicht versteht, ist selber schuld. Gibt es keinen, der ihn berät, auf den er hört?
Stephan-Andreas Casdorff über Friedrich Merz
Bei Merz muss immer einer hinterher erklären, was er vorher gar nicht gemeint haben will. Der Kanzleramtsminister wird zum obersten Interviewminister; kein Wunder, dass Thorsten Frei zum Eigentlichen, der vorausschauenden Koordination der Regierung, nicht richtig kommt.
Und dann will sich der Kanzler nicht mal damit auseinandersetzen. Sich entschuldigen erst recht nicht. Wer ihn nicht versteht, ist selber schuld. Gibt es keinen, der ihn berät, auf den er hört? Wolfgang Schäuble nicht mehr; und selbst der hatte es zuletzt schwer.
Er kritisiert – und dann hat er in der Sache keine Ahnung
Merz lässt so gar keine Neigung zur Selbstreflexion erkennen, zur Selbstvergewisserung, stattdessen eine zu übermäßiger Entschiedenheit. Er ist immer der, der Bescheid weiß. Seine Diktion klingt dann verletzend.
Wie bei der JU. Der wirft Merz vor, nur zu sagen, was bei der Rente nicht gehe. Und dann hat er keine Ahnung. Die Junge Union hatte zwölf (12!) Vorschläge in ihrem Leitantrag. Aber der Kanzler sagt, sie solle konkret werden. Der Rest ist Schweigen.
Überall im Übrigen. Besser nichts sagen, weil viele, nicht allein die in der Union, fürchten, dass ein Sturz von Merz die AfD noch stärker machen könnte?
Bei Olaf Scholz gab es so einen Tünkram noch nicht.
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